Dieses Urteil hat eine neue Debatte ausgelöst: Das Aschaffenburger Jugendamt darf, obwohl es zum Vormund einer 15-jährigen Syrerin bestellt worden ist, nicht über den Aufenthaltsort der bereits mit 14 Jahren verheirateten jungen Frau entscheiden, darf sie also nicht von ihrem volljährigen Mann trennen. Das Oberlandesgericht Bamberg hat so im Mai entschieden (wir berichteten) und damit auf rechtliche und soziale Probleme hingewiesen, die mit der Zuwanderung von Flüchtlingen zunehmend die deutschen Behörden beschäftigen.
Bundesjustizminister Maas appelliert an Behörden
Kinder- und andere Zwangsehen, aber auch Polygamie – in einigen Herkunftsländern sind sie legal oder werden zumindest geduldet, im deutschen Recht aber aus guten Gründen verboten. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat jetzt an die Behörden aus gegebenem Anlass appelliert, Zwangsehen und Polygamie auch bei Flüchtlingen nicht anzuerkennen: „Zwangsehen dürfen wir nicht dulden, erst recht nicht, wenn minderjährige Mädchen betroffen sind.“ Und er fügte hinzu: „Niemand, der zu uns kommt, hat das Recht, seine kulturelle Verwurzelung oder seinen religiösen Glauben über unsere Gesetze zu stellen.“
Fast zeitgleich mit dem Bamberger Urteil waren in der vergangenen Woche Zahlen über Kinderehen unter den hunderttausenden Flüchtlingen bekannt geworden: Mehrere hundert hätten die Bundesländer registriert, schrieb die Bild-Zeitung. In Bayern waren es demnach bis Ende April 161 Fälle von verheirateten Asylbewerbern unter 16 Jahren und 550 unter 18 Jahren.
Islam-Experte vermisst eine klare Linie
Der Erlanger Islam-Experte Mathias Rohe, Direktor des Zentrums für Islam und Recht in Europa, vermisst in solchen Fällen eine klare Linie. Die Bundesländer müssten es gesetzlich besser regeln. Die Justizministerkonferenz von Bund und Ländern prüft jetzt auf Antrag des nordrhein-westfälischen Ressortchefs Thomas Kutschaty (SPD) zumindest, ob die Ehemündigkeit in Deutschland generell auf 18 Jahre angehoben werden soll. Klären will sie auch, ob nach ausländischem Recht geschlossene Ehen hierzulande die Anerkennung versagt werden soll, wenn keine Ehemündigkeit nach deutschem Recht vorliegt.
Experte Rohe erzählt von einem Fall in Mittelfranken, in dem sein Rat gefragt war. Dort lebte in einer Flüchtlingsunterkunft eine 13-Jährige aus dem Irak – Analphabetin, mit elf zwangsverheiratet, weder deutsch noch Englisch sprechend – zusammen mit dem Ehemann (jenseits der 20) und dem gemeinsamen einjährigen Kind. Rohe empfahl, das Jugendamt einzuschalten. „Diese Ehe kann natürlich nach deutschem Recht nicht anerkannt werden. Die Fortführung geschlechtlicher Beziehungen wäre strafbar.“ Wie reagierte das Mädchen? Es behauptete plötzlich, bereits 17 zu sein. Rohe: „Diese junge Frau ist eben überhaupt nicht darauf vorbereitet, alleine zurechtzukommen.“
In Deutschland ist man mit 18 Jahren "ehemündig"
Die Rechtsexpertin der Union im Bundestag, Elisabeth Winkelmeier-Becker (Siegburg) sagt: „Solche Kinderehen passen nicht zu unseren Werten, zu denen es gehört, dass die Ehe auf einer freiwilligen Entscheidung mündiger Menschen beruht und nicht durch Verwandte und Traditionen vorgegeben wird.“
Im traditionellen islamischen Recht wird teilweise davon ausgegangen, dass Mädchen bereits mit neun und Buben mit zwölf Jahren heiratsfähig sind. In Deutschland sind junge Menschen erst „ehemündig“, wenn sie volljährig sind, also mit 18. Das Familiengericht kann allerdings Eheschließungen ab dem 16. Lebensjahr zulassen.
Auch die Polygamie ist in Deutschland verboten. Das hat zur Folge, dass Flüchtlinge mit Mehrfach-Ehen nicht mehr als eine Frau über den Ehegattennachzug ins Land holen dürfen. Es gibt aber auch in Deutschland von einem Imam geschlossene Zweit-Ehen, sagt die Augsburger Familienanwältin Nazan Simsek. Im Interesse muslimischer Frauen warnt sie davon, in solchen Fällen „zu viel Toleranz“ zu zeigen. mit dpa, kna, epd