Die Diktatur Gaddafis ist vorbei in Libyen. Rebellen lehnten sich gegen die Unterdrückung und Folter auf. Doch jetzt dreht sich das Bild angeblich: Es wird weiter gefoltert, diