In der Politik nehmen die Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen die sich zunehmend radikalisierende Pegida zu. Nach Ansicht von SPD-Vize Ralf Stegner sollte sich der Verfassungsschutz die Organisatoren der Bewegung genau anschauen. "Verfassungsfeindliche Bestrebungen müssen vom Verfassungsschutz beobachtet werden", sagte er der Zeitung Die Welt. "Zu prüfen wäre beispielsweise, ob die Organisatoren von Pegida verfassungsfeindlich agieren."
Zum Jahrestag hatte das Bündnis am Montag 15.000 bis 20.000 Anhänger in Dresden mobilisiert. Eine etwa gleich große Zahl an Menschen protestierte unter dem Slogan "Herz statt Hetze" gegen rechte Stimmungsmache. Für einen Eklat sorgte der deutsch-türkische Autor und Rechtspopulist Akif Pirinçci. Wegen des Satzes "Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb" ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft. Es geht um den Verdacht der Volksverhetzung.
Lucke: Pegida sucht bewusst den Tabubruch
Nach dieser Hassrede kam aus den Reihen der Union die Forderung, Polizei und Justiz sollten konsequenter vorgehen. "Polizei und Staatsanwaltschaft müssen vor Ort ermitteln und können während der laufenden Demo einschreiten", sagte der CSU-Rechtsexperte Hans-Peter Uhl der Rheinischen Post.
Der ehemalige AfD- und heutige Alfa-Chef Bernd Lucke warf der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung vor, bewusst den Tabubruch zu suchen. Die AfD sei auf strammem Rechtskurs, sagte er der Frankfurter Neuen Presse.
Scharfe Kritik kam erneut auch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Vielerorts versuchten Rechtsextremisten, Einfluss auf sogenannte GIDA-Veranstaltungen zu nehmen, und wollten sich ans Steuer setzen, sagte der CDU-Politiker der Sächsischen Zeitung. "Sie sprechen eine Sprache des Hasses, und verachten dabei alles, was nicht ihrer Meinung ist."
Der CDU-Innenexperte Ansgar Heveling kann sich nach den Hassreden auf der Dresdner Pegida-Kundgebung auch ein Verbot der Demonstrationen vorstellen. Dies sei wahrscheinlich nicht ganz einfach durchsetzen, weil die Hürden vor Gericht hoch seien, sagte der neue Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgabe). "Dennoch muss der Staat auch in dieser Frage dranbleiben und genau prüfen, ob ein Verbot von Pediga vor Gericht durchsetzbar ist."
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach sich gegen ein Verbot aus. Es sei zunächst einmal Aufgabe der Politik und der Sicherheitsbehörden, "diese Rattenfänger zu enttarnen, sagte der CSU-Politiker den Funke-Zeitungen. Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) hält nichts von "reflexartigen Verboten". Das Demonstrationsrecht sei einer der Grundpfeiler unserer Demokratie, sagte Jäger den Funke-Zeitungen. Doch wer bei Pegida mitlaufe, "macht sich mitschuldig, dass Hass und Gewalt salonfähig werden".
Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty appellierte an alle Bürger, Hass-Mails und jede Form der Bedrohung durch fremdenfeindliche Hetzer ernst zu nehmen. Im Zweifel sei es stets besser, die Polizei zu verständigen, sagte der SPD-Politiker auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Wer Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit schüre, habe nicht verstanden, worauf das Abendland aufbaue. "Pegida ist nicht die Verteidigung des Abendlands, sondern dessen Ende", unterstrich Kutschaty.
Politikwissenschaftler: Pegida von Rechten gesteuert und unterwandert
Pegida: Eine Chronologie
Oktober/November 2014: Bei wöchentlichen Kundgebungen demonstrieren in Dresden Tausende gegen eine angebliche Islamisierung. Kirchen, Parteien und Gewerkschaften warnen vor Fremdenfeindlichkeit und organisieren Gegendemonstrationen.
15. Dezember 2014: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilt die Bewegung. In Deutschland sei kein Platz für Hetze und Verleumdung.
23. Dezember 2014: Pegida verbucht in Dresden trotz wachsender Kritik weiter Zulauf. Zur 10. Demonstration kommen rund 17 500 Menschen.
13. Januar 2015: Der von Pegida-Anhängern benutzte Begriff «Lügenpresse» wird zum Unwort des Jahres 2014 gewählt.
18. Januar 2015: Nach Morddrohungen gegen Pegida-Gründer Lutz Bachmann verbietet die Dresdner Polizei vorerst weitere Kundgebungen.
21. Januar 2015: Nach einer Welle der Empörung über ein «Hitler-Foto» und fremdenfeindliche Äußerungen wirft Bachmann das Handtuch.
26. Januar 2015: Bei einem Bürgerfest vor der Frauenkirche bekennen sich Zehntausende Dresdner zu Toleranz und Weltoffenheit.
28. Januar 2015: Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel und weitere Mitglieder des Organisationsteams ziehen sich zurück.
9. Februar 2015: Bei der ersten Pegida-Kundgebung seit der Spaltung tritt Bachmann wieder ins Rampenlicht.
28. September 2015: Pegida-Anhänger attackieren bei einer Kundgebung in Dresden zwei Journalisten und pöbeln Ausländer an.
2. Oktober 2015: Die Dresdener Staatsanwaltschaft klagt Bachmann wegen Volksverhetzung an. Auf Facebook hatte er Ausländer im Herbst 2014 als «Viehzeug», «Gelumpe» und «Dreckspack» bezeichnet.
12./13. Oktober 2015: Ein hölzerner «Galgen» für Merkel und ihren Vize Sigmar Gabriel sorgt für Empörung und staatsanwaltliche Ermittlungen. Ein Pegida-Anhänger hatte die Attrappe bei einer Demo getragen.
Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter analysierte in einem Interview der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, bei Pegida gebe es zum einen durch nichts zu entschuldigende Extremisten. "Aber leider Gottes gibt es drum herum immer noch eine Peripherie von Leuten, die da mitlaufen, ohne sich Gedanken zu machen, wo sie mitlaufen und wem sie damit eine große gesteigerte öffentliche Resonanz bieten." Die besorgten Bürger seien noch da, "aber sie sind allmählich in ihrer Naivität als nützliche Idioten kaum mehr zu überbieten".
Auch der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sieht eine rechtsextreme Radikalisierung der Protestbewegung. "Nach allem, was wir bisher wissen, wird Pegida gezielt von Rechtsextremisten gesteuert und unterwandert", sagte er den Ruhr Nachrichten.