Beide schließen eine Große Koalition aus, bemühen sich um inhaltliche Abgrenzung und sind sich doch immer wieder mal einig. "Ich will auch keine Große Koalition", sagt Angela Merkel - und stimmt damit ihrem Herausforderer Peer Steinbrück ausdrücklich zu. Die Koalition mit der FDP sei die "erfolgreichste Regierung" gewesen, die Deutschland seit der Wiedervereinigung gehabt habe, erfolgreicher jedenfalls als die Große Koalition mit der SPD in den vier Jahren zuvor.
Und auch Peer Steinbrück hat von der Großen Koalition genug. "Ich will Sekt oder Selters", sagt er. "Ich bin ins Gelingen orientiert." Eindringlich wirbt er in seinem Schlusswort für einen "neuen Kurs". Er wolle, dass sich das Land "zum Besseren" wendet. Angela Merkel dagegen setzt darauf, dass alles so bleibt wie es ist. "Sie kennen mich und wissen, wie ich bin." Deutschland hatte vier gute Jahre, so soll es weitergehen.
Für Merkel ist es das dritte Kanzlerduell
Berlin-Adlershof, Studio B. Am Sonntagabend geht für die Amtsinhaberin wie für den Herausforderer drei Wochen vor dem Wahltag beim TV-Duell um Alles oder Nichts. Für Angela Merkel ist es beinahe ein Heimspiel. In unmittelbarer Nachbarschaft lag in DDR-Zeiten die Akademie der Wissenschaften, wo sie bis zur Wende am Institut für physikalische Chemie arbeitete, im gleichen Studio lieferte sie sich 2005 das Duell mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und 2009 mit ihrem damaligen Vizekanzler und Außenminister Frank Walter Steinmeier.
Beide Male gewann sie hinterher die Wahlen und zog ins Kanzleramt. Nun soll sich dies zum dritten Male wiederholen, sie setzt ganz auf ihren Amtsbonus und ihre Popularität bei den Menschen. Peer Steinbrück hingegen, in Zeiten der Großen Koalition von 2005 bis 2009 Merkels Mann für die Finanzen, ist entschlossen, diese Serie zu durchbrechen und mit dem TV-Duell eine dreiwöchige Aufholjagd zu starten.
Kanzlerduell 2013: Steinbrück ist Merkel rhetorisch überlegen
Zitate aus dem Kanzlerduell 2013
Hier Zitate aus dem TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Peer Steinbrück:
«Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.» (Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, im TV-Duell)
«Dem stimme ich ausdrücklich zu und sende schöne Grüße nach München zu Herrn Seehofer.» (SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück)
«Natürlich muss es zu einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte kommen, aber bitte nicht in einer tödlichen Dosis für diese Länder.» (Steinbrück über die Euro-Krisenländer)
«Ich als Bundeskanzlerin habe den Auftrag dafür Sorge zu tragen, dass der Reformdruck gegen Griechenland nicht nachlässt.» (Merkel über Griechenland)
«Wir werden so schnell wie möglich die Stromsteuer senken müssen.» (Steinbrück-Ankündigung zur Energiewende)
«Ich als Bundeskanzler wäre nicht auf die Idee gekommen, in einer Bundespressekonferenz zu sagen: Ich warte ab.» (Steinbrück über Merkels Vorgehen in der NSA-Spähaffäre)
«Ich handle nicht erst und denke dann. Ich mache das umgekehrt: Ich denke erst mal nach, dann entscheide ich und dann handle ich.» (Merkel über die NSA-Affäre)
«Das sind ja alles schöne Schachteln, die Frau Merkel ins Schaufenster gestellt hat.» (Steinbrück über Wahlkampf-Ankündigungen)
«Ja, das kann ich.» (Merkel auf die Frage, ob sie trotz der Probleme im Gesundheitswesen wiederholen könne, dass Schwarz-Gelb die beste Bundesregierung sei)
«Nein, das hat Peer Steinbrück jetzt auch nicht nötig, dass er mir leidtut.» (Merkel zu einer entsprechenden Frage)
«Ich will Sekt oder Selters.» (Steinbrück auf die Frage, ob er in eine große Koalition eintreten würde)
«Wir haben vier Jahre weitgehenden Stillstand erlebt. (...) Mein Plan von Deutschland ist: gerechter und deshalb stärker.» (Steinbrück)
«Wir haben gezeigt, dass wir es können - und das in einer schwierigen Zeit. Ich möchte, dass auch die nächsten vier Jahre gute Jahre werden.» (Merkel)
«Ich würde dafür Sorge tragen, dass deutsche Truppeneinheiten (...) in keinster Weise involviert sind.» (Steinbrück über einen eventuellen Angriff gegen Syrien)
Das Format liegt ihm, rhetorisch ist er der Kanzlerin überlegen, er liebt die klare Sprache und den verbalen Angriff. Entsprechend forsch geht er die einzige direkte Auseinandersetzung mit der Kanzlerin an. Unverzüglich fährt er schwere Geschütze auf: "Es bedarf einer Regierung, die geführt wird, und nicht im Kreisverkehr fährt, sich nicht von Gipfel zu Gipfel hangelt."
