Die Spannungen zwischen der Schweiz und der EU verschärfen sich. Am Wochenende hatte Berns Außenministerin Simonetta Sommaruga ein Abkommen mit Kroatien auf Eis gelegt, das dem Land nach spätestens zehn Jahren die unbegrenzte Zuwanderung eingeräumt hätte.
Nur wenige Stunden später revanchierte sich die EU: Mit sofortiger Wirkung wurden die Verhandlungen über eine Beteiligung der Schweiz am Studentenaustauschprogramm „Erasmus+“ sowie am Forschungsschwerpunkt „Horizon 2020“ ausgesetzt. Sollte es dabei bleiben, entgehen den Eidgenossen EU-Gelder in Höhe von mehreren Milliarden Euro.
Die Reaktion der EU mag nach billiger Rache aussehen
Die Schweiz hatte als Standort mehrerer internationaler wissenschaftlicher Zentren gehofft, am „Horizon“-Programm teilnehmen zu können. „Der Schritt dahin ist einfach“, betonte ein Kommissionssprecher am Montag. „Sobald die Regierung das Protokoll mit Zagreb unterzeichnet, können wir auch wieder über die offenstehenden Vorhaben im Bereich Wissenschaft und Forschung reden.“
Die Reaktion der EU mag nach billiger Rache aussehen, tatsächlich aber bewegen sich die Schritte im strikten Rahmen dessen, was man im Vorfeld der Volksabstimmung den Eidgenossen angekündigt hatte: „Wer keine Zusammenarbeit will, wird auch keine bekommen“, hieß es gestern noch einmal aus der Kommission. „Wenn Bern Verträge aufkündigt, entzieht man die Grundlage für weitere Gespräche.“ Brüssel machte ernst und stoppte inzwischen auch Verhandlungen über ein Strom-Abkommen.
Barroso: „Wir werden nicht über den Grundsatz der Freizügigkeit verhandeln“
Die Linie ist deutlich: Mit der Ablehnung der Personenfreizügigkeit haben die Schweizer auch alle anderen, damit untrennbar verbundenen Vereinbarungen aufgekündigt („Guillotine-Effekt“). Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte schon seit November immer wieder, was er am vergangenen Donnerstag nur wiederholte: „Man sollte sich keine Illusionen machen: Wir werden nicht über den Grundsatz der Freizügigkeit verhandeln.“
Inzwischen haben nicht nur das Europäische Parlament, sondern auch nahezu alle Mitgliedstaaten Rückendeckung signalisiert. Deutlichstes Zeichen: Auch Gespräche über einen Mechanismus zur künftigen Streitbeilegung zwischen der EU und der Schweiz wird es nicht geben. Dazu braucht die EU-Kommission ein Mandat der Mitgliedstaaten, das diese jetzt nicht mehr erteilen wollen.
Kommt ein zweiter Volksentscheid?
Brüssel setzt offenbar auf gemäßigte Politiker in der Alpenrepublik wie den Chef der Sozialdemokraten, Christian Levrat. Der hat eine weitere Volksabstimmung ins Gespräch gebracht, bei der die Schweizer entscheiden sollen, ob sie einverstanden sind, wenn alle Verträge mit der EU gekündigt würden. Viele Wählerinnen und Wähler hätten von dieser Auswirkung nichts gewusst.