Der Winter wird heiß - zumindest im Internet. Es bahnt sich ein scharfer Konflikt zwischen dem Internetriesen Google auf der einen Seite und deutschen Politikern und Verlegern auf der anderen Seite an. Es geht um das so genannte Leistungsschutzrecht für Presseverlage - also einfach gesagt um`s Geld. Suchmaschinen wie Google oder Bing sollen künftig zahlen, wenn sie Inhalte der Verlage ausführlicher darstellen als in Form eines knappen Links.
Dagegen wehrt sich der Internetriese Google mit einer massiven Kampagne - und stößt damit auf ebenso massive Kritik. Als "dreist und durchsichtig" verurteilt Bundestagspräsident Norbert Lammert die Kampagne. Springer-Chef Döpfner skandierte: "In Wirklichkeit will Google nur erzkapitalistische Interessen durchsetzen und sein Geschäftsmodell optimieren."
Spannendes Thema also - aber zugegeben: Auch ziemlich kompliziert. Worum es bei dem umstrittenen Leistungsschutzrecht geht und wer was sagt, haben wir deshalb für Sie zusammen gefasst - in zwölf Punkten.
Was ist das Leistungsschutzrecht (LSR)?
Das geplante Gesetz will sicherstellen, "dass Presseverlage im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sind als andere Werkvermittler", so heißt es im Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Gemeint sind damit die Anbieter von Suchmaschinen, die viel Geld mit Online-Werbung verdienen. Hintergrund: Die meisten Presseverlage befinden sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation und suchen noch nach einem idealen Geschäftsmodell für das Internet. Um deren Presseerzeugnisse im Internet zu schützen, will die Regierungskoalition das LSR für Presseverlage einführen. Damit soll den Presseverlagen das ausschließliche Recht eingeräumt werden, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Wie soll das funktionieren?
Das Leistungsschutzrecht soll Teil des Urheberrechts werden. Die Verlage können dann von den Suchmaschinen "die Unterlassung unerlaubter Nutzungen verlangen" - oder die Suchmaschinen müssen für die Nutzung Lizenzen erwerben.
Verdient Google denn mit den Verlagsinhalten Geld?
Das automatisch erstellte Angebot Google News für aktuelle Nachrichten ist werbefrei. Google verdient hier also kein Geld. Verlagsinhalte erscheinen aber auch in den Trefferlisten der allgemeinen Google-Suche, die Werbeeinträge anzeigen, passend zu den Suchbegriffen.
Sind Verlage darauf angewiesen, dass ihre Inhalte von Suchmaschinen gefunden werden?
Ja. Sie bekommen dadurch zusätzliche Leser und mehr "Traffic": Die Anzahl der Klicks erhöht den Wert ihrer Webseiten für die werbetreibende Wirtschaft. Der Gesetzentwurf erlaubt "die reine Verlinkung und Nutzungen im Rahmen der Zitierfreiheit". Das Urheberrecht greift erst, wenn der Inhalt in mehreren Zeilen als Ausschnitt ("Snippet") dargestellt wird.
Wie steht es aktuell um das geplante Gesetz und was passiert im Bundestag?
Adden, posten, Shitstorm: Was hinter Internet-Ausdrücken steckt
Adden, posten, Shitstorm: Das Internet hat seine eigene Sprache. Viele dieser Fachbegriffe und Ausdrücke haben längst Einzug in den normalen Sprachgebrauch gerade jüngerer Leute gefunden. Hier einige der wichtigsten Begriffe und ihre Erklärungen:
Adden: Schließt jemand bei Facebook eine neue Freundschaft mit einem anderen Mitglied, dann spricht man gemäß der englischen Wortbedeutung von „adden“ (hinzufügen). „Ich habe Michael geaddet“ heißt: „Ich habe Michael zu meiner Kontaktliste hinzugefügt“.
Posten: Von „Posten“ ist die Rede, wenn jemand eine neue Nachricht, ein Video oder eine andere Information in einem Forum, einem Chat, oder n einem sozialen Netzwerk wie Facebook oder Twitter veröffentlicht.
Liken: Der von Facebook eingeführte Knopf „Gefällt mir“ (englisch: like) gilt als kleine Revolution im Internet. Der Facebook-Knopf findet sich beim sozialen Netzwerk selbst, inzwischen aber auch auf vielen anderen Internetseiten. Wird er angeklickt, erscheint bei Facebook die Information, dass dem Nutzer der entsprechende Inhalt gefällt. „Ich habe den FC Augsburg geliked“ bedeutet, dass ich auf der Seite des FC Augsburg den „Gefällt mir“-Button angeklickt habe.
Share: Informationen können geteilt werden (englisch: share). In diesem Fall verbreitet der Nutzer eine Nachricht oder ein Video eines anderen Facebook-Mitglieds und übernimmt es auf seine Pinnwand.