Ihn bewege die Vorstellung von einem Land, "das aus dem Stillstand herauskommt", von einem Land, "in dem jeder von seiner Hände Arbeit leben kann". Deutschland habe einen Niedriglohnsektor wie kaum ein anderes Land in Europa, die Infrastruktur verfalle, viel sei in den letzten vier Jahren liegen geblieben. An die Wähler appelliert er: "Lassen Sie sich nicht einlullen."
Die Kanzlerin gibt die Staatsfrau
Doch die Kanzlerin lässt die Attacken ins Leere laufen. Den Menschen gehe es heute besser als vor vier Jahren. "Wir haben gezeigt, dass wir es können - und das in einer schwierigen Zeit." Es seien 1,9 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, Deutschland sei Stabilitätsanker in Europa, diesen Weg wolle sie fortsetzen. Die Frage sei, wem die Menschen mehr vertrauen. "Wir haben die besseren Konzepte", verkündet die Kanzlerin selbstbewusst, die rot-grünen Steuerpläne hingegen bergen die Gefahr, die Wirtschaft zu belasten.
Rasch kommt ein munterer Schlagabtausch in Fahrt, wobei die Rollen klar verteilt sind. Steinbrück greift an, redet plakativ mit vielen Bildern, Merkel gibt sich als Staatsfrau, die gerne lange doziert. Beide bemühen sich, sich inhaltlich deutlich voneinander abzusetzen, ohne sich persönlich zu attackieren.
Ob Mindestlohn, Haushaltskonsolidierung, Gesundheitspolitik oder Euro-Rettung, immer wieder prallen die unterschiedlichen Auffassungen aufeinander, zumal auch die vier Moderatoren Anne Will (ARD), Maybrit Illner (ZDF), Peter Kloeppel (RTL) und Stefan Raab (Pro 7) immer wieder nachfragen. Ob es ein drittes milliardenschweres Hilfspaket für Griechenland geben wird, lässt Merkel offen, niemand wisse, "wie sich die Dinge in Griechenland entwickeln". Dagegen kritisiert Steinbrück, man könne in Europa nicht immer nur die "Konsolidierungskeule" schwingen, nötig seien ein Aufbauprogramm wie einst der Marshall-Plan.
Merkel schließt Pkw-Maut aus
Hin und wieder schimmert dagegen doch die Große Koalition durch. So sind sich die beiden Spitzenkandidaten beim Thema Maut überraschend einig. "Mit mir wird es eine Maut für Autofahrer im Inland nicht geben", weist Angela Merkel eine entsprechende Forderung von CSU-Chef Horst Seehofer zurück - und Peer Steinbrück schickt hämisch "schöne Grüße" in Richtung Bayern.
Und mit Blick auf die Hartz-Reformen würdigt Merkel sogar ausdrücklich ihren Vorgänger im Amte: "Gerhard Schröder hat sich um Deutschland verdient gemacht". Einig sind sich beide auch beim brisanten Thema Syrien. Eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag lehnen beide ab. "Wir versuchen alles, dass wir den UN-Prozess in Gang bringen", sagt Merkel. Sie werde am Rande des G-20-Gipfels in der nächsten Woche "viele Gespräche" führen.
Im Eiltempo hangeln sich die Moderatoren von Thema zu Thema, Energiewende, Betreuungsgeld, NSA-Affäre. Angela Merkel redet deutlich länger als ihr Herausforderer, immer wieder müssen sie die Moderatoren ermahnen, kürzer zu reden, einmal gehen gleich drei Fragen hintereinander an den SPD-Herausforderer, damit er Zeit gut machen kann. Den Vorwurf Steinbrücks, Merkel habe in der NSA-Affäre nichts unternommen und öffentlich eingeräumt, nichts zu wissen, weist Merkel zurück. Sie denke erst einmal nach und handle dann. Die Spitze sitzt.
Alle Informationen zur Bundestagswahl 2013 finden Sie auch in unserem Dossier.