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Bundestagswahl 2013: Wahlprogramm der Union: Maß und Mitte oder Märchenbuch?

Bundestagswahl 2013

Wahlprogramm der Union: Maß und Mitte oder Märchenbuch?

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    Wahlprogramm der Union: Maß und Mitte oder Märchenbuch?
    Wahlprogramm der Union: Maß und Mitte oder Märchenbuch? Foto: Wolfgang Kumm

    Kein Blatt Papier soll zwischen sie passen. Der für seine kleinen Seitenhiebe bekannte CSU-Chef Horst Seehofer müht sich am Sonntagabend redlich, die Verabschiedung des gemeinsamen Wahlprogramms mit der CDU in schönsten Farben zu zeichnen und höchsten Tönen zu loben. Und dann kommt doch die Sprache auf die PKW-Maut, die die CSU unbedingt einführen und die die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel unbedingt verhindern will. "Deswegen ist sie auch nicht im Gesamtprogramm", stellt Merkel mal eben in einem Satz klar. Seehofer revanchiert sich mit der Ankündigung, die CSU werde die Maut in die Koalitionsverhandlungen einbringen.

    Wenn die Union denn die Wahl gewinnt. Momentan sieht es klar danach aus, dass sie bei der Wahl am 22. September mit Abstand stärkste Kraft wird. Bleibt die Frage, ob die FDP die Fünf-Prozent-Hürde nimmt und es dann auch noch reicht für Schwarz-Gelb. Trotz der beschwerlichen vier gemeinsamen zurückliegenden Jahre sind die Freidemokraten Wunschpartner der Union. Auch deshalb, weil es mit SPD oder Grünen für die Union viel schlimmer käme.

    Aber könnte die Union durchsetzen, womit sie in dieser Wahlperiode bereits an der FDP gescheitert ist? Das größte Projekt ist die Verbesserung der Rente von Müttern, die vor 1992 Kinder geboren haben und im Gegensatz zu späteren Jahrgängen nur einen Rentenpunkt pro Kind und nicht drei Punkte bekommen. Ab 2014 sollen sie zwei Punkte erhalten, sagt die Union.

    Zu teuer, sagt die FDP. Sie will sich im Wahlkampf als Hüterin über den Haushalt präsentieren. Merkel kontert, die Mütterrente koste den Bundeshaushalt gar nichts, weil die Erhöhungen aus der Rentenversicherung und dem Bundeszuschuss beglichen würden, wo es ausreichend Spielraum gebe.

    So entfällt für die Mütterrente der Finanzierungsvorbehalt, unter den die Union alle Projekte gestellt hat. Dennoch will sich Merkel nicht hundertprozentig festlegen. "Wir greifen doch jetzt nicht irgendwelchen Koalitionsverhandlungen vor", sagt sie an diesem Sommerabend im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, in Berlin. Das Thema hat für sie Priorität - versprechen will sie aber nichts. Die höhere Mütterrente hat die CDU schon oft beschlossen. Bisher ist nichts daraus geworden.

    Union im Hoch - hauptsächlich wegen Merkel

    Bundestagswahl 2013: Das Programm der Union

    EUROPA: «Wir stehen für einen starken Euro und stabile Preise.» Eine Vergemeinschaftung von Staatsschulden lehnt die Union ab. Wirtschaftlich schwächelnde Euro-Länder werden zu weiteren Reformen und Anstrengungen aufgefordert. Die Beziehungen zu Frankreich und Polen werden als besonders eng herausgestellt. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei lehnt die Union weiterhin ab.

    FINANZEN: Die Union will die Neuverschuldung abbauen und durch Umschichtungen im Bundeshaushalt neue Spielräume schaffen. So seien Einsparungen und zugleich Investitionen kein Widerspruch.

    MINDESTLOHN: Wo es keine Tarifverträge gibt, sollen Arbeitgeber und Gewerkschaften gesetzlich verpflichtet werden, gemeinsam in einer Kommission einen tariflichen Mindestlohn zu finden - spezifisch nach Regionen und Branchen. «Eine Lohnfestsetzung durch die Politik lehnen wir ab.»

    STEUERN: Die Union schließt Steuererhöhungen aus und will Ungerechtigkeiten im System beseitigen (kalte Progression). «Wir wollen deshalb die Leistungsträger in der Mitte unserer Gesellschaft weiter entlasten.» Die Lohnzusatzkosten sollen stabil bleiben.

