Erstmals ist ein Grünen-Politiker Präsident des Bundesrats. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht für ein Jahr an der Spitze des Bundesrates. Am Freitag befasste sich der einflussreiche Bundesrat mit folgenden Themen:
Mehr öffentliche WLAN-Netze
Betreiber eines drahtlosen Netzwerks (WLAN) sollen künftig nicht mehr so schnell haften, wenn WLAN-Nutzer im Internet gegen das Gesetz verstoßen. Der Bundesrat befürwortete eine entsprechende Initiative aus Berlin und Hamburg. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, durch eine Änderung der entsprechenden Gesetze das Haftungsrisiko für WLAN-Betreiber zu beschränken.
Spektakuläre Abmahnungen im Internet
Mit Abmahnungen im Internet sorgen Firmen, aber auch Privatpersonen häufig für Kopfschütteln und Schlagzeilen - zumal sie oft genug nach hinten losgehen. Hier Beispiele aus den vergangenen Jahren.
Die Gabriel-Abmahnung: Der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) mahnt im Jahr 2006 den Blogger Marcel Bartels ab. Ein Nutzer von Bartels Webseite hat eine satirische Bildmontage von Gabriel hochgeladen. Der Politiker sieht darin seine Persönlichkeitsrechte verletzt.
Die Brötchen-Abmahnung: Ein Blogger veröffentlicht Anfang 2007 auf seiner Webseite ein Foto eines Brötchens. Das hat er allerdings von der Seite marions-kochbuch.de kopiert. Deren Betreiber mahnen den Blogger ab - er soll 6000 Euro bezahlen.
Die Olympia-Abmahnung: Die Betreiber des Saftblogs bekommen eine Abmahnung des Deutschen Olympischen Sportbunds. Die Blogger hätten illegalerweise die olympischen Ringe verwendet - ein markenrechtlich geschütztes Symbol.
Die Bahn-Abmahnung: Im Februar 2009 schickt die Deutsche Bahn dem Betreiber von netzpolitik.org eine Abmahnung. Dessen Betreiber Markus Beckedahl hatte ein internes Memo der Bahn veröffentlicht. Das Unternehmen wirft ihm daraufhin "Verrat von Geschäftsgeheimnissen" vor.
Die Tatzen-Abmahnung: Der Kleidungs-Hersteller Jack Wolfskin geht im Herbst 2009 massiv gegen Hobby-Handarbeiter vor, die im Internet Waren mit Pfotenabdrücken anbieten. Das Tatzen-Logo sei markenrechtlich geschützt, argumentiert die Firma - und gerät dafür in die Kritik.
Die JAKO-Abmahnungen: Die Sportartikelfirma Jako AG mahnt im August 2009 den Blogger "Trainer" Frank Baade wegen unliebsamer Äußerungen ab. Die Abmahnung wird zum PR-Gau. Angesichts des massiven öffentlichen Drucks muss sich die JAKO AG wenig später entschuldigen.
Die Augsburg-Abmahnung: Nur, weil er die Internetadresse augsburgr.de für sich registriert hatte, lässt die Stadt Augsburg 2009 einen jungen Blogger abmahnen. Wenig später rudert die Stadt zurück: Der Blogger muss die Kosten nicht bezahlen.
In dem ohne Aussprache verabschiedeten Entschließungsantrag wird auf die "beträchtlichen Risiken" verwiesen, die für Betreiber von öffentlichen WLANs bestehen, wenn sie ihren Gästen einen drahtlosen Zugang zum Internet bieten. "Bei der Verbreitung von Inhalten im Netz ist es zunehmende Praxis, Betreiber oder Nutzer von WLAN-Anschlüssen abzumahnen, wobei die Streitwerte unangemessen hoch und für Bürgerinnen und Bürger oder z.B. Cafés existenzgefährdend sind", heißt es in dem Antrag. Dies verhindere derzeit, dass in stärkerem Maße WLANs frei zur Verfügung gestellt werden.
Mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger und Rentner
Außerdem gab des Bundesrat grünes Licht für mehr Geld: Die Hartz-IV-Sätze für Langzeitarbeitslose und deren Familien steigen Anfang kommenden Jahres um 2,1 Prozent. Ein Single etwa bekommt 382 Euro und damit 8 Euro mehr. Erstmals nach der Hartz-Reform von 2010 werden auch die Sätze für ältere Kinder von Langzeitarbeitslosen aufgestockt. Hartz-IV-Leistungen erhalten rund 6,1 Millionen Menschen. Die Anhebung entspricht der Rentenerhöhung von Anfang Juli.
Zum Jahreswechsel wird der Renten-Beitragssatz wohl - wie von der Bundesregierung geplant - von 19,6 auf 19,0 Prozent sinken. Die Gegner des Vorhabens, die zuvor auch aus den Reihen der CDU Zustimmung erhalten hatten, fanden keine Mehrheit für den Antrag, Anfang 2013 auf die Absenkung ganz zu verzichten und das zusätzlich vereinnahmte Geld in einem Demografiefonds für härtere Zeiten anzusparen. Der Gesetzentwurf zur Beitragshöhe muss noch vom Bundestag verabschiedet werden - er bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Bundesrat: Homosexuelle rehabilitiert
Der Bundesrat setzt sich zudem dafür ein, dass nach 1945 wegen ihrer sexuellen Orientierung verurteilte Homosexuelle rehabilitiert werden. Bislang wurden nur während der NS-Zeit Verurteilte rehabilitiert und entschädigt. In beiden Teilen Deutschlands wurden bis 1969 mehr als 50 000 schwule Männer wegen ihrer Homosexualität verurteilt.
Weiter wird der Bund ist aufgefordert, mehr für die Pflege von Gräbern der Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft tun. Die Regierung soll nach dem Willen des Bundesrats dafür sorgen, dass auch jene Ruhestätten auf Dauer gepflegt werden, die nicht unter den Schutz des Gräbergesetzes fallen. Bislang ist nur für die Gräber jener NS-Opfer gesorgt, die vor 1952 starben. Auf Betreiben des Zentralrats der Sinti und Roma soll diese Einschränkung entfallen.
Verbot kommerziellen Sterbehilfe
Auch rückt nun ein Verbot der kommerziellen Sterbehilfe näher. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung passierte ungehindert den Bundesrat. Danach soll eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe erhalten, wer absichtlich und gewerbsmäßig einem anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt, verschafft oder vermittelt. Angehörige, nahestehende Menschen, Ärzte und Pfleger sollen für die Begleitung zum Sterbehelfer aber nicht belangt werden. dpa