Am späten Freitagnachmittag rückte offenbar die Staatsanwaltschaft Hannover daheim bei Christian Wulff in Großburgwedel an. Wie mehrere Medien berichten, haben Beamte des Beamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen die Aktion im Einvernehmen mit Christian und Bettina Wulff durchgeführt. Bild-Zeitung und Spiegel Online berufen sich dabei auf Informationen aus Ermittlerkreisen. Laut dem Bericht wurden Computer und Festplatten im Hause Wulff in Großburgwedel sichergestellt.
Auch in Berlin gab es im Rahmen der Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundespräsidenten und seinem Freund Groenewold eine Razzia. Die Ermittlungsbehörden haben die Berliner Räume des Unternehmers und Wulff-Vertrauten David Groenewold durchsucht. Er war wegen der Affäre um Altbundespräsident Christian Wulff in die Schlagzeilen geratenen. Die Durchsuchung der Privat- und Geschäftsräume sei "einvernehmlich" mit der Staatsanwaltschaft Hannover vereinbart worden, erklärte Groenewolds Anwältin Julia Bezzenberger. Der Ehrensold für Wulff sorgt unterdessen weiter für Kritik.
Groenewolds Büro- und Privaträume wurden durchsucht
Weitere Angaben wolle Groenewold zu dem laufenden Verfahren mit Rücksicht auf die Arbeit der Ermittlungsbehörden derzeit nicht machen, erklärte Bezzenberger. Über die Durchsuchung in den Privat- und Geschäftsräumen Groenewolds hatte zunächst die Bild berichtet. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft wollte den Bericht am Freitag weder bestätigen noch dementieren.
Groenewold hatte Wulff Hotelaufenthalte bezahlt
Der Filmunternehmer Groenewold hatte bei mehreren Gelegenheiten Hotelaufenthalte des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff (CDU) bezahlt. Wulff will das Geld für zwei Ferienaufenthalte auf Sylt später aber bar beglichen haben. Das Ermittlungsverfahren gegen Wulff und Groenewold wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung steht nach Medienberichten im Zusammenhang mit der Tatsache, dass das Land Niedersachsen in der Vergangenheit Bürgschaften für Filmfonds von Groenewold übernommen hatte.
Die geplanten Projekte wurden aber nicht realisiert, und es entstand dem Land nach Angaben von Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) auch kein finanzieller Schaden. Mit ihrer Ankündigung, sie wolle Wulffs Immunität für Ermittlungen aufheben lassen, hat die Staatsanwaltschaft Mitte Februar den Rücktritt Wulffs ausgelöst.
Forderungen: Wulff soll auf Ehrensold verzichten
Wulff sah sich erneut mit Forderungen konfrontiert, auf den ihm zugestandenen Ehrensold von jährlich 199.000 Euro zu verzichten. Der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin sagte dem Deutschlandfunk, Wulff sei eben nicht aus politischen Gründen zurückgetreten, wie das Bundespräsidialamt entschieden habe. Ein Verzicht "wäre ein Signal der Einsicht und des Bedauerns", erklärte der saarländische SPD-Chef Heiko Maas.
Das Bundespräsidialamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, die rechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung des Ehrensoldes seien erfüllt, Wulff sei am 17. Februar "aus politischen Gründen" zurückgetreten. Laut Gesetz ist bei einem vorzeitigen Ausscheiden allein "aus politischen oder gesundheitlichen Gründen" die Zahlung eines Ehrensolds vorgesehen.
Bundespräsidialamt: Ehrensold kann nicht aberkannt werden
Chronologie der Affäre Wulff
25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.
18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.
12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.
13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.
14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.
15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.
19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.
20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.
22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.
2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.
4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.
19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.
16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.
17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.
18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.
29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.
9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.
9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.
9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.
12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.
14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.
9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.
19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.
27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)
Das Bundespräsidialamt sah keine Möglichkeiten, Wulffs Ehrensold im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung abzuerkennen oder zu beschränken. Das sehe das Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten nicht vor, teilte das Bundespräsidialamt dem Berliner "Tagesspiegel" mit.
Grüne und Linke stellten den Ehrensold für den Bundespräsidenten generell infrage. Es müsse unabhängig von Wulff diskutiert werden, "wie es mit dem Ehrensold künftig weitergehen soll", erklärte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Die derzeitigen Regelungen seien der Bevölkerung in Zeiten von Rente ab 67 und wachsender Altersarmut nicht zu vermitteln, erklärte Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch. afp/Z