Die Anschläge in Katalonien haben es erneut gezeigt: Terrorzellen, die große Anschläge planen, sind immer enger international vernetzt. Gleichzeitig wachsen die Zweifel, ob die Fahnder auf dieses Phänomen vorbereitet sind. Experte Jörg Radek hat Zweifel. Seine Forderung: „Wir brauchen endlich eine moderne europaweite Datei für Terror und Kriminalität.“ Es gebe eine große Zahl von tragischen Beispielen dafür, dass von den Behörden der Nationalstaaten erfasste Daten nicht oder nicht rechtzeitig vor einer Gewalttat europaweit übermittelt worden seien, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Gespräch mit unserer Redaktion.
Aktuelle Meldungen aus Spanien legen nahe, dass die islamistische Terrorgruppe weitreichende internationale Kontakte pflegte. Neue Indizien dafür liefern mehrere Flugtickets, die die Polizei am Mittwoch in den Trümmern des Hauses der Terrorgruppe entdeckt hat, das vor den Anschlägen explodiert ist. Die Tickets belegen die Beziehungen der Terroristen ins Ausland.
15 Menschen bei Anschlägen in Spanien getötet
Die Polizei verfolgt längst nicht nur Spuren in Spanien, sondern auch nach Frankreich, Belgien, in die Schweiz und nach Marokko – von dort stammen die meisten Mitglieder der Terrorzelle. Spanische Medienberichte, wonach es in Marokko im Zusammenhang mit den Anschlägen Festnahmen gegeben habe, sind noch nicht bestätigt. Bei den Anschlägen von Barcelona und Cambrils wurden vergangene Woche 15 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt.
Klar ist aber auch, dass die internationale Terrorabwehr nur dann funktionieren kann, wenn in den einzelnen Staaten effektive Strukturen vorhanden sind. Der Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri hat gezeigt, dass die Kommunikation zwischen den Behörden in Deutschland verbesserungswürdig ist.
Kritik: Behörden denken nur in eigenen Strukturen
Jörg Radek sieht ein weiteres Problem: Bei der Bekämpfung des Terrorismus fehle es hierzulande an einem „übergreifenden Denken“ in den Behörden. Er nennt exemplarisch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf): „Die Mitarbeiter müssten viel stärker Elemente der Arbeitslogik der Polizei im Hinterkopf haben, wenn sie über den Aufenthaltsstatus von Asylbewerbern entscheiden.“ Und das sei nur ein Beispiel für die fehlende Bereitschaft, über die eigene Behörde hinauszudenken.
Positiv bewertet Radek das Grundsatzurteil vom Dienstag. Es erlaubt, Terrorverdächtige mit ausländischem Pass in Zukunft leichter abzuschieben. Das würde die Polizei entlasten, da die lückenlose Überwachung von Gefährdern extrem personalintensiv sei. Zudem gebe das Urteil den Polizisten endlich die nötige Rechtssicherheit bei ihrer Arbeit, sagt Radek. mit dpa
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