Sachsens Verfassungsschutz war NSU schon länger auf der Spur: Die sächsischen Sicherheitsbehörden hätten eine im Mai 2000 durchgeführte Abhörmaßnahme gegen die Rechtsextremisten unter dem Namen "Terzett" erst im November 2010 förmlich abgeschlossen, berichtet die "Welt" am Samstag unter Berufung auf streng geheime Akten.
Zwickauer Terrorzelle: Verfassungsschutz war ihr schon länger auf der Spur
Die NSU-Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien demnach noch ein Jahr vor ihrer Enttarnung als gefährlich eingestuft worden. Der sächsische Verfassungsschutz vermutete den Angaben zufolge bereits im Überwachungsantrag Struktur und Ziel des NSU relativ klar: "Die Betroffenen stehen im Verdacht, Mitglieder einer Vereinigung zum Begehen von Straftaten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und schwerer rechtsextremistischer Straftaten zu sein und drei flüchtige Straftäter in der Illegalität zu unterstützen", habe es darin geheißen.
Maßnahme gegen Terror-Trio
Die Maßnahme habe sich unter anderem gegen das Neonazi-Trio sowie gegen die drei heute im NSU-Verfahren der Bundesanwaltschaft als Beschuldigte geführten Thomas S., Mandy S. und Jan W. gerichtet. Die Neonazi-Gruppe NSU soll für die Ermordung von neun Migranten und einer Polizistin verantwortlich sein.
Das Neonazi-Trio und seine mutmaßlichen Helfer
UWE MUNDLOS: Der Professorensohn gilt als intellektueller Kopf der Terrorzelle. Am 4. November tötete sich der 38-Jährige selbst in einem Wohnmobil.
UWE BÖHNHARDT: Der 34-Jährige soll ein Waffennarr gewesen sein, der schnell und gerne zuschlug. Auch er wurde am 4. November tot in dem ausgebrannten Wohnmobil gefunden, wohl von Mundlos erschossen.
BEATE ZSCHÄPE: Die 37-Jährige ist als Mittäterin wegen Mordes angeklagt. Sie stammt aus zerrütteten Verhältnissen. Aufgefallen ist die erstmal als 17-Jährige bei mehreren Ladendiebstählen. In einem Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla lernte sie Uwe Mundlos kennen. Mit Uwe Böhnhardt hatte sie später eine Beziehung. Nachdem sie am 4. November 2011 die konspirative Wohnung der Gruppe in die Luft gesprengt hatte, fuhr Zschäpe tagelang mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland, bevor sie sich der Polizei stellte.
RALF WOHLLEBEN: Der ehemalige NPD-Funktionär sitzt seit dem 29. November 2011 in Untersuchungshaft. Er soll dem Terrortrio 1998 beim Untertauchen finanziell geholfen, ihnen Geld und auch die spätere Tatwaffe zukommen lassen haben. Der 37-jährige Fachinformatiker ist inzwischen zwar nicht mehr NPD-Mitglied. Dass er noch als NPD-Funktionär die NSU unterstützt hat, gilt aber als wichtiges Argument für ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren.
HOLGER G.: Der am 14. Mai 1974 in Jena geborene G. war der erste mutmaßliche NSU-Helfer, den die Polizei festnahm. G. soll seit Ende der 90er Jahre Kontakt mit dem aus Thüringen stammenden Trio gehabt haben. Den Dreien soll er seinen Führerschein, eine Krankenversichertenkarte und noch im Jahr 2011 einen Reisepass überlassen haben. So soll er ihnen ermöglicht haben, weiterhin verborgen zu agieren und rechtsextreme Gewalttaten zu verüben.
CARSTEN S.: Der 32-Jährige soll zusammen mit Ralf Wohlleben die Tatwaffe zu den Morden beschafft haben. Nachdem S. umfassend ausgepackt hatte, ließ ihn die Bundesanwaltschaft im Mai nach viermonatiger Untersuchungshaft wieder frei. S. sagte sich nach Auffassung der Ermittler glaubhaft vom Rechtsextremismus los. Außerdem war er zur Tatzeit erst 19 Jahre alt, ihm könnte nach dem milderen Jugendstrafrecht der Prozess gemacht werden.
ANDRE E.: Dem aus Sachsen stammenden 33-Jährigen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zum Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Altstadt vor. E. soll eine enge Bindung zu dem Trio unterhalten haben. Im Jahr 2006 gab er Zschäpe als seine Ehefrau aus. Er soll den Wohnort der Drei verschleiert haben und ihnen seit dem Jahr 2009 Bahncards beschafft haben. Diese waren auf ihn und seine Frau ausgestellt, jedoch mit den Fotos von Zschäpe und Uwe Böhnhardt versehen.
NSU soll Sprengstoffanschläge verübt haben
Außerdem werden dem NSU-Trio zwei Sprengstoffanschläge mit insgesamt 23 Verletzten sowie eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt. Mundlos und Böhnhardt wurden im November 2011 nach einem gescheiterten Banküberfall tot in Eisenach gefunden. Zschäpe soll für die Tatserie des Trios angeklagt werden. (afp, AZ)