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SPD: Peer Steinbrück: Der knurrige Kämpfer tritt ab

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Peer Steinbrück: Der knurrige Kämpfer tritt ab

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    Peer Steinbrück wird trotz seines Rückzugs an den Sondierungsgesprächen teilnehmen.
    Peer Steinbrück wird trotz seines Rückzugs an den Sondierungsgesprächen teilnehmen. Foto: Peter Kneffel (dpa)

     Es war ein versöhnlicher Abschied  nach zwölf turbulenten Monaten: Ziemlich genau ein Jahr nach seiner  Kür zum Kanzlerkandidaten verkündete Peer Steinbrück am  Freitagabend, dass er in der SPD kein Spitzenamt mehr anstrebt. Der  66-Jährige hatte den Genossen vor allem am Anfang seiner Kandidatur  so manches abverlangt. Und konnte am Ende, obwohl er monatelang  alles gab, die Wahlschlappe nicht abwenden. Mit stehenden Ovationen  zeigten die 200 Delegierten des

    "Ich werde dieser Partei mein ganzes Leben lang treu bleiben",  sagte Steinbrück am Freitagabend und rührte einmal mehr das Herz  der Genossen. Dass der scharfzüngige und manchmal provozierende  Politiker eine sehr emotionale Seite hat, wurde spätestens im Juni  - ebenfalls auf einem SPD-Parteikonvent - eindrucksvoll deutlich.  Als seine Frau Gertrud die Wahlkampfbelastungen ihres Mannes  schilderte und manch unfaire Attacke beklagte, kamen ihm auf  offener Bühne die Tränen. Der Einblick in seine Seele brachte ihm  bei vielen Sozialdemokraten großen Respekt ein.

    Langweil wurde es nie mit Peer Steinbrück

    Steinbrücks Aufreger

    Seit Beginn seiner Kandidatur hat Peer Steinbrück immer wieder mit pointierten Aussagen für Aufsehen gesorgt - der SPD-Kanzlerkandidat selbst findet manches über Gebühr zugespitzt. Die Partei fragt sich, ob das Land nicht andere Probleme habe, als auf vermeintliche Fettnäpfchen zu lauern. Im Kontext gesehen wirken einige Aussagen weit weniger spektakulär.

    NEBENVERDIENSTE: «Ich glaube, dass es Transparenz nur in Diktaturen gibt. Ich glaube, dass eine gewisse Privatheit gelten muss.» (Steinbrück am 6.10.2012 im Deutschlandfunk auf die Frage, ob es nicht einen gläsernen Abgeordneten geben muss, der alles offen legt.)

    «Ich werde mich dafür einsetzen, die Transparenzregeln des Deutschen Bundestags so zu verschärfen, dass alle Abgeordneten bis auf den letzten Cent angeben müssen, von wem und wofür sie in welcher Höhe für eine Nebentätigkeit bezahlt worden sind.» (Steinbrück nach allgemeiner Kritik an seinen hohen Nebeneinkünften am selben Tag in einer persönlichen Erklärung.)

    PINOT GRIGIO: «Schon zehn Euro Erhöhung würden den Staat eine Milliarde kosten. Und man weiß dann auch nicht, wo das Geld hingeht. Zehn Euro sind ja auch zwei Schachteln Zigaretten, zweieinhalb Bier oder zwei Pinot Grigio. Also zwei Gläser Pinot Grigio. Denn eine Flasche, die nur fünf Euro kostet, würde ich nicht kaufen.» (Steinbrück nach Angaben der «Bild»-Zeitung» am 3.12.2012 bei einer Veranstaltung in Berlin mit Blick auf eine Kindergelderhöhung.)

    KANZLERGEHALT: «Nein. Dieses Gefühl gab es nie. Im Übrigen finde ich allerdings, dass manche Debatte über die Bezahlung unserer Abgeordneten bis hin zur Spitze der Bundesregierung sehr schief ist. Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin. Abgeordnete des Bundestags arbeiten fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden. Sie sind gemessen an ihrer Leistung nicht überbezahlt. Manche Debatte, die unsere Tugendwächter führen, ist grotesk und schadet dem politischen Engagement. (...) Ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin verdient in Deutschland zu wenig - gemessen an der Leistung, die sie oder er erbringen muss und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten mit weit weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt.» (Steinbrück am 30.12.2012 in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» auf die Frage, ob er sich als Abgeordneter unterbezahlt fühle und ob die Kanzlerin zu wenig verdiene.)

    CLOWNS IN ITALIEN: «Bis zu einem gewissen Grad bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben.» (Steinbrück am 26.02.2012 bei einer «Klartext»-Veranstaltung in Potsdam zum Wahlausgang in Italien in Anspielung auf Silvio Berlusconi und den Berufskomiker Beppe Grillo.)

    UMGANG MIT RUSSLAND: «Zweifellos. Aber in bilateralen Gesprächen und nicht auf dem Marktplatz. Sonst verspielt man Zugänge, um praktische Fortschritte zu bewirken.» (Steinbrück in einem am 26. März 2013 veröffentlichten Zeit-Online-Interview auf die Frage, ob man die Russen nicht auf Demokratiedefizite und Menschenrechtsverletzungen hinweisen müsse. An dem Tag gab es Razzien bei deutschen Stiftungen in Russland, das Interview war aber bereits zuvor geführt worden.)

