Es gibt viel zu tun bis zur Konstituierung des neuen Bundestags, die am 24. Oktober stattfinden soll. Die Abgeordneten, die den Bundestag verlassen, müssen ihre Büros räumen und ihre Mitarbeiter entlassen. Und die neuen Mitglieder des Parlaments, die in dieser Woche erstmals Bundestagsluft schnupperten, sind im Gegenzug dabei, sich in den weitläufigen Gebäuden zurechtzufinden und sich auf die parlamentarische Arbeit vorzubereiten, Büros aufzubauen und Mitarbeiter zu suchen.
Eine logistische Herausforderung, die schon unter normalen Umständen alles andere als einfach ist. Doch in diesem Jahr ist alles noch viel komplizierter und aufwendiger. Denn der Bundestag ist so groß wie noch nie – mit 709 Abgeordneten zählt er 111 mehr als eigentlich vorgesehen. Schuld daran sind einerseits das komplizierte Wahlrecht und andererseits das Wahlergebnis.
Riesen-Bundestag: Auslöser sind kompliziertes Wahlrecht und Wahlergebnis
So stürzten zwar Union wie SPD massiv ab, gleichzeitig gewannen sie aber in ihren Hochburgen mehr Direktmandate, als ihnen nach dem schlechten Zweitstimmenergebnis eigentlich zustehen. So kamen CDU/CSU auf 43 Überhangmandate, davon allein elf in Baden-Württemberg und sieben in Bayern. Die SPD bekam drei Überhangmandate in Hamburg und Bremen. Um diese Zusatzmandate auszugleichen, sind 65 weitere Mandate nötig, damit die Zusammensetzung des Bundestags am Ende dem exakten Zweitstimmenergebnis entspricht: 19 für die SPD, 15 für die FDP, elf für die AfD und je zehn für Linke und Grüne, macht unterm Strich 709. Deutschland hat damit das größte Parlament unter den westlichen Demokratien, selbst das Repräsentantenhaus der USA ist kleiner. Größer ist nur der Volkskongress in China (2987).
Teuerster Bundestag der Geschichte
Die schiere Größe schafft Probleme. Da sind zunächst einmal die Kosten: Der größte Bundestag der Geschichte wird auch der bislang teuerste. Jeder Abgeordnete erhält monatliche Diäten von 9542 Euro sowie eine Kostenpauschale von 4318 Euro für seine laufenden Ausgaben, macht 118 Millionen Euro pro Jahr für alle 709 Parlamentarier. Hinzu kommen die Personalkosten für Büroleiter, Referenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Assistenten, zudem für die Mitarbeiter der Fraktionen, für die Beschäftigten der Bundestagsverwaltung vom wissenschaftlichen Dienst über die Archivare und Bibliothekare bis zu den Hausmeistern. Bislang waren rund 4500 Mitarbeiter in Voll- oder Teilzeit bei den Abgeordneten angestellt, diese Zahl dürfte durch die Rekordzahl an Abgeordneten auf über 5000 ansteigen. Allein die 93 neuen AfD-Abgeordneten werden um die 500 Mitarbeiter einstellen.
Der Bund der Steuerzahler beziffert die Gesamtausgaben für den neuen Bundestag auf rund 517 Millionen Euro pro Jahr, wären es wie bisher 630 Abgeordnete, wären es rund 54 Millionen Euro weniger, bei der gesetzlichen Sollstärke von 598 Sitzen sogar 75 Millionen Euro weniger. Zudem sind die Folgekosten durch die Ansprüche auf die Altersvorsorge noch gar nicht mitgerechnet. Pro Jahr Mitgliedschaft im Bundestag erwirbt jeder Abgeordnete einen Pensionsanspruch von 239 Euro pro Monat ab dem 67. Lebensjahr. Das macht schon nach einer Legislaturperiode 956 Euro pro Monat.
Die Aufblähung des Bundestags schafft auch Kapazitätsprobleme: Mehr Abgeordnete brauchen deutlich mehr Räume. Am geringsten sind die Probleme im Plenarsaal: Er ist groß genug, um die zusätzlichen Stühle aufzustellen. Bei der Wahl des Bundespräsidenten im Februar saßen sogar 1260 Frauen und Männer im Plenarsaal. Für Streit sorgt allerdings die Frage, wo die AfD sitzt und wo die anderen Fraktionen Platz nehmen. Nach dem politischen Rechts-Links-Schema müsste die AfD eigentlich ganz rechts (vom Bundestagspräsidenten gesehen) sitzen. Das war aber in der Vergangenheit der traditionelle Platz der FDP, zudem wäre die AfD damit ganz nahe an der Regierungsbank.
Noch komplizierter ist die Frage - wo tagen die Fraktionen?
In der dritten Ebene des Reichstagsgebäudes gibt es in den vier Ecktürmen vier Fraktionssäle, die bislang CDU/CSU, SPD, Linke und Grüne beherbergten. Durch den Einzug von FDP und AfD gibt es künftig aber sechs Fraktionen. Als drittstärkste Kraft erhebt die AfD Anspruch auf einen Sitzungssaal in einem Turm, entweder die Grünen oder die Linke müssten weichen. Offen ist auch, wo die „Neulinge“ von FDP und AfD ihre Abgeordnetenbüros erhalten.
Im Gespräch ist der frühere Sitz des Innenministeriums in Moabit. Damit wären allerdings die Parlamentarier fast einen Kilometer vom Reichstagsgebäude und den Sitzungssälen der Ausschüsse entfernt.
Ein aufgeblähter Bundestag – ist das der Preis der Demokratie?
Der Bundestag wächst - und wird teuer