Wie die "Financial Times Deutschland" berichtete, diskutieren die Finanzminister bei ihrem Gipfel über einen sogenannten doppelten Rettungsschirm. Erwogen werde, den derzeitigen Fonds EFSF weiter laufen zu lassen, wenn Ende kommenden Jahres der permanente Fonds ESM eingerichtet wird. Damit gäbe es dann zwei Geldtöpfe, wenn finanzkranken Staaten geholfen werden muss. Allerdings hätten einige Länder noch Vorbehalte.
Der EFSF verfügt noch über 250 Milliarden Euro Feuerkraft. Der ESM soll 500 Milliarden Euro zur Rettung kriselnder Staaten bereitstellen können. Bisher war vorgesehen, dass die nicht genutzten EFSF-Mittel in den ESM übergehen. Bei der EU-Komission gab man sich am Mittwoch skeptisch, dass sich die Eurostaaten auf die parallelen Schirme einlassen könnten, denn dafür müssten sie zusätzliches Geld auf den Tisch legen. Und das hat vor allem Deutschland bislang strikt abgelehnt.
Die 17 Euro-Länder im Vergleich
Österreich: Laut Prognosen steigt die österreichische Staatsverschuldung 2011 auf 73,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, seit 2008 im Amt, steht in der Kritik. Allerdings nicht so sehr wegen der Schuldenkrise, sondern wegen Korruptions- und Untreuevorwürfen.
Spanien: Mit einer Gesamtverschuldung von voraussichtlich 68,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes scheitert auch Spanien an den Maastricht-Kriterien. Der sozialistische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero scheiterte an der Schuldenkrise. Er wird durch den konservativen Mariano Rajoy ersetzt.
Zypern: Mit einer Schuldenquote von 62,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes scheitert das kleine Land nur knapp an der Maastricht-Hürde von 60 Prozent. Dimitris Christofias ist seit 2008 Staatsoberhaupt und Regierungschef der Inselrepublik, die im Jahr 2004 Mitglied der Europäischen Union wurde.
Slowenien: Auf 42,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden sich die slowenischen Schulden 2011 voraussichtlich belaufen. Damit bleibt das Land im vom Maastricht-Vetrag vorgegebenen Rahmen. Bei den Wahlen im Dezember 2011 dürfte der sozialdemokratische Regierungschef Borut Pahor dennoch sein Amt verlieren.
Slowakei: Die Slowakei gehört mit prognostizierten 44,8 Prozent Verschuldungsquote auch 2011 zu den stabileren Euro-Staaten. Ministerpräsidentin Iveta Radicová kündigte im Oktober vorgezogene Neuwahlen an. Nur unter dieser Bedingung wollte die Opposition der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms zustimmen.
Portugal: Portugal ist mit geschätzten 101,7 Prozent Staatsverschuldung einer der Wackelkandidaten unter den Euro-Ländern. Pedro Passos Coelho ist seit Juni 2011 Premierminister. Er folgte auf José Sócrates, der im März nach einer gescheiterten Abstimmung über das Sparpaket seiner Regierung zurückgetreten war.
Niederlande: Die Verbindlichkeiten wachsen bis zum Ende dieses Jahres voraussichtlich auf 63,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Aus den vorgezogenen Neuwahlen Ende 2010 ging der Liberale Mark Rutte als Sieger hervor. Seine Regierung wird vom Rechtspopulisten Geert Wilders toleriert.
Malta: Der Inselstaat im Mittelmeer wird seine Schulden im laufenden Jahr nach bisherigen Prognosen bei 68 Prozent des Bruttoinlandsproduktes halten. Bereits seit mehr als sieben Jahren ist Lawrence Gonzi Regierungschef Maltas. Unter seiner Führung trat das Land im Mai 2004 der Europäischen Union bei.
Luxemburg: Mit einer Gesamtverschuldung von etwa 17,2 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2011 ist Luxemburg eines von nur fünf Ländern, die die Kriterien des Maastricht-Vertrages einhalten. Auch politisch ist das kleine Land ein Hort der Stabilität. Jean-Claude Juncker ist bereits seit 1995 Premierminister.
Italien: Seit Monaten wird über Rettungsgelder für Italien spekuliert. Die Staatsschulden steigen 2011 auf geschätzte 120,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach langem Tauziehen trat Ministerpräsident Silvio Berlusconi zurück. Nachfolger Mario Monti bildete eine Übergangsregierung.
Irland: Irland hatte als erstes Land Rettungsgelder in Anspruch genommen. Die Staatsschulden steigen in diesem Jahr auf schätzungsweise 112 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt). Regierungschef Brian Cowen stürzte über die Schuldenkrise. Seit März 2011 ist Enda Kenny irischer Ministerpräsident.
Griechenland: Mit einer dramatischen Schuldenquote von 157,7 Prozent der Wirtschaftsleistung bringt Griechenland die Euro-Zone in die größten Schwierigkeiten. Seit November 2011 ist Lucas Papademos Regierungschef. Er löste Giorgos Papandreou ab, der wegen seines harten Sparkurses massiv unter Druck geraten war.
Frankreich: Die französische Staatsverschuldung steigt weiter. In 2011 wird ein Wert von 84,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat in der Krise an Rückhalt verloren. Bei den Wahlen 2012 droht ihm der Machtverlust.
