Als Japans Liberaldemokratische Partei (LDP) 2009 nach mehr als einem halben Jahrhundert fast ununterbrochener Herrschaft aus dem Amt gewählt wurde, hofften viele Japaner auf eine Ära politischer Erneuerung, und Analysten prophezeiten dem alten Machtapparat den Verfall.
Wieder absolute Mehrheit für die Liberaldemokratische Partei
Drei Jahre später sind die Hoffnungen enttäuscht, die Prognosen widerlegt – und die alten LDP-Seilschaften wieder obenauf. Bei den Unterhauswahlen am Sonntag errangen die Liberaldemokraten nach ersten Hochrechnungen mit 296 der 480 Parlamentssitze die absolute Mehrheit.
In einer Koalition mit der Partei „Neue Komeito“, die 32 Plätze bekam, hätte sie sogar die für Verfassungsänderungen notwendige absolute Mehrheit.
Gescheiterter Premier bekommt eine zweite Chance
Neuer Premier wird Shinzo Abe, der von 2006 bis 2007 schon einmal ein knappes Jahr lang Regierungschef war und damals als gescheitert galt. Nun bekommt der rechtskonservative Spross einer alten LDP-Familie eine zweite Chance.
Die bisher regierende Demokratische Partei (DPJ) von Premier Yoshihiko Noda stürzte auf 65 Sitze ab und bekommt damit die Quittung für Japans wirtschaftliche Probleme, parteiinterne Querelen und das schlechte Krisenmanagement nach der Erdbeben-, Tsunami- und Nuklearkatastrophe im März 2011.
Nationalistische Parolen und Leugnen von Kriegsverbrechen
Abe hatte im Wahlkampf neue Wachstumsimpulse für die schrumpfende japanische Wirtschaft versprochen und ansonsten vor allem auf nationalistische Parolen gesetzt. Er will unter anderem Japans Nachkriegsverfassung, die das Land zum Pazifismus verpflichtet, ändern und künftig militärisch offensiver auftreten.
Die sogenannten „Selbstverteidigungsstreitkräfte“ sollen künftig wieder „Armee“ heißen. Auch Japans Kriegsgräuel in den Nachbarländern, etwa die Zwangsprostitution tausender Frauen, hat Abe wiederholt geleugnet. Doch trotz Abes überwältigendem Erfolg ist die Begeisterung der Japaner für seine Rückkehr gering.
Umfragenwerte unterscheiden sich deutlich vom Ergebnis
Das japanische Direktwahlsystem verzerrt die scheinbare Zustimmung. In Umfragen hatte zuletzt nur ein Drittel der Japaner Abe für einen geeigneten Regierungschef gehalten. Die Zustimmung für Nodas DPJ war allerdings noch weitaus geringer.
Dabei hatte die DPJ im August 2009 einen historischen Wahlsieg errungen und eine Reform des Sozialstaats und der Bürokratie versprochen. Doch die Euphorie wich bald Ernüchterung. Der über Jahrzehnte von den Liberaldemokraten installierte Beamtenapparat verweigerte der Politik den Gehorsam, und die klammen Staatsfinanzen ließen wenig Spielraum für den Ausbau des sozialen Netzes.
Miserables Katastrophenmanagement nach Fukushima schadete der Regierung
Der erste DPJ-Premier Yukio Hatoyama hielt sich kein Jahr im Amt, und sein Nachfolger Naoto Kan wäre wohl ebenso schnell von der Bildfläche verschwunden, hätte das Erdbeben-, Tsunami- und Nuklearunglück im März 2011 nicht eine nationale Krise ausgelöst. Doch statt an der Aufgabe zu wachsen, verspielte die Regierung durch miserables Katastrophenmanagement das letzte Vertrauen. Zahlreiche Parlamentarier wandten sich von der glücklosen Regierung ab und gründeten eigene Parteien.