Die Bischofssynode in Rom steckt in den letzten Zügen. Journalisten bekommen in diesen Tagen zahlreiche Einladungen zu Hintergrundgesprächen. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass es jetzt um die Deutungshoheit geht. War das im Vorfeld als entscheidende Etappe des Pontifikats von Franziskus beschriebene Treffen im Vatikan ein Erfolg oder nicht?
Bewahrer setzen sich erst einmal durch
Die konservativ-traditionalistischen Bischöfe können zwar nicht die Sektkorken knallen lassen, denn der Reformer Franziskus ist weiterhin Papst und hat das letzte Wort. Aber sie können mit dem Verlauf der Versammlung zufrieden sein. Denn das Bemühen des Papstes, der katholischen Kirche auf Kosten der Doktrin ein weniger strenges, sondern menschenfreundlicheres Antlitz zu verpassen, ist vorerst gescheitert. Die am Sonntag zu Ende gehende Synode als Beratungsgremium sollte das Forum für diesen Wandel sein. Der Plan ging nicht auf. Die Bewahrer haben sich durchgesetzt.
Konsens unter den 270 Bischöfen außer Reichweite
Franziskus’ Ziel war es, einen Prozess anzustoßen, an dessen Ende die katholische Kirche in einem anderen Licht erscheint. Die Frohe Botschaft des Evangeliums sollte ganz im Vordergrund stehen und nicht mehr das Beharren auf Sünden und Verboten. Dazu ließ der Papst erstmals die Gläubigen vor Ort zu Themen wie Sexualmoral befragen. Die Kluft zwischen Wirklichkeit und Lehramt wurde offenbar. Der Synode zum Thema Ehe und Familie schaltete der Papst eine außerordentliche Versammlung zum selben Thema vor. Das Kalkül war, in mehreren Etappen den Fortschritt, das Zugehen auf die Wirklichkeit zu erzwingen.
Die von Franziskus und den Reformern erhofften Öffnungen auf der Synode blieben jedoch aus. Eine Wertschätzung nichtehelicher, auch homosexueller Partnerschaften hätte dazu gezählt. Beide Themen wurden nur am Rande diskutiert, weil ein Konsens in diesen Fragen unter den 270 Bischöfen aus aller Welt außer Reichweite lag. Auch die Frage der Zulassung zur Kommunion von katholisch getrauten Eheleuten, die nach einer Trennung erneut standesamtlich heiraten, wird von den Bischöfen weiterhin ganz unterschiedlich bewertet. Dass einige Diskussionsgruppen nun die Berufung einer Kommission zur Klärung dieser Frage oder gar ein ökumenisches Konzil vorschlagen, zeigt, dass die Kirche auf der Stelle tritt.
Dezentralisierung als schlagkräftige Instrument des Papstes
Weniger der offizielle Titel der Synode „Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ wäre ein passendes Motto für die Versammlung gewesen, sondern „Viel Lärm um Nichts“. Die katholische Kirche ist heute etwa so klug wie vor zwei Jahren.
Nun darf man aber den Papst nicht unterschätzen. Franziskus lässt sich auch durch Widerstände nicht beirren. Er hat betont, dass das Anstoßen von Prozessen wichtiger ist als deren rasche Verwirklichung. Diese Devise gilt auch für den Reformprozess. Außerdem verfügt der Papst über ein Instrument, das in der europäischen Finanz- und Zinspolitik gerne als „Big Bazooka“ bezeichnet wird, also als durchschlagende Waffe in der Hinterhand. Die Bazooka des Papstes heißt „Dezentralisierung“.
Entscheidung über kontroverse Fragen vor Ort
In einer kaum beachteten Ansprache zum 50. Jubiläum der Synode vor einer Woche kündigte der Papst an, künftig diesen Weg zu gehen. Das bedeutet, dass komplexe Einzelfragen, die auf der Welt regional sehr unterschiedlich beantwortet werden, vor Ort entschieden werden müssen. Etwa Umgang mit Homosexualität oder mit wiederverheirateten Geschiedenen. Für die Bewahrer kommt dieser Plan einer Katastrophe gleich, sie fürchten Auflösungserscheinungen. Für die reformorientierten Kräfte ist es der lang herbeigesehnte Ausweg aus einem Tunnel.