Wenn Äpfel mit Birnen verglichen werden, kann nichts Vernünftiges dabei herauskommen. Der russische Präsident Wladimir Putin tut aber genau dieses, um die von ihm zu verantwortende gewaltsame Veränderung von Grenzen zu rechtfertigen: „Auf der Krim wurde nichts anderes gemacht, als auch im Kosovo gemacht wurde“, sagte er kürzlich im ARD-Interview.
Putin: Russland habe keine Völkerrechtsverletzungen begangen
Das ist Geschichtsklitterung der schlimmsten Art. Die Unterschiede sind nämlich gravierend. Kein westliches Land hat das Kosovo seinem eigenen Staatsgebiet zugeschlagen, Russland hingegen hat sich die Krim einverleibt. Zum anderen wurde über das Kosovo neun Jahre lang international und unter Beteiligung Russlands verhandelt, bevor sich die ehemalige serbische Provinz 2008 einseitig für unabhängig erklärte. Bei der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim ging dagegen alles holterdiepolter, wobei Russland Streitkräfte ohne Hoheitsabzeichen einsetzte und die Welt nicht einmal informierte. Dass auf der Krim unter dem „Schutz“ russischer Gewehre eine Abstimmung stattfand, reicht als Rechtfertigung nicht aus, zumal diese nach ukrainischem Recht illegal war. Deswegen ist Putins Aussage, „dass Russland keine Völkerrechtsverletzungen begangen hat“, einfach nur absurd.
Wirtschaftssanktionen sollen Druck auf Russland ausüben
Die Frage ist, wie man sich jetzt verhalten sollte? Der Westen hat frühzeitig und erfreulich eindeutig erklärt, dass für ihn keine militärische Lösung infrage kommt – weder auf der Krim noch in der Ostukraine. Daher blieb nur das Mittel der Wirtschaftssanktionen. Sie sollen Druck auf Russland ausüben, mehr zur friedlichen Lösung der Ukraine-Krise zu tun. Solche Strafmaßnahmen wirken, wenn auch nur langfristig. So haben Sanktionen dazu beigetragen, dass das Apartheid-Regime in Südafrika in die Knie ging, und dass der Iran wieder über sein Atomprogramm mit sich reden lässt. Auch in Russland werden sie wirken – wenn der Nationalstolz nicht mehr alles überlagert und die wirtschaftlichen Probleme im Alltag durchschlagen.
Andererseits wird Russland gebraucht, in Europa wie in der Weltpolitik. Daher muss weiter das Gespräch mit Putin gesucht werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stimmen darin überein. Dennoch werden Unterschiede sichtbar: Nicht nur, weil Merkel ihrem Ärger über Putins Lügen und Verdrehungen in Sydney Luft machte, während Steinmeier stoisch die diplomatische Etikette wahrt. Sondern auch, weil Merkel rascher als Steinmeier bereit ist, die Sanktionen zu verschärfen. Diese Differenzen sind aber zu gering, als dass die außenpolitische Handlungsfähigkeit beeinträchtigt wäre.
Putin darf nicht nachgegeben werden
In einem weiteren wichtigen Punkt sollte Einigkeit bestehen: Es gibt nicht den geringsten Anlass, Unrecht als Recht anzuerkennen. Der Vorstoß des früheren brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD), der „Klügere“ solle nachgeben und die Annexion der Krim legalisieren, ist völlig daneben. Welchen Vorteil, bitteschön, soll denn das bringen? Dass sich Putin bestätigt fühlt und in der Ostukraine und anderen Gebieten, die er als Einflusssphären definiert hat, noch unverschämter zulangt? Nein, das Faustpfand der Nicht-Anerkennung der Krim-Annexion darf der Westen nicht ohne Not aus der Hand geben.
Neben dem Gespräch mit Putin sollte auch der Dialog mit Russland gepflegt werden. Und in diesen muss die Zivilgesellschaft einbezogen sein. Russland besteht schließlich nicht nur aus Putin-Verehrern. Bei Foren wie dem „Petersburger Dialog“ müssen auch Oppositionelle zu Wort kommen. Das gehört dringend reformiert.