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Hintergrund: Mossul, das zweite Aleppo: Vieles im Irak erinnert an den Syrien-Krieg

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Mossul, das zweite Aleppo: Vieles im Irak erinnert an den Syrien-Krieg

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    Nichts wie weg: Einwohner von Mossul, die bisher unter der Knute der Terrormiliz IS litten, suchen ihr Heil in der Flucht.
    Nichts wie weg: Einwohner von Mossul, die bisher unter der Knute der Terrormiliz IS litten, suchen ihr Heil in der Flucht. Foto: Aris Messinis, afp

    Das Drama spiegelt sich in den Gesichtern der Menschen: Sie wollen raus, nur raus aus Mossul, der zweitgrößten Stadt des Irak. Weg von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die knapp drei Jahre lang eine Gewaltherrschaft in der Metropole am Tigris ausgeübt hat. Und weg vom Schrecken des Krieges, der mit der Rückeroberung durch die Regierungstruppen Einzug in die Stadt gehalten hat.

    IS will Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde zurückhalten

    Die Fliehenden schauen verängstigt, wie Fotos aus dem Krisengebiet zeigen. Sie fürchten, von den schwarz gekleideten IS-Terroristen beschossen zu werden, die sie als menschliche Schutzschilde zurückhalten möchten – und sie wissen nicht, was ihnen die Zukunft bringt. Die meisten haben nur dabei, was sie am Körper tragen, oder was in kleine Taschen und Plastiktüten passt. Ein Junge trägt einen Karton mit Hühnereiern, ein Mann transportiert seine Schafe in einer Schubkarre. Verletzte sind unter den Flüchtenden, auch Rollstuhlfahrer – und viele Kinder.

    Verbrannte Erde: Die irakischen Truppen vertreiben die IS-Terrormiliz Viertel für Viertel aus Mossul. Zurück bleiben oft nur Schutt und Ruinen.
    Verbrannte Erde: Die irakischen Truppen vertreiben die IS-Terrormiliz Viertel für Viertel aus Mossul. Zurück bleiben oft nur Schutt und Ruinen. Foto: Aris Messinis, afp

    Fast 100.000 Menschen haben es bisher geschafft. Sie konnten in den vergangenen drei Wochen den heftig umkämpften Westteil von Mossul verlassen. Diese Zahl nannte gestern die Internationale Organisation für Migration (IOM). Die östlich des Tigris gelegenen Stadtteile hatten die Regierungstruppen bereits im Januar befreit. Seither tobt die Schlacht um den Westen von Mossul, zu dem die Altstadt zählt. Insgesamt hatte die Stadt im Nordirak einst an die drei Millionen Einwohner.

    Vieles erinnert an das syrische Aleppo, wo bis Ende Dezember heftig gekämpft wurde. Hier wie dort war und ist eine nahöstliche Millionenstadt ins Zentrum einer militärischen Schlacht gerückt. Hier wie dort wurde ein Teil der Bevölkerung als Schutzschild festgehalten. Hier wie dort mussten Zivilisten hungern und waren Bombardements ausgesetzt.

    Allerdings endet da der Vergleich. Die von unterschiedlichen Rebellengruppen besetzten Bezirke Aleppos wurden nicht befreit, sondern gingen in die Hände des diktatorischen Assad-Regimes über. Zuvor hatten das syrische Militär und die mit ihm verbündete russische Luftwaffe unter anderem Schulen und Kliniken bombardiert, was als Kriegsverbrechen gilt.

    Militär drängt Terroristen im Irak weiter zurück

    In Mossul dagegen kämpfen die Soldaten der demokratisch gewählten Regierung in Bagdad gegen terroristische Besatzer. Diese regulären Einheiten und die mit ihnen verbündeten schiitischen Milizen werden auf Wunsch Bagdads von der Luftwaffe der US-geführten Anti-IS-Koalition unterstützt. Die Legitimation ist somit gegeben – allerdings mindert das die Schrecken des Krieges nicht.

    Die Terroristen werden in diesen Tagen Viertel für Viertel zurückgedrängt. Alle Ausfallstraßen sind abgeriegelt, man will die Dschihadisten nicht entkommen lassen. Am Wochenende berichtete die irakische Armee, sie habe schon gut ein Drittel von West-Mossul zurückerobert. Dazu zählen inzwischen auch strategisch oder symbolisch wichtige Objekte wie der Flughafen, der Sitz der Regionalregierung und der Bahnhof. Nahe dem vor der Stadt gelegenen Badusch-Gefängnis wurde ein Massengrab mit hunderten Toten entdeckt. Der IS soll nach der Einnahme Mossuls im Juni 2014 dort 600 Menschen getötet haben.

    Schwierig und möglicherweise verlustreich wird der Kampf um die Altstadt mit ihren engen Gassen. „Wir kämpfen gegen einen irregulären Feind, der sich unter Zivilisten versteckt und Sprengsätze, Heckenschützen und Selbstmordattentäter einsetzt“, sagte der Sprecher des gemeinsamen Einsatzkommandos, Jahja Rasul, der Nachrichtenagentur afp. Außerdem gehe es der irakischen Armee darum, das Leben von Zivilisten zu schützen.

    IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi, der in Mossul ein „Kalifat“ für Teile des Irak und Syriens ausgerufen hat, befindet sich nach Angaben des US-Außenministeriums auf der Flucht. Die inoffizielle IS-Hauptstadt Rakka in Syrien wird dem Terroristenchef jedoch ebenfalls keinen Schutz gewähren können. Denn auch sie wird wohl bald fallen. Die angreifende kurdisch-arabische Rebellenallianz Demokratische Syrische Kräfte, die von den USA unterstützt wird, steht nur noch wenige Kilometer vor der Stadt.

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