Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Linkspartei: Wie die Linke mit Uli Hoeneß in die Regierung will

Linkspartei

Wie die Linke mit Uli Hoeneß in die Regierung will

    • |
    Wohin geht es für die Linke - Regierung, Opposition oder gar raus aus dem Bundestag? Dietmar Bartsch will das Linksbündnis.
    Wohin geht es für die Linke - Regierung, Opposition oder gar raus aus dem Bundestag? Dietmar Bartsch will das Linksbündnis. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Wenn Dietmar Bartsch erklären will, warum seine Linkspartei Teil der nächsten Regierung sein soll, erzählt der Spitzenkandidat eine Geschichte über Uli Hoeneß. Der Ehrenpräsident des FC Bayern und Wurstfabrikant hat gewohnt meinungsstark seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Linke aus dem Bundestag fliegt. „Dann müssten wir uns so einen Schmarrn nicht mehr anhören", polterte Hoeneß neulich und meinte damit die Vermögensteuer. Die Linke will diese Steuer für Reiche und Unternehmer, SPD und Grüne auch.

    Für Bartsch ist es aber ganz bezeichnend, dass Hoeneß nur gegen seine Partei schießt. Denn der Fußballpräsident, der es mit den Steuern nicht so genau nahm, wisse nur zu gut, dass SPD und Grüne bei der Vermögensteuer nicht Ernst machen würden. „Wir werden deutlich herausstellen, dass es nur mit uns zu einem wirklichen Wechsel kommt“, sagt Bartsch. „Das ist das Argument auf unserer Seite.“

    Bei dem Treffen in den Räumen der Linksfraktion im Bundestag spricht er – blaues Hemd, gut sitzender hellgrauer Anzug – dann noch das Gedicht „An einen Bonzen“ von Kurt Tucholsky an. Der berühmte Schriftsteller ätzte in den 20er Jahren gegen Genossen, die Bosse geworden waren. „Du zuckst die Achseln beim Hennessy und vertrittst die deutsche Sozialdemokratie.“

    Neue Eintracht an der Spitze der Linken

    Nun weiß aber auch Bartsch, dass er den Reichen ohne SPD und Grüne auch kein Geld abknöpfen kann, selbst wenn sie teuren Cognac trinken. Die Linke hat in diesem Wahlkampf den ewigen Streit unter den drei Parteien des linken Lagers, wer der ehrlichste Kämpfer für Gerechtigkeit ist, hintangestellt. Und sie stößt die Tore für ein rot-rot-grünes Bündnis weit auf. Nicht nur Bartsch trommelt dafür, auch Co-Spitzenkandidatin Janine Wissler.

    Co-Spitzenkandidaten Janine Wissler kommt vom Linksaußen-Flügel ihrer Partei.  Aber auch sie will raus aus der Opposition.
    Co-Spitzenkandidaten Janine Wissler kommt vom Linksaußen-Flügel ihrer Partei. Aber auch sie will raus aus der Opposition. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Im Kosmos der Linken ist das nicht selbstverständlich. Wenn Bartsch der Realo ist, dann ist die rote Janine eine orthodoxe Linke. Bis zu ihrer Kür war sie Mitglied der Plattform Marx 21, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. „Wenn es nach der Wahl eine rechnerische Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken gibt, sollten wir sehr ernsthaft darüber reden, wie es zu einem Politikwechsel kommt“, sagt Wissler. Im Kosmos der Linken ist es auch nicht selbstverständlich, dass niemand öffentlich mit Sarah Wagenknecht im Clinch liegt. Obwohl sie formal kein höheres Amt in Partei und Fraktion mehr besetzt, ist sie immer noch der Star. Und sie hängt sich rein, macht Wahlkampf. Wenn Wagenknecht kommt, füllen sich die Marktplätze. Wenn Wissler und Bartsch kommen, sind die Reihen lichter.

    Auf den ersten Blick sind die Voraussetzungen der Partei für einen erfolgreichen Wahlabend gut. Der Abnutzungskampf zwischen den Parteiflügeln wird unter der Decke gehalten, die Rote-Socken-Kampagne der Union will nicht verfangen und in der Pandemie ist jedem klar geworden, dass die Leistungsträger der Gesellschaft nicht unbedingt die sind, die viel Geld verdienen. Doch wenn der zweite Blick auf die Umfragewerte fällt, will dieser nicht zum Eindruck des ersten Blicks passen. Die Linke schrammt in Umfragen gefährlich am Abgrund entlang. Derzeit sind es sechs Prozent, manchmal sieben oder acht. Bartsch hatte als Wahlziel ausgegeben, zweistellig zu werden. Doch davon ist die Partei weit entfernt.

    Drei Gründe für die Schwäche der Linken

    Dafür gibt es mehrere Gründe, die zusammenwirken. In den vergangenen vier Jahren beschäftigte sich die Partei mit sich selbst und ihren internen Auseinandersetzungen. Wäre die Linke der Gastgeber einer Party, hätte sie sich darum gestritten, ob Bier oder Wein serviert wird, und am Ende hätten die Gäste auf dem Trockenen gesessen. Dass Wagenknecht, die gewiss nicht zimperlich ist, darüber ausbrannte und sich von der Fraktionsführung zurückzog, war das offenkundigste Zeichen der Reiberei.