    GETRENNTER SPORTUNTERRICHT VON JUNGEN UND MÄDCHEN: «Wenn die Schulen es einrichten können, dann sollten sie es machen. Ich würde da Rücksicht nehmen auf religiöse Überzeugungen. Mir ist die Problematik aus den familiären Schilderungen meiner Frau sehr geläufig. Es läuft dann meistens darauf hinaus, dass die Eltern eines Mädchens islamischen Glaubens einfach eine Krankheitsmeldung machen, damit sie nicht teilnehmen muss. Eh das so gehandhabt wird, würde ich versuchen, Lösungen zu finden, um den religiösen Überzeugungen Rechnung zu tragen.» (Bei einer «Klartext»-Veranstaltung am 3. April 2013 im Berliner Tempodrom mit Blick auf die Forderung eines muslimischen Vaters, nach Geschlecht getrennten Schulsportunterricht anzubieten.)

    Eine Woche vor der Bundestagswahl 2013 posiert Peer Steinbrück auf dem Cover des SZ-Magazins - mit gerecktem Mittelfinger. Die eindeutige Geste ruft unterschiedliche Reaktionen hervor. In den sozialen Netzwerken tauchen Bild-Montagen und Spott-Fotos auf. (dpa/AZ)

    Langweilig war es der SPD nie mit ihrem Kandidaten. Monatelang  begleitete ihn zunächst die Debatte um hohe Vortragshonorare, die  er nach 2009 erhielt. Im Wahlkampfendspurt fügte Steinbrück seinen  klaren Worten eine klare Geste hinzu: sein "Stinkefinger"-Foto  sorgte für große Aufregung auf den letzten Metern. Der  ausgestreckte Mittelfinger war die Antwort auf die Frage:  "Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi - um nette Spitznamen  müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?"

    Nach so viel Turbulenz soll seine Karriere nun geordnet zu Ende  gehen. Der gebürtige Hamburger und seit langem in  Nordrhein-Westfalen beheimatete SPD-Politiker bleibt einfacher  Bundestagsabgeordneter. Das ist er bereits seit 2009, dem Ende der  damaligen großen Koalition.

    Seine politische Karriere startete der Vater von drei erwachsenen  Kindern unter der SPD/FDP-Bundesregierung von Helmut Schmidt, 1978  bis 1981 war er im Kanzleramt im Bereich Forschungspolitik tätig.  Schmidt und Steinbrück sind noch heute eng verbunden: Das  gemeinsame Buch "Zug um Zug" der Schachspieler sorgte 2011 für viel  Aufmerksamkeit.

    Rasanter Aufstieg für den Hanseaten

    Das ist Peer Steinbrück

    Mit Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat zieht die SPD in den Wahlkampf.

    Lange Zeit war unklar, ob Steinbrück, Steinmeier oder Gabriel SPD-Kanzlerkandidat wird.

    Peer Steinbrück ist 1947 in Hamburg geboren.

    Steinbrück war von 2002 bis 2005 Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.

    Von 2005 bis 2009 war Peer Steinbrück Bundesminister der Finanzen und stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender.

    Peer Steinbrück ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages

    Steinbrück hatte Volkswirtschaft und Soziologie in Kiel studiert.

    Gleich nach seinem Studium arbeitete Steinbrück in mehreren Bundesministerien.

    Er war als Hilfsreferent im Kanzleramt von Helmut Schmidt tätig.

    Später wurde er Büroleiter des Ministerpräsidenten Johannes Rau.

    Am 6. November 2002 wurde Steinbrück zum Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen gewählt.

    Im Herbst 2012 geht Steinbrück als Kanzlerkandidat für die SPD ins Rennen.

    Im September 2013 unterliegt er bei der Bundestagswahl klar Angela Merkel. Kurz darauf kündigt er an, keine Spitzenämter mehr antreten zu wollen.

    1985 arbeitete der studierte Volkswirt erstmals in der Regierung  von Nordrhein-Westfalen, er wurde Büroleiter von  SPD-Ministerpräsident Johannes Rau. Ab 1990 folgten Stationen als  Staatssekretär und Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. 1998  begann der rasante Aufstieg des Hanseaten mit der Übernahme des  gleichen Ressorts in Düsseldorf. Im Februar 2000 wurde Steinbrück  nordrhein-westfälischer Finanzminister, im Herbst 2002 schließlich  Ministerpräsident der rot-grünen Landesregierung in

    Den politischen Tiefpunkt seiner Karriere musste Steinbrück im Mai  2005 hinnehmen: die damalige NRW-Landtagswahl wurde zur  "Schicksalswahl" für die rot-grüne Bundesregierung erklärt.  Steinbrück stürzte im Stammland der Sozialdemokraten auf 37,1  Prozent ab, die vorgezogene Bundestagswahl vier Monate später ging  für die SPD ebenfalls verloren.

    Steinbrück schreckte auch vor unpopulären Sparmaßnahmen  nicht zurück

    In der großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war  Steinbrück von 2005 bis 2009 Finanzminister. Er verschrieb sich dem  Schuldenabbau und schreckte auch vor unpopulären Sparmaßnahmen  nicht zurück. In der Finanzkrise 2008 galten Kanzlerin und Minister  vielen als "Dream Team". Doch an diese Zeiten wollte Steinbrück im  diesjährigen Wahlkampf nicht mehr erinnert werden: Ein erneutes  Ministeramt unter Merkel schloss er frühzeitig aus.

    Spekuliert wurde in den vergangenen Tagen darüber, ob Steinbrück im  Falle einer großen Koalition den SPD-Fraktionsvorsitz übernehmen  könnte. Mit seiner Ankündigung vom Freitagabend schaffte er nun  aber klare Verhältnisse. Beim ersten Sondierungsgespräch mit der  Union ist Steinbrück als einer der sechs SPD-Verhandlungsführer  aber mit dabei - eine Gelegenheit, sich auch von Merkel endgültig  zu verabschieden. afp

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