Shitstorm: So wie Meinungen, Bilder und Kommentare im Internet rasend schnell verbreitet werden können, so schnell und gewaltig bilden sich auch Wellen der Empörung im Netz. Geht eine solche Welle von Beschimpfungen und Beleidigungen über einen nieder, spricht man von einem "Shitstorm" - unschön übersetzt mit Sturm aus Scheiße. Das Wort wurde von Sprachforschern zum Anglizismus 2011 gewählt.
Fail: Möchte man im Internet sein Missfallen über einen Sachverhalt ausdrücken, kennzeichnet man ihn gerne mit dem Wort "fail" (englisch: Versagen). Vor allem im Kurznachrichtendienst Twitter wird das Wort "Fail" verwendet, dann in Verbindung mit dem Rautezeichen als Kennzeichnung. Beispiel: "Die TV-Sendung gestern war furchtbar #fail".
lol: Die Abkürzung steht für Laughing out loud (englisch: laut herauslachen) und kennzeichnet einen amüsanten Sachverhalt. Lol wird gerne in Foren und Chats, aber auch bei Facebook und Twitter verwendet um zu zeigen, dass man sich über Etwas amüsiert.
Googeln: Das Kunstwort leitet sich vom Namen der weltgrößten Internet-Suchmaschine Google ab. Es heißt übersetzt nichts anderes als "im Internet suchen". Beispiel: "Ich google mal das Wort Y".
Twittern: Über den Kurznachrichtendienst Twitter lassen sich Meldungen von bis zu 140 Zeichen Länge verschicken, über das Internet oder das Handy. "Twittern" (englisch: zwitschern) nennt man die Benutzung dieses Dienstes.
Mailen: "Ich mail' dir mal eben ein Foto." Das bedeutet nichts anders, als jemandem per eMail ein Bild zu schicken. Mailen heißt also verschicken.
Bloggen: Blogs sind so etwas wie Internet-Tagebücher, in denen man Texte, Bilder, Videos und andere Inhalte veröffentlichen kann. Bloggen heißt, ein solches Online-Tagebuch zu führen.
Surfen: Natürlich, surfen kann man auf einer Welle oder einem windigen Gewässer. Neudeutsch steht surfen aber schlicht für die Benutzung des Internets. Beispiel: "Ich surfe mal auf deine Seite" heißt, dass man den Internetauftritt eines anderen besucht.
Social Media oder deutsch Soziale Medien: Darunter versteht man Online-Netzwerke, in denen sich die Nutzer interaktiv verhalten (können). Ein Beispiel ist Facebook, in dem rund 850 Millionen Menschen Statusmeldungen, Bilder und Videos verbreiten - und diese dann gegenseitig kommentieren, für gut befinden, teilen und weiterverbreiten.
Begleitet von heftigen Reaktionen im Netz hat der Bundestag am 30. November die erste Lesung des LSR absolviert. Der Entwurf wurde zur weiteren Beratung den Fachausschüssen übergeben. Als Nächstes wird der Gesetzentwurf - möglicherweise mit Änderungsvorschlägen - erneut dem Bundestag vorgelegt. Ob das Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet wird, ist unsicher. Ende Januar wird eine Anhörung im Rechtsausschuss erwartet.
Wie argumentieren die Verlage?
Die Verlegerverbände sind sich einig: Google soll zahlen. Es gehe nicht an, dass einerseits Suchmaschinenbetreiber Milliardenerlöse mit Online-Werbung bei der Internetsuche erzielten und sich andererseits weigerten, für die kommerzielle Nutzung von Inhalten der Presseverlage aufzukommen, sagt beispielsweise Martin Wieske, Geschäftsführer des Verbands deutscher Lokalzeitunge (VDL). Den deutschen Verlagen dürfe die Grundlage für Erlöse im Internet nicht entzogen werden, betont er. Hinter der Offensive steht auch die Axel Springer AG, in der die Bild erscheint.
Wie argumentiert Google ?
Google führt mehrere Argumente an: Das Leistungsschutzrecht sei ein Rückschlag für innovative Medien und Urheber, es entstehe ein Schaden für die Wirtschaft und die Informationsvielfalt sei in Gefahr. Außerdem führe das LSR zu einer paradoxen Marktwirtschaft. Auf seiner Homepage erlärt der Konzern: "Klicks sind die Währung des Internets. Google leitet davon pro Monat weltweit vier Milliarden auf Verlagsseiten, das sind pro Minute (!) 100.000 Klicks. Wenn Verlage nicht in der Google Suche oder in Google News angezeigt werden wollen, können sie sich mit einem kurzen Textcode einfach abmelden. Dafür ist kein “Leistungsschutzrecht” erforderlich."
Wer ist noch Gegner des Leistungsschutz-Gesetzes?
