Eigentlich hätte Christian Lindner an diesem Wahlsonntag Grund genug zum Jubeln. In Baden-Württemberg bleibt die FDP sicher im Landtag, in Rheinland-Pfalz schaffen die Liberalen die Rückkehr ins Parlament. Und selbst im für die Partei traditionell schwierigen Sachsen-Anhalt hat es beinahe geklappt. Trotzdem wählt der FDP-Chef in erster Linie mahnende Worte. „Das ist ein Abend von gemischten Gefühlen“, sagt der 37-Jährige.
Weil mit der Freude über das respektable Abschneiden bei den drei Landtagswahlen auch der Ärger über den Triumph der AfD einhergeht – jener Partei, die nur Protest könne, jener Partei, die nun bekämpft werden müsse. Die Bundesregierung, sagt Lindner, müsse ihren Kurs in der Flüchtlingskrise überdenken.
Für Lindner ist dieser Abend vor allem eines – der Beweis, dass seine Wahlkampftaktik aufgegangen ist. Bewusst hat er die Partei zwischen CDU und AfD positioniert, hat die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung im Allgemeinen und das Krisenmanagement der Kanzlerin im Speziellen kritisiert – ohne dabei in Rechtspopulismus zu verfallen.
Der Erfolg der FDP ist vor allem Lindners Erfolg
Was Lindner nicht sagt: Der Erfolg der FDP ist vor allem sein Erfolg. Wohl kein anderer Bundesvorsitzender hat sich in den Landtagswahlkämpfen stärker engagiert. Mehr als 330 Termine hat er in den vergangenen Monaten absolviert. Das geht an die Substanz, selbst wenn man, wie Lindner, regelmäßig aufs Laufband steigt oder sich an der Rudermaschine fit hält.
Lindner ist so etwas wie der Chef einer Ein-Mann-Partei, seit er 2013 an deren Spitze steht. Er leitet die wichtigste Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, reist durch Kleinstädte, wirbt neue Mitglieder, sitzt in den Talkshows. Einer, der rastlos, aber systematisch an der Rückkehr seiner Partei arbeitet. Dem Ziel, 2017 wieder in den Bundestag einzuziehen, ordnet er alles unter.
Der studierte Politikwissenschaftler, der mit einer Journalistin verheiratet ist und in der Nähe von Düsseldorf lebt, galt schon früh als Wunderkind der FDP. Mit 21 Jahren wurde er jüngster Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag, mit 25 Generalsekretär der Landespartei, mit 30 der Bundespartei. Zwei Jahre später warf der Mann mit dem smarten Auftreten hin, weil er, sagt er heute, Parteichef Philipp Rösler „Platz für eine neue Dynamik“ lassen wollte.
Tatsächlich mag es eher Frust über mangelnde Strategie und Führung gewesen sein. Doch der 37-Jährige hat gelernt, die Geschichte vom jungen, dynamischen Typ, der hinfällt und wieder aufsteht, für sich zu nutzen. Wie zuletzt an der Frankfurter Goethe-Universität, wo er vor 1000 Studenten berichtet, wie er vor 15 Jahren ein Start-up-Unternehmen in den Sand setzte – 2001, als die Dotcom-Blase platzte und sein Software-Unternehmen Moomax pleiteging. Und dass es darum gehe, immer weiterzumachen und aus Krisen zu lernen. Wem mag man das mehr glauben als Lindner?