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Kommentar: Warum das Vertrauen in Kanzlerin Merkel nachlässt

Kommentar

Warum das Vertrauen in Kanzlerin Merkel nachlässt

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    Bundeskanzlerin Angela Merkel polarisiert, wie wohl noch nie zuvor.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel polarisiert, wie wohl noch nie zuvor. Foto: Marius Becker dpa

    Wir schaffen das: Dieser Satz, der eines Tages in den Geschichtsbüchern stehen wird, ist Angela Merkels Mantra – und bleibt es. Die Kanzlerin weicht kein Jota von ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik ab, obwohl sie schwer unter Druck steht und an Ansehen verloren hat. Mögen CSU und starke CDU-Kräfte noch so sehr auf eine Kurskorrektur drängen und die Umfragewerte der Union sinken: Merkel bleibt auf jenem Weg, den sie in der Nacht zum 5. September mit der Öffnung der Grenzen eingeschlagen hat. Sie tut das gegen alle Widerstände und trotz der Tatsache, dass der Zustrom von Flüchtlingen schon heute kaum mehr zu verkraften und die Stimmung am Kippen ist.

    Kanzlerin Angela Merkel hat sich eindeutig festgelegt

    Die CDU-Vorsitzende ist in den langen Jahren ihrer Kanzlerschaft oft dafür gescholten worden, dass sie ohne festes Konzept operiere und vorwiegend moderiere. Nun jedoch, in dieser „Bewährungsprobe historischen Ausmaßes“ (Merkel), hat sich die Kanzlerin eindeutig festgelegt. Sie steht damit für eine Politik, die die Chancen massenhafter Zuwanderung weit höher einschätzt als die Risiken und jeden Versuch, Deutschland abzuschotten, für aussichtslos hält. Merkel zeichnet das Bild eines weltoffenen, auch der Stimme des Herzens gehorchenden Landes, das diese Krise meistern kann – sofern es nur mit Zuversicht und Mut ans Werk geht.

    Merkels Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Deutschen ist gut und ermuntert zum Zupacken. Aber warum weigert sie sich so hartnäckig, auch die Grenzen dessen, was Deutschland leisten kann, zu beschreiben? Niemand glaubt ja im Ernst, dass sie auf eine „andere Republik“ (Seehofer) aus ist. Auch dürften Überlegungen, die letzte große Hürde für ein schwarz-grünes Bündnis wegzuräumen, nur eine untergeordnete Rolle spielen. Merkel will einfach demonstrieren, dass sie zu dem steht, was sie für richtig hält. Sie will sich nicht auf Geheiß Seehofers öffentlich korrigieren. Sie will erst gar nicht den Eindruck erwecken, als ob sich mit Grenzschließungen oder einem „Aufnahmestopp“ etwas ausrichten ließe. Und sie hält auch nichts vom Rezept der CSU, die rechte Konkurrenz der Union mit einer schärferen Gangart im Zaum zu halten.

    Furcht, dass Politik der Flüchtlingskrise nicht Herr wird

    Das Problem ist nur, dass sich in Merkels Aussagen zu wenig von den berechtigten Sorgen der Bevölkerung um eine Überforderung Deutschlands findet. Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass die schiere Zahl der Zuwanderer – und es kommen ja nicht nur friedfertige, fleißige, eingliederungswillige, die Spielregeln akzeptierende Menschen – dauerhaft nicht zu bewältigen ist und die nötige Integration unmöglich macht. Deshalb wächst die Furcht, dass die Politik dieser Krise nicht Herr wird. Deshalb hätte die Kanzlerin dem berühmten „Wir schaffen das“ hinzufügen müssen, dass die Aufnahmefähigkeit des Landes begrenzt ist und auch die Abweisung von Flüchtlingen kein Tabu sein kann. Es wäre eine vertrauensbildende Maßnahme gewesen – ein Signal für wirklich entschlossenes Handeln.

    Nichts in Merkels „Plan“ ist falsch: schnellere Asylverfahren, Sicherung der EU-Außengrenzen mit Hilfe der Türkei, Bekämpfung der Fluchtursachen, mehr Hilfe für die Menschen vor Ort – alles richtig. Nur: Dies alles braucht viel Zeit und ist nur europäisch zu lösen. Es gibt, da hat Merkel recht, keine einfachen Antworten, weil Mauern nicht helfen und Europa der humanitären Idee verpflichtet ist.

    Trotzdem muss schnell mehr geschehen, um die unkontrollierte Einwanderung zu begrenzen und die Ordnung wiederherzustellen. Die Kanzlerin wird, wenn das (noch starke) Vertrauen in ihre Problemlösungs-Kompetenz nicht weiter sinken soll, eine umfassendere Antwort anbieten müssen.

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