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Proteste in Istanbul: Claudia Roth unter Tränengas-Opfern: "Das ist wie im Krieg"

Proteste in Istanbul

Claudia Roth unter Tränengas-Opfern: "Das ist wie im Krieg"

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    Nach der gewaltsamen Räumung des Protestlagers im Gezi-Park durch die türkische Polizei sind in Istanbul in der Nacht zum Sonntag wütende Demonstrationen entbrannt. Zehntausende Menschen gingen in mehreren Stadtvierteln auf die Straßen, um ihrem Unmut Luft zu machen. Die

    Wer den Taksim-Platz betrete, werde als Terrorrist behandelt, zitierte die "Hürriyet Daily News" den für die Verhandlungen mit der EU zuständigen Minister Egemen Bagis. Bagis habe die Warnung in einem Fernsehinterview gemacht. In den vergangenen Tagen hatte Bagis mehrfach ausländische Einmischung und die Berichterstattung internationaler Medien scharf kritisiert.

    Die türkische Polizei hatte am Abend in einem präzise vorbereiteten Einsatz mehr als zehntausend Demonstranten unter Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas aus dem Zeltlager vertrieben. Dann rückte die Stadtverwaltung mit Baggern und Müllfahrzeugen an, um die Spuren des seit mehr als zwei Wochen andauernden Dauerprotestes zu entfernen. Augenzeugen berichteten, die Polizei sei mit mehreren Hundertschaften in das Lager vorgestoßen.

    Claudia Roth: "Das ist wie im Krieg"

    Mittendrin im Chaos: die Grünen-Parteivorsitzende und Augsburger Abgeordnete Claudia Roth. Auch sie bekam offenbar Tränengas ab. „Das fühlt sich an, als ob man vergiftet wird“, sagte Roth dem Nachrichtensender N24.

    Die Grünen-Chefin sprach mit den Protestierenden in dem seit zwei Wochen besetzten Gezi-Park, als der Polizeieinsatz begann. Die Stimmung in dem Protestlager sei zuvor friedlich gewesen, betonte sie. Andere Besucher des Zeltlagers berichteten, im Park hätten sich auch Kinder aufgehalten.

    Dann die Räumung. "Das ist wie im Krieg. Die jagen die Leute durch die Straßen und feuern gezielt mit Tränengas-Granaten auf die Menschen", sagte Roth am späten Samstagabend der Nachrichtenagentur dpa in Istanbul.

    Streit um Gezi-Park führte zu landesweiten Protesten

    Nur Stunden vor dem Polizeieinsatz im Gezi-Park und auf dem Taksim-Platz hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den Demonstranten ein Ultimatum gesetzt, bis Sonntag abzuziehen. "Ich sage es klar: Räumt den Taksim. Wenn er nicht geräumt ist, werden die Sicherheitskräfte dieses Landes wissen, wie er zu evakuieren ist", betonte der Regierungschef bei einer Rede vor zehntausenden Anhängern in einer Vorstadt von Ankara. Für Sonntag plant die Regierungspartei AKP eine Großdemonstration in Istanbul.

    Demonstrationen richten sich gegen Erdogan

    Die Türkei wird seit zwei Wochen von einer beispiellosen Protestwelle erschüttert. Auslöser waren Pläne für eine Bebauung des Parks, die Demonstrationen weiteten sie sich aber rasch auf andere Städte aus. Inzwischen richten sie sich allgemein gegen Erdogan.

    Die Demonstranten werfen dem Regierungschef einen autoritären Regierungsstil und die Missachtung abweichender Meinungen vor. Die vorwiegend jungen und säkular gesinnten Protestteilnehmer verdächtigen ihn zudem, eine schleichende Islamisierung der Gesellschaft zu befördern.

    Treffen zwischen  Protest-Bündnis und Erdogan

    Die Besetzer des Gezi-Parks und des Taksim-Platzes hatten am Samstag trotz einiger Zugeständnisse der Regierung eine Fortsetzung ihrer Proteste angekündigt. Vertreter des Protest-Bündnisses hatten sich am Donnerstagabend mit Erdogan in dessen Residenz in der Hauptstadt Ankara getroffen.

    Anschließend erklärte die Regierung, das vorläufig gestoppte Bauprojekt im Gezi-Park bis zu einem endgültigen Gerichtsurteil über dessen Rechtmäßigkeit nicht weiter zu verfolgen. Sollte die Justiz das Vorhaben für legal erklären, will die Regierung die Bürger Istanbuls in einer Volksabstimmung dazu befragen.

    Wegen des harten Vorgehens der Polizei gegen die Kundgebungen wurde Erdogan bereits von zahlreichen westlichen Partnern kritisiert. Laut dem türkischen Ärztebund wurden bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten seit Ende Mai vier Menschen getötet und fast 7500 weitere verletzt. drs, afp, dpa

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