    INVESTITIONEN: Die Ausgaben für den Straßenbau sollen pro Jahr um etwa eine Milliarde Euro steigen. Insgesamt sollen bis 2017 rund 25 Milliarden Euro in die Bundesfernstraßen fließen.

    FAMILIE: Das Ehegattensplitting soll um ein Familiensplitting erweitert, Kinder-Freibeträge auf Erwachsenen-Niveau und Kindergeld und Kinderzuschlag angehoben werden.

    MIETEN: Die Länder können in Gebieten mit knappem Wohnungsangebot die Grenze für Mieterhöhungen innerhalb von drei Jahren von 20 auf 15 Prozent senken. Bei Neuvermietungen können Erhöhungen auf 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt werden. Diese Regel soll nicht für Erstvermietungen in Neubauten gelten.

    RENTE: Ab 2014 sollen Erziehungszeiten für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, mit einem zusätzlichen Rentenpunkt belohnt werden. Das entspricht bei zwei Kindern durchschnittlich 650 Euro mehr Rente im Jahr. Ferner sollen Armutsrenten verhindert werden. Jeder, der 40 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt und privat vorgesorgt hat, soll einen Zuschuss zur Rente auf 850 Euro erhalten. Für die 2,6 Millionen Selbstständigen soll eine Altersvorsorgepflicht eingeführt werden.

    FRAUENQUOTE: «Wir werden gesetzlich regeln, dass ab 2020 eine feste Quote von 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten von vollmitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen gilt.»

    ENERGIE: «Wir treiben den Ausbau der Stromnetze voran und entwickeln neue Speichertechnologien.» Die Akzeptanz der Bürger soll dadurch erhöht werden, dass sie Anteile erwerben können und dann sogenannte «Bürgerdividenden» bekommen.

    SICHERES DEUTSCHLAND: Die Union plant bessere steuerliche Anreize für Investitionen in die Sicherheit der eigenen vier Wände.

    DIGITALISIERUNG: Bis 2018 will die Union flächendeckend ein schnelles Internet verfügbar machen.

    Drei Monate vor der Bundestagswahl läuft es rund für die Union. Die guten Werte hat die Union nach parteiinterner Einschätzung hauptsächlich wegen Merkel, die in der Bevölkerung Anerkennung und Vertrauen genießt. Das liegt Umfragen zufolge zu einem großen Teil an ihrer Euro-Politik. Aber ihre Persönlichkeit dürfte ebenso eine Rolle spielen. Mag die Kanzlerin auch eine Politikerin ohne große Visionen sein und eine Politik der kleinen Schritte bevorzugen. Sie ist eine Staats- und Parteilenkerin ohne Skandale, die Menschen erkennen an ihr auch keinen Dünkel und keine Eitelkeit. Das ist selten in einem solchen Amt und gefällt vielen.

    Dass Merkel ohne rot zu werden Themen der SPD (und auch Linken) besetzt wie die Mietpreisbremse und den Mindestlohn, findet die Partei nicht schlimm. So spricht die Union in ihrem Wahlprogramm auch nicht einmal mehr schamhaft von Lohnuntergrenze, sondern greift gleich zum Begriff Mindestlohn. Bei den Mieten hat sich der Wirtschaftsflügel der Union mit dem Passus durchgesetzt, dass die Preisbremse nicht bei Erstvermietungen angezogen wird. Hier haben Investoren also weiter Luft nach oben.

    Keine Lust mehr auf das Image des schwarzen Sheriffs?

    Auffällig ist in dem Programm, dass die Union eines ihrer traditionell ersten Themen, die Sicherheit, weiter hinten in dem Papier erwähnt. Und dann geht es erst einmal um Videoüberwachung auf Bahnhöfen und steuerliche Anreize zur besseren Diebstahlsicherung in Eigenheimen. Das Bild des schwarzen Sheriffs will die Union ablegen.

    Selbst Vorstandsmitglieder glauben aber, dass die Wähler kein Partei- und Wahlprogramm lesen. Hängenbleiben soll möglichst nur: CDU und CSU tun etwas für die Familien, den Mittelstand und den Straßenbau. Sie werden - anders als SPD und Grüne - keine Steuern erhöhen und sichern in der Eurokrise deutsches Geld. Eben ein "Programm mit Maß und Mitte", wie Merkel sagt. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nennt das "ein Märchenbuch". dpa

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