Deutschlands Viertklässler haben sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre im Schnitt in Mathematik, beim Zuhören und in Rechtschreibung verschlechtert. Die Lesekompetenz ist dagegen im vergangenen Jahr auf ähnlichem Niveau geblieben wie 2011.
Das geht aus der Studie IQB-Bildungstrends hervor, die die Kultusministerkonferenz (KMK) in Berlin veröffentlichte. Untersucht wurde, inwieweit Viertklässler Bildungsstandards der KMK in den Fächern Deutsch und Mathematik erreichen.
Anzahl der Schüler mit Migrationshintergrund stellt Länder vor Herausforderungen
"Die Ergebnisse sind ernüchternd", sagte KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann (CDU). "Die Ergebnisse der Studie zeigen einen bundesweiten Handlungsbedarf bei der Förderung in den Kernfächern Deutsch und Mathematik."
Verändert hat sich seit der Vorgängererhebung 2011 auch die Zusammensetzung der Schülerschaft. Die heterogene Schülerschaft stelle die Länder vor große Herausforderungen, so Eisenmann. Der Anteil der Viertklässler mit Migrationshintergrund hat sich um mehr als ein Drittel auf 34 Prozent erhöht. Zudem besuchen auch mehr Kinder mit Behinderung eine allgemeine Schule. Eisenmann nannte es "erfreulich", dass angesichts dessen die Ergebnisse beim Lesen stabil geblieben sind.
Die Studienautorin Petra Stanat erläuterte, der gestiegene Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund sei vor allem auf im Land geborene Kinder zurückzuführen. "Wir haben die Schüler, die 2015 mit Fluchterfahrung ins System gekommen sind, überwiegend noch nicht drin." Erst nach einem Jahr würden Schüler in die Tests einbezogen. Sie erwarte aber dadurch keine starken Änderungen, denn bezogen auf eine Jahrgangsstufe seien es nicht so viele.
Stanat betonte, der gestiegene Anteil an Zuwandererkindern sei nicht gleichbedeutend mit schlechteren Leistungen. Die Trends gingen bei deutsch- und migrationsstämmigen Kindern in eine ähnliche Richtung. Bei Zuwandererkindern sei oft auch die soziale Schlechterstellung der Hauptgrund für mögliche Probleme. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) sagte unter Berufung auf Untersuchungen in Hamburg zudem, dass viele migrantenstämmige Kinder nicht dazu führten, dass Mitschüler ohne Migrationshintergrund anders oder schlechter landeten.
Verband Bildung und Erziehung fordert wirksame Schritte gegen Lehrermangel
Nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Bildung (GEW) sind an den Grundschulen in Deutschland dringend mehr Lehrer nötig. "Die Grundschulen müssen endlich die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen als "Schule für alle Kinder" zusteht", sagte GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann mit Blick auf die Ergebnisse der Studie.
Die Länder hätten die Grundschulen sträflich vernachlässigt, kritisiert die GEW. "Wir brauchen nicht mehr Tests, sondern eine bessere personelle Ausstattung, kleinere Lerngruppen, mehr Angebote qualitativ hochwertiger schulinterner Fortbildung sowie eine Steigerung der Attraktivität des Berufs. Und: Die Grundschullehrkräfte müssen endlich genauso bezahlt werden wie die vollausgebildeten Lehrkräfte an den anderen Schularten", so die Gewerkschafterin.
"Wir brauchen konkrete Maßnahmen, wie der Lehrermangel behoben werden kann", forderte der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann. Wenn es nicht gelingt, schnellstmöglich wieder auf originär ausgebildete Lehrkräfte in den Schulen zugreifen zu können, werde sich der festgestellte Negativtrend weiter verstärken.
Bildungstrend zeigt große Unterschiede bei den Ländern
Zwischen den Ländern gibt es große Unterschiede. Beispiel Zuhören: Seit 2011 hat sich der Anteil von Kindern, die Regelstandards mindestens erreichen, in fünf Ländern deutlich verkleinert: In Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Bei Mathe gab es hier in sechs Ländern Negativtrends: Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt.
Beim Lesen erreichte 2016 jeder achte Viertklässler in Deutschland nicht den Mindeststandard (12,5 Prozent). Besonders viele sind es in Bremen (25,5) und Berlin (20 Prozent). Über Bundesschnitt liegen Sachsen (7,2), Bayern (7,9), Schleswig-Holstein (8,8).
Beim Zuhören verfehlten bundesweit 10,8 Prozent den Mindeststandard, aber 20,8 Prozent in Bremen und 15,6 Prozent in Berlin. Bayern (6,5) und Schleswig-Holstein (8,3 Prozent) lagen über dem Bundeswert. Bei der Rechtschreibung lagen 22,1 Prozent der Viertklässler deutschlandweit unter Mindeststandard. Hier bildeten Bremen, Berlin, Niedersachsen und Hamburg Ausreißer nach unten, Bayern und das Saarland lagen deutlich über Bundesschnitt.
In Mathematik landeten in ganz Deutschland 15,4 Prozent der Viertklässler unter dem Mindeststandard. Schlechter lagen Bremen (35,4), Berlin (27,6), Nordrhein-Westfalen (19,2) und Hamburg (21,2 Prozent). Besser ab schnitten Bayern (8,3), Sachsen (8,8), Sachsen-Anhalt (12,1) und Thüringen (12,6 Prozent).
IQB-Bildungstrend: Worauf basiert die Studie?
Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) führt die Schulleistungsstudie im Auftrag der Kultusministerkonferenz auf Grundlage einer repräsentativen Erhebung durch. Untersucht werden dabei die Kompetenzstände der Schüler der 4. Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik im Ländervergleich. Neben den sogenannten Kompetenztests werden über Schülerfragebogen Angaben zur Person und zum Unterricht erfragt. Zudem werden die Schulleitungen, ausgewählte Lehrkräfte und die Eltern der beteiligten Kinder schriftlich befragt.
Erstmalig wurde das Erreichen der Bildungsstandards für den Primarbereich im Jahr 2011 durch das IQB überprüft. An der aktuellen Studie hatten von Mitte Mai bis Mitte Juli 2016 29.259 Schülerinnen und Schüler der vierten Jahrgangsstufe aus 1500 Schulen in allen 16 Ländern teilgenommen. In jeder der nach einem Zufallsverfahren gezogenen Schulen wurde ebenfalls per Zufall eine Klasse bestimmt, die getestet wurde. AZ/dpa
Einen aktuellen Bericht zum Lehrermangel an Grundschulen lesen Sie hier.