Die Wahrscheinlichkeit, dass Annette Schavan ihren Doktortitel abgeben muss, ist gestiegen. Das sagt zumindest Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder, der die Doktorarbeit der Bundesforschungsministerin genauer unter die Lupe genommen hat. "Auf über 33 Prozent der Seiten finden sich Plagiate bei Frau Schavan", sagt er im Gespräch mit Augsburger Allgemeine Online.
Heidingsfelder: Eigenplagiate auf 55 Seiten von Schavans Dissertation
Ob Schavan ihren Doktortitel behalten darf, ist für Heidingsfelder zweitrangig. Als Ministerin für Bildung und Forschung müsse sie aber in jedem Fall zurücktreten, so seine Forderung. "Wer nicht weiß, wie man richtig zitiert, kann nicht Bundesforschungsministerin und Professorin sein."
Heidingsfelder, der vor über einem Jahr die Plattform "VroniPlag" gründete, hat Anfang Mai die Seite "SchavanPlag Wiki" ins Leben gerufen, um den anonymen Blogger von "schavanplag.wordpress.com" zu unterstützen, der die Vorwürfe gegen Schavan als erster öffentlich machte.
Auf 65 Seiten der Doktorarbeit "Person und Gewissen", die Schavan im Jahr 1980 verfasste, habe die Bundesforschungsministerin von anderen Autoren abgeschrieben, erklärt Heidingsfelder. "Hinzu kommen Eigenplagiate auf 55 Seiten der Dissertation". Die Sätze, die Schavan bereits in einer anderen Arbeit veröffentlicht hatte, habe sie in ihrer Doktorarbeit nicht als Zitate aufgeführt. Bei sich selbst abzuschreiben, ohne dies kenntlich zu machen, sei nach der Promotionsordnung der Universität Düsseldorf nicht erlaubt gewesen, so Heidingsfelder.
Der erste nicht-anonyme Plagiatsjäger, der Vorwürfe erhebt
Heidingsfelder ist der erste nicht-anonyme Plagiatsjäger, der Vorwürfe gegen die Ministerin erhebt. Nach den Regeln des Netzes ist eigentlich ein anonymer Schwarm für die Suche nach gefälschten Doktorarbeiten im Internet zuständig. Heidingsfelder ist die prominente Ausnahme. Der 46-Jährige, dem unter anderem die FDP-Politiker Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis sowie Stoiber-Tochter Veronica Saß die Aberkennung ihres Doktors zu verdanken haben, ist das Gesicht der Plagiatsjäger, seit er seinen Namen im vergangenen Sommer öffentlich machte. Dies jedoch eher unfreiwillig; er wollte einer Enttarnung durch Medien zuvorkommen.
Heidingsfelder gilt bei anderen Plagiatsjägern als umstritten
Doch bei vielen seiner früheren Mitstreiter ist der Gründer von "VroniPlag" seither höchst umstritten. Die Medienpräsenz des Vorkämpfers missfällt den übrigen Plagiatsjägern. Auf "VroniPlag" ist Heidingsfelder schon länger nicht mehr aktiv."Ich werde von meinen ehemaligen Mitstreitern ziemlich gemobbt", sagt er dazu nur.
Meinungsverschiedenheiten gibt es auch im Fall Annette Schavan. Als die "VroniPlag"-Nutzer in der Doktorarbeit der Bundesforschungsministerin Plagiate fanden, sprach sich eine knappe Mehrheit, dagegen aus, die Vorwürfe öffentlich zu machen. Auf 10 Prozent der Seiten der Dissertation hatte die Netzgemeinde bis dahin Plagiate entdeckt. Heidingsfelder gibt an, inzwischen zusammen mit seinen Unterstützern und "SchavanPlag wordpress" auf 33 Prozent der Seiten plagiierte Stellen gefunden zu haben.
"Mir gegenüber hat sich Frau Schavan noch nicht geäußert"
Bundesforschungsministerin Schavan hatte sich bisher gegen die anonymen Vorwürfe gewehrt und den Autor des Blogs "SchavanPlag wordpress" aufgefordert, sich zu erkennen zu geben. Heidingsfelder hat dafür wenig Verständnis. "Mein Vorwurf ist nicht anonym. Aber mir gegenüber hat sich Frau Schavan noch nicht geäußert.", sagt der 46-jährige Erlanger, der die Jagd nach Plagiaten inzwischen hauptberuflich betreibt und auf Auftrag Doktorarbeiten aus der ganzen Republik untersucht.
Mit "SchavanPlag Wiki" möchte Heidingsfelder nun die Bundesforschungsministerin zu Fall bringen. Ausgerechnet die Bundesforschungsministerin. Die Position von Schavan sei im Zusammenhang mit Plagiatsfunden besonders heikel, findet auch Heidingsfelder.
Auf dem Höhepunkt der Guttenberg-Affäre ließ sich Schavan mit den Worten zitieren: "Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich." Inzwischen prüft die Universität Düsseldorf ihre Doktorarbeit.