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Finanzpolitik: Vertreibung der Milliardäre aus dem Schweizer Steuerparadies?

Finanzpolitik

Vertreibung der Milliardäre aus dem Schweizer Steuerparadies?

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    Darfs ein bisschen mehr sein? Das Palace Hotel in Gstaad. Der Ort hat eine hohe Anziehungskraft auf Superreiche aus aller Welt. Das könnte sich demnächst ändern.
    Darfs ein bisschen mehr sein? Das Palace Hotel in Gstaad. Der Ort hat eine hohe Anziehungskraft auf Superreiche aus aller Welt. Das könnte sich demnächst ändern. Foto: imago

    Im Berner Oberland dröhnt es. Ein Privatjet taucht über den Bergen auf und steuert den Flugplatz in Saanen an. Nach der Landung klettert ein Mann mit silbernen Haaren aus dem Jet. Kurz darauf nimmt er in einer Limousine Platz. Der Mann heißt Bernie Ecclestone und ist Chef der Formel 1. „Ja, der Bernie, so reich müsste man sein“, sagt ein Anwohner mit einem Augenzwinkern. Der Milliardär residiert in einem Luxusanwesen in Gstaad, ganz in der Nähe. Ecclestone gehört zu den mehr als 5630 Ausländern, die in der Schweiz in den Genuss einer Sonderbehandlung des Fiskus kommen. Noch.

    Bald keine Vorteile mehr für Millionäre in der Schweiz?

    Denn nun droht der exklusiven Gruppe Ungemach. Am Sonntag entscheiden die Eidgenossen über die Volksinitiative „Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre“. Angetrieben wird die Initiative von linken Parteien und Gewerkschaftern. Sie wollen die „verfassungswidrige Bevorzugung“ für wohlhabende Ausländer streichen, betont der Präsident der Sozialdemokraten, Christian Levrat. „Künftig sollen in der Schweiz alle entsprechend ihrem Einkommen und Vermögen Steuern zahlen.“ Ohne Ausnahmen.

    Glaubt man den Umfragen, ist ein Sieg der Sozialdemokraten und ihrer Partner nicht auszuschließen. Fünf Kantone, darunter Zürich, machten in den vergangenen Jahren schon Ernst: Sie strichen die Pauschalsteuer für Nichtschweizer aus dem kantonalen Recht.

    Nur Ausländer können momentan von der Steuerregelung profitieren

    Worum es geht: Bei der sogenannten Aufwandbesteuerung fallen Steuern nicht aufgrund des Einkommens oder des Vermögens an, sondern pauschal aufgrund der Lebenshaltungskosten. Dazu gehören etwa die Miete (oder Eigenmietwert) der großzügigen Domizile, Ausgaben für Hauspersonal, Pferde und Yachten, Restaurant-Rechnungen, Reisen oder der Fuhrpark, samt Lohn für den Chauffeur. Profitieren können nur Ausländer, die in der Schweiz wohnen und dort keiner Erwerbstätigkeit nachgehen – so zum Beispiel einige griechische Groß-Reeder, die sich in dem Land ohne Meeranbindung niederließen. Die diskreten Behörden halten die Namen der Pauschalbesteuerten in der Regel geheim. Die Reichen zahlen, die Ämter schweigen.

    Neben der offensichtlichen Ungleichbehandlung von Schweizern und Nichtschweizern stoßen sich die Gegner der Pauschalbesteuerung auch an den Auswirkungen auf das Preisniveau – etwa bei den Immobilien. In Genf oder Zürich kostet ein Quadratmeter Wohnraum deutlich über 10000 Euro. Wer in der Hochburg der Superreichen, in Gstaad, ein Chalet erwerben will, muss deutlich mehr hinlegen: Ein Quadratmeter Wohneigentum in bevorzugter Lage kostet hier bis zu 40000 Euro. Für die Initiatoren des Volksentscheides ist klar, warum: „Pauschalbesteuerte bezahlen dank Steuerersparnis marktverzerrende Fantasiepreise“ für ihre Anwesen und Stadtappartements – und treiben damit auch für alle anderen die Preise nach oben.

    Ein Nährboden für Begünstigung und Willkür?

    Ebenso empören sich die Gegner über mögliche Kungelei. Da die Fremden mit den Behörden unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln, „bildet die Pauschalsteuer einen Nährboden für Begünstigung und Willkür“, schimpfen sie. „Schein-Einwohner“ und „Schein-Erwerbslose“ etwa würden sich die Vorteile erschleichen – oder die Behörden drückten in Zweifelsfällen beide Augen zu. „Pauschalbesteuerte managen von hier aus aktiv ihre Firmenkonglomerate, so etwa der milliardenschwere russische Oligarch Viktor Vekselberg“, sagen die Gegner der Pauschalbesteuerung.

    Die Befürworter der Pauschalbesteuerung haben unter diesen Umständen keinen leichten Stand. Die Regierung in Bern, die das System beibehalten will, muss sogar zugeben: Der Steuergerechtigkeit würde durch die bisherige Regelung „nicht vollständig Rechnung getragen“. Aber: Die Schweiz stehe in einem „intensiven internationalen Steuerwettbewerb“. Wer betuchte Ausländer anlocken wolle, müsse ihnen eben auch etwas bieten.

    Als die Schweizer die Pauschalbesteuerung einführten, war vom „internationalen Steuerwettbewerb“ allerdings noch keine Rede. Die Kantone wollten einige fremde Pensionäre überzeugen, sich bei ihnen niederzulassen. Schon 1862 führte der Kanton Waadtland erste Regeln zur Pauschalbesteuerung ein.

    Sägen die Schweizer an dem Ast, auf dem sie sitzen?

    Die ausgabenfreudigen Pauschalbesteuerten entwickelten sich über die Jahrzehnte zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor, laut dem Verein „Mehrwert Schweiz“ geben sie pro Kopf und Jahr rund 250000 Euro aus. Der Abgeordnete Martin Schmid von der Freisinnig-Demokratischen Partei formuliert es so: „Die Pauschalbesteuerung abzuschaffen, bedeutet, den Ast abzusägen, auf dem wir sitzen.“ Er betont: Sobald die Schweizer den Fremden die Privilegien entziehen, würden sie die Schweiz verlassen.

    Helvetien ohne seine ausländischen Pauschalbesteuerten? Viele Linke lassen sich von diesem Szenario nicht abschrecken. Silva Semadeni, eine sozialdemokratische Abgeordnete im Nationalrat stellt klar: Alle, die in der Schweiz leben, müssten „den Steuerbetrag entrichten, den sie unserem Staat auch schulden“.

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