Die Opposition verurteilte das Vorhaben als rückwärtsgewandt und innovationsfeindlich. Lars Klingbeil (SPD) kritisierte es als Eingriff in die Informations- und Kommunikationsfreiheit. Sein Parteikollege Martin Dörmann sagte, damit würden "hilfreiche Suchmaschinenfunktionen faktisch eingeschränkt". Die Grünen-Politikerin Tabea Rößner kritisierte, dass dieser erhebliche Rechtsunsicherheit aufwerfe.
Auch führende Juristen haben die Gesetzesvorlage als ungerechtfertigt kritisiert. In der vom "Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht" in München veröffentlichten Stellungnahme wird vor "unabsehbaren negativen Folgen" eines solchen Schutzrechts gewarnt. Die Verleger seien auf die Links der Suchmaschinen angewiesen, damit ihre Inhalte im Netz auch gefunden würden. Daher gehe es nur darum, Lizenzeinnahmen zu erzielen. Beide Seiten seien aufeinander angewiesen: "Ohne Inhalte würden die Suchmaschinen nichts finden - und ohne Suchmaschine würde in der unübersehbaren Informationsfülle des Internets nichts gefunden".
Der Journalist und Netzexperte Sascha Lobo spricht sich vehement gegen das LSR aus. Er schreibt auf seiner Homepage: "Die schwarz-gelbe Bundesregierung lässt sich von diesen Verlagen – allen voran dem Axel-Springer-Verlag – zur Einführung eines Leistungsschutzrecht drängen. Allerdings wird es nicht die Wirkung haben, die Verlage sich erhoffen, nämlich Geld von Google. Stattdessen gibt es jede Menge schädlicher Nebenwirkungen – und die betreffen fast alle."
Lobo unterstützte die Online-Petition gegen das LSR, die von Bruno Kramm, dem politischer Geschäftsführer der Piratenpartei in Bayern, initiiert wurde. Sie erreichte aber nicht einmal die Hälfte der erforderlichen 50.000 Unterschriften.
"Verteidige Dein Netz" - Was hat es mit der Google-Kampagne auf sich?
"Verteidige Dein Netz, finde weiterhin, was du suchst", mit diesem Motto startete der US-Internetkonzern zwei Tage vor der Gesetztesberatung im Bundestag eine große Kampagne gegen das LSR.. Neben das Eingabefeld seiner Suchmaschine stellte Google den Link "Verteidige Dein Netz". Wer darauf klickt, gelangt auf eine Seite, auf der der Konzern gegen das geplante Gesetz argumentiert. Die deutschen Google-Nutzer werden in einem Video aufgefordert, sich an ihren jeweiligen Bundestagsabgeordneten zu wenden und diesen zu einem Nein gegen das Gesetzesvorhaben zu bewegen.
Wie reagieren die Verlage und Zeitungshäuser auf die Google-Kampagne?
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) haben die Google-Kampagne als „üble Propaganda“ verurteilt. Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, hat den Ton gegenüber Google verschärft. Er sagt: "In Wirklichkeit will Google nur erzkapitalistische Interessen durchsetzen und sein Geschäftsmodell optimieren."
Wie reagieren Politiker auf die Google-Kampagne?
Bundestagspräsident Norbert Lammert zeigte sich am 6. Dezember sehr verärgert. "Die Initiative von Google ist ebenso dreist wie durchsichtig. Sie beruht offensichtlich auf dem doppelten Missverständnis, das Netz für eine Google-Domäne zu halten und beides zusammen für den virtuellen Gesetzgeber", sagte Lammert bei Spiegel Online. Besonders empört ist er über die Möglichkeit, auf der Google-Seite direkt eine Beschwerde an den jeweiligen Abgeordneten zu schicken. Auch BundesverbraucherministerinIlse Aigner (CSU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verurteilen die Kampagne.
Wie geht es weiter, wenn das Gesetz beschlossen wird?
Das ist eine schwierige Frage. Google zeigt sich unnachgiebig und auch in anderen Ländern tobt der Streit. In Frankreich soll eine Suchmaschinensteuer verabschiedet werden. Google hat daraufhin angekündigt, Inhalte selbst aus dem Index zu nehmen. Auch in Brasilien sind die Fronten zwischen dem Verband der Zeitungsverleger und dem Internetkonzern verhärtet. In Belgien kam es zu einer gerichtlichen Konfrontation zwischen einer Verwertungsgesellschaft und Google - und schließlich zu einem Urteil, das den Klägern Recht gab. Google ließ sofort seine Muskeln spielen: Die belgischen Zeitungen wurden kurzerhand aus dem Suchmaschinenindex gebannt. Und dann? Es dauerte nicht lange, und die Suchmaschine lieferte wieder alle Direkt-Links. Es ist zu vermuten, dass sich die Verlage kleinlaut mit dem Internetriesen geeinigt haben.

(mit dpa)