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Bundespräsident in Italien: Seitenhieb gegen Wulff: "Deutschland wird immer italienischer"

Bundespräsident in Italien

Seitenhieb gegen Wulff: "Deutschland wird immer italienischer"

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    Christian Wulff auf Staatsbesuch in Italien.
    Christian Wulff auf Staatsbesuch in Italien.

    Die Männer stehen stramm, ihre polierten Helme funkeln im Sonnenschein: Alles wirkt ehrenvoll im Quirinalpalast in Rom, auch Bundespräsident Christian Wulff, als er am Montag dort zum Staatsbesuch ankam. Das Protokoll hat den Ablauf minutiös geplant - doch der vielleicht wichtigste Punkt ist nicht im Programm verzeichnet: Wulff will nachweisen, dass er sein Amt trotz der Vorwürfe daheim noch effektiv führen kann. Er demonstriert Normalität - komme, was wolle.

    Angst vor Mittellosigkeit?

    Bundespräsident Christian Wulff interessieren in Rom die Wirtschaftsbeziehungen, die Schuldenkrise, die europäische Solidarität. Doch die Affäre um seine Kontakte zu Unternehmern verfolgt Wulff bis nach Italien. Ob er sein Amt nur "aus Angst vor Mittellosigkeit" nicht aufgebe, will ein Journalist wissen, als Wulff am Morgen die mitreisenden Journalisten in seinem Flugzeug begrüßt. "Wenn es einer rauskriegt, dann Sie", entgegnet der Präsident sarkastisch. Wulffs letzte  persönliche Einlassung zu dem Thema liegt Wochen zurück. Zu den Vorwürfen, dass macht er nun klar, will er sich auch in Italien nicht äußern.

    Deutschland wird immer italienischer

    Von der Affäre um Christian Wulff hat die Öffentlichkeit in Italien, wo die Erleichterung über den Abtritt des skandalumwehten Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi weithin spürbar ist, ohnehin kaum Notiz genommen. Ja, er habe davon gehört, sagt der italienische TV-Journalist Jordan Foresi nach der Pressekonferenz von Wulff und Italiens greisem Präsidenten Giorgio Napolitano. "Deutschland wird immer italienischer, Italien wird immer deutscher, das ist doch nicht schlecht", sagt Foresi mit einem Seitenhieb auf Italiens neuen Sparkurs. Überhaupt seien die Italiener mit Berlusconi Schlimmeres gewohnt.

    Wulff stellt sich ausdrücklich hinter den Reformkurs des neuen Ministerpräsidenten Mario Monti. Er wünsche sich, dass Italien "nicht auf halbem Weg stehen bleibt, sondern diesen Weg weitergeht", sagt er. Wenn Italien seine Probleme angehe, werde Deutschland weiter helfen: "An der Solidarität Deutschlands soll niemand zweifeln."

    Italiens Präsident Napolitano zollt Wulff Respekt

    Chronologie der Affäre Wulff

    25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.

    18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.

    12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.

    13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.

    14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.

    15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.

    19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.

    20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.

    22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.

    2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.

    4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.

    19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.

    16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.

    17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.

    18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.

    29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.

    9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.

    9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.

    9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.

    12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.

    14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.

    9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.

    19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.

    27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)

    Christian Wulff geht dabei auch auf das wachsende Unbehagen in Italien mit einer deutschen Politik ein, die als kaltes Spardiktat empfunden wird. Es gehe nicht darum, "nur zu sparen und eine Rezessionsgefahr heraufzubeschwören", beschwichtigt er. Italiens Präsident Napolitano zollt Wulff Respekt. Mit Genugtuung lässt er durchblicken, dass es bei dem Treffen keine Belehrungen von deutscher Seite zum Reformkurs gegeben habe.

    Napolitano enthält sich jeder öffentlichen Äußerung zu Wulffs Affären in Deutschland, dabei hätte er gerade in Fragen der politischen Moral einiges zu sagen: Der 86-jährige Ex-Kommunist gilt als moralische Instanz, mit der Kraft seiner persönlichen Integrität führte er Italien im vergangenen Jahr durch die turbulente Zeit vor Berlusconis Rücktritt. Lässt sich Napolitano also als Kontrast zu Wulff sehen? "Unser Präsident ist so rein wie  Schnee", sagt TV-Journalist Foresi - und fügt hinzu: "Es ist fast ein bisschen langweilig."

    Zahlreiche Absagen in Deutschland

    In Deutschland sind die Sensibilitäten stärker ausgeprägt. Am Vorabend der Italien-Reise soll es zahlreiche Absagen für Wulffs Empfang anlässlich des Berlinale-Filmfests gegeben haben. Und bei der Reise nach Rom fällt die Abwesenheit von DGB-Chef Michael Sommer auf, der zur Mitreise eingeladen war. Statt des Gewerkschaftschefs reiste dessen Stellvertreterin Ingrid Sehrbrock mit. afp/AZ

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