Finnland: Auf 50,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes schätzt die europäische Statistikbehörde Eurostat die finnische Staatsverschuldung in 2011. Der konservative Ex-Finanzminister Jyrki Katainen ist seit Juni 2011 Ministerpräsident. Er löste Mari Johanna Kiviniemi nach nur einem Jahr im Amt ab.
Estland: Estland ist der Musterschüler unter den Euro-Ländern. Die Staatsschulden fallen 2011 voraussichtlich auf 6,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der diplomierte Chemiker Andrus Ansip lenkt seit 2005 als Premierminister die Geschicke des nordeuropäischen Staates, der 2004 der EU beitrat.
Deutschland: Deutschland gilt als Stabilitätsgarant in Europa. Mit einer Schuldenquote von 82,4 Prozent der Wirtschaftsleistung verstößt aber auch die Bundesrepublik gegen die Stabilitätskriterien. Angela Merkel (CDU) ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Ihre Koalition hat seit der letzten Wahl deutlich an Zuspruch verloren.
Belgien: Mit prognostizierten 97 Prozent Staatsschulden in Relation zur Wirtschaftsleistung gehört Belgien zu den Sorgenkindern. Seit Juni 2010 gibt es in Brüssel keine gewählte Regierung – ein unrühmlicher Weltrekord. Die Hoffnungen, dass sich daran bald etwas ändert, erhielten im November 2011 einen empfindlichen Dämpfer.
Berlin ist beim EFSF mit Garantien von 211 Milliarden Euro beteiligt. Für den ESM muss die Bundesregierung 22 Milliarden Euro an Barkapital und 168 Milliarden Euro an Bürgschaften bereitstellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy hatten am Montag vereinbart, den ESM von 2013 auf kommendes Jahr vorzuziehen.
Die Sorge: Ein Schirm reicht möglicherweise nicht aus
Rettungsschirme, EFSF und ESM
Griechenland-Pleite, Rettungsschirme, Eurobonds, EFSF, ESM: Beim Thema Euro-Krisen schwirren etliche Fachbegriffe herum. Lesen Sie hier in Kurzform, was Sie zum Thema Rettungsschirme wissen müssen.
EFSF steht für Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility) und ist eine Aktiengesellschaft, die notleidenden Euro-Staaten helfen soll. Sollte ein EU-Land in Not geraten, kann die im Juni 2010 gegründete EFSF Anleihen bis zu 440 Milliarden Euro ausgeben. Dafür haften die Euro-Länder.
Kritik am EFSF: Im Vertrag von Maastricht wurde eine so genannte Nichtbeistands-Klausel (No-bailout-Klausel) vereinbart, die die Haftung der Union oder einzelner Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten untersagt. Auf Druck des Nicht-Eurolandes Großbritannien wurde durchgesetzt, dass bei Krediten für Staaten, die Mitglieder der Eurozone sind, nur die übrigen Eurostaaten haften.
Der EFSF soll bis Juni 2013 aktiv bleiben und dann abgelöst werden, nämlich vom ESM.
ESM steht für Europäischer Stabilitäts-Mechanismus und ist der permanente Euro-Rettungsschirm. Seine wichtigsten Instrumente sind Notkredite und Bürgschaften für überschuldete EU-Staaten. Jedes Land, das Hilfe aus dem ESM erhält, muss im Gegenzug bestimmte wirtschaftliche Konsequenzen ziehen.
Kritiker sagen, dass Rettungsschirme und Bürgschaften es Ländern erleichtern, Schulden zu machen. Wenn es wirklich eng wird, treten schließlich die anderen EU-Länder ein und helfen.
Eurobonds: Darunter versteht man eine EU-Staatsanleihe. Das bedeutet, die Länder der EU würden gemeinsam Schulden aufnehmen - und auch gemeinsam für sie haften. Hinter der Idee steht die Hoffnung, dass die Kreditwürdigkeit der Eurozone als Ganzes von den Finanzmärkten und den Ratingagenturen höher eingeschätzt wird als die seiner einzelnen Mitgliedstaaten.
Die Befürworter dagegen erklären, dass notleidenden EU-Staaten geholfen werden muss. sie warnen vor einem Domino-Effekt. Heißt: Wenn ein Land tatsächlich pleite geht, reißt es andere Länder mit sich.
Hinter der Debatte um einen Doppelschirm steht die Sorge, weder der EFSF noch der ESM alleine reichten für die Eindämmung der Schuldenkrise aus. "Unser übergeordnetes Ziel ist, wirklich überzeugende Brandmauern einzuziehen, um die Märkte zu beruhigen", sagte Kommissionssprecher Amadeu Altafaj Tardio am Mittwoch. Deswegen hätte Brüssel auch "nichts gegen zwei parallele Schirme". Die Notwendigkeit zu einer Erhöhung der Abwehrmauern ergibt sich auch, weil das Ziel vom Oktober, die Feuerkraft des EFSF durch einen Hebel auf mehr als eine Billion Euro zu erhöhen, nicht erreicht wird.
Mehr Geld für die Rettung von Krisenstaaten wie Italien oder Spanien soll auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen. Dazu zeigt sich unter den Notenbanken der Eurostaaten auch die Bereitschaft, ihrerseits den IWF zu stärken. Ob es dazu bereits auf dem Gipfel Zahlen geben wird, war am Mittwoch zunächst unklar. dapd