    Sahra Wagenknecht zog sich aus der Fraktionsspitze zurück, ist aber immer noch der Star der Partei. Und die macht Wahlkampf für die Linke.
    Sahra Wagenknecht zog sich aus der Fraktionsspitze zurück, ist aber immer noch der Star der Partei. Und die macht Wahlkampf für die Linke. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Ein anderer Grund für die Schwäche der Linken ist der Aufstieg der AfD, der ihr vor allem im Osten die Rolle als Protestpartei weggenommen hat. Spitzenkandidat Bartsch will den alten Umhang dennoch nicht wieder überstreifen. Er erinnert an die 90er Jahre, als die Linke zwar im Osten teilweise 20 Prozent holte, aber dennoch nur 1998 ganz knapp mit 5,1 Prozent den Einzug in das Parlament schaffte. „Erst mit der Gründung der Linkspartei haben wir die Chance ergriffen, eine gesamtdeutsche Partei zu werden“, sagt der 63-Jährige. Fundamentalopposition hält er für sinnlos. Die Partei regiert und regierte über die Jahre in vielen Landesregierungen mit, stellt in Thüringen sogar den Ministerpräsidenten.

    Der entscheidende Grund für die Schwäche der Linken ist, dass die, denen sie Stimme sein will, nicht zur Wahl gehen. Oder zumindest weniger zuverlässig als die Gutsituierten. Eine noch recht frische Analyse der Bertelsmann-Stiftung sagt voraus, dass die Wahlbeteiligung der wirtschaftlichen Unterschicht am 26. September um bis zu 40 Prozent unter der der Oberschicht liegen wird. Bei der Wahl im Jahr 2017 hatte die AfD Nichtwähler zurück in die Wahllokale geholt. Wegen der Corona-Pandemie erwarten die Forscher aber eine Wahl-Müdigkeit, die bei den Ärmeren stärker durchschlagen werde.

    Protestpartei gegen die ökonomischen Verhältnisse

    Bartsch räumt ohne Umschweife ein, dass das ein Problem für seine Partei ist. Er lehnt sich im Stuhl zurück, streckt die Beine durch. Der Fraktionschef war lange oberster Wahlkampf-Manager seiner Partei. Sie will versuchen, den Zorn der ökonomisch Abgehängten aufzufangen, ohne wie die AfD das ganze System zum Einsturz zu bringen. „Wir sind weiter Protestpartei gegen die herrschenden Verhältnisse“, sagt er und legt nach. „Das ist unser Job.“ Es ist ein Wahlkampf gegen die Schicht, der Uli Hoeneß angehört. Der Sozialismus fällt zwar aus, aber dafür soll der starke Staat zur mächtigen Umverteilungsmaschine von oben nach unten umgebaut werden.

    Höhere Löhne: SPD und Grüne fordern fordern die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, die Linke verlangt 13 Euro.
    Höhere Löhne: SPD und Grüne fordern fordern die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, die Linke verlangt 13 Euro. Foto: Jens Wolf, dpa

    Bei SPD und Grünen ist dieser Ansatz mehrheitsfähig. Der Mindestlohn soll mit den Linken auf 13 Euro angehoben werden, SPD und Grüne wollen 12. Die Linke plant eine Vermögensteuer, SPD und Grüne planen das auch. Die Linke will kleinere und mittlere Einkommen entlasten und Gutverdiener höher besteuern, SPD und Grüne haben das auch vor.

    Nato-Austritt keine Bedingung für Rot-Rot-Grün

    Und was ist mit der Außenpolitik, mit der Bundeswehr und der Nato? Bei diesem Punkt wird Bartsch energisch, aber nicht, weil er wortreich ausweicht, sondern weil er die aufgeregte Diskussion für schwer übertrieben hält. „Das ist mit Verlaub solch ein Blödsinn. Nie wird die Situation entstehen, dass wir einen Nato-Austritt zu einer Bedingung eines rot-rot-grünen Bündnisses machen würden“, sagt er.

    Die Nato-Mitgliedschaft Deutschlands gilt als der Zankapfel eines Linksbündnisses. Bartsch will den Austritt nicht zur Bedingung machen.
    Die Nato-Mitgliedschaft Deutschlands gilt als der Zankapfel eines Linksbündnisses. Bartsch will den Austritt nicht zur Bedingung machen. Foto: Torsten Kraatz, dpa

    Natürlich gibt es bei der Linken die Anhänger des reinen Pazifismus, aber es gibt ja Baldrian in Form von Zwischenstufen. Keine Exporte von Waffen mehr, Brunnenbaumissionen der Truppe, Begrenzung der Rüstungsausgaben. Der Hunger nach robusten Auslandseinsätzen dürfte nach dem Afghanistan-Debakel in den nächsten Jahren ohnehin gering sein.

    Die Auflösung der Nato bliebe als idealistisches Fernziel im Programm, so ähnlich wie die Morgenröte des Sozialismus. Und Olaf Scholz? Zu dem pflegt Bartsch ein gutes Verhältnis. Aber er sagt auch über den SPD-Kanzlerkandidaten: „Olaf Scholz will vermutlich am liebsten eine GroKo unter seiner Führung.“ Es könnte sein, dass die Linke so regierungswillig ist wie nie und trotzdem in der Opposition landet. Es könnte sein, dass sie den Wiedereinzug in den Bundestag verpasst. Dann wäre die Karriere von Dietmar Bartsch zu Ende, den viele in Berlin für einen respektablen Arbeitsminister halten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden