Es ist nur noch eine Frage des „Wie“. Der Mindestlohn kommt Anfang 2015 in Höhe von 8,50 Euro. Für die Befürworter ist die Einführung der Untergrenze ein wichtiger Schritt gegen Lohndumping und schwindende Tarifverträge. Doch spätestens bei der Frage nach der Umsetzung scheiden sich die Geister – selbst in den Koalitionsparteien in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs – im Bundestag.
Mindestlohn für alle? Fast...
Nach Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) profitieren mehr als fünf Millionen Menschen vom „Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie“, die bislang von Dumpinglöhnen leben. Mehr als drei Millionen Arbeitnehmer seien bereits durch Branchenmindestlöhne geschützt, ohne dass es zu den von manchen befürchteten Arbeitsplatzverlusten gekommen sei. Dennoch gebe es in der Tariflandschaft „große weiße Flecken“. „Wir brachen eine klare Grenze nach unten, und das geht nur mit einem klaren gesetzlichen Mindestlohn“, sagt die Ministerin.
Doch alle Berufstätigen stellt auch der Gesetzesentwurf des Arbeitsministeriums nicht unter Schutz. Keine Untergrenze soll es demnach für unter 18-Jährige ohne Ausbildung geben. Auch Langzeitarbeitslose, die neu in den Beruf starten, können sechs Monate lang weniger als 8,50 Euro verdienen.
Genau da setzt die Kritik der Oppositionsparteien an. Klaus Ernst, Fraktions-Vize der Linken, wiederholt mehrmals in seiner Rede die klare Forderung an die Regierung: „Hören Sie auf mit den Ausnahmeregelungen für junge Leute und Langzeitarbeitslose!“ Diese Regelung verstoße gegen die Würde der Betroffenen. Als einziger Redner stellt er sich auch gegen die Höhe des Mindestlohns: 8,50 Euro lösten das Problem der Altersarmut nicht mal ansatzweise.
Grüne kritisieren Ausnahme vom Mindestlohn
Ähnlich lauten die Argumente der Grünen. „Zwei Millionen Erwerbstätige würden mit den Ausnahmeregelungen herausfallen“, wirft Grünen-Vizefraktionschefin Kerstin Andreae der Regierung vor. „Ohne wirksame Verbesserung bleibt das eine Show-Veranstaltung.“ Ihre Parteikollegin, die Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer, sieht in den Ausnahmen für bestimmte Gruppen „ein Bauernopfer, das die SPD der Union für den Mindestlohn geben musste.“
Langzeitarbeitslose seien schwieriger zu vermitteln und junge Menschen nicht mehr bereit, eine Ausbildung zu beginnen, sollten sie als Ungelernte bereits mehr verdienen, lautet das Regierungsargument, das die Ausnahmeregelungen erklären soll. Doch dass zumindest in der Einschränkung für Schüler selbst parteiintern Zweifel bestehen, bestätigt Daniela Kolbe von der SPD, indem sie aus einer Schülerbefragung zitiert: „Ausbildung ist Pflicht, ohne geht es nicht.“ Andere Schüler wehren sich gegen das Szenario, ein Leben lang von 8,50 Euro leben zu müssen. Auch die Union will bei Fragen der Umsetzung nachjustieren.
Mindestlohn: Union sieht ebenfalls Schwierigkeiten
Der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Karl Schiewerling, äußert seine Bedenken gegenüber Berufen, die von günstigen Löhnen leben. Saisonarbeiter beispielsweise oder Taxifahrer, die ihre Kilometertarife in der Regel nicht selbst bestimmen können. Auch die Regelungen für Praktikanten müssten nach Schiewerling gelockert werden, da gerade Geisteswissenschaftler häufig durch das Praktikum in den Beruf finden.
Auch der CDU-Wirtschaftsrat will mehr Flexibilität. Seine Forderung: Unionsfraktionschef Volker Kauder solle weitere Ausnahmen für Branchen und Regionen auszuhandeln. „Volker Kauder trägt in den parlamentarischen Beratungen jetzt große Verantwortung, damit es keine weiteren Kratzer am Wirtschaftsprofil der Union gibt“, sagte der Generalsekretär des Verbandes, Wolfgang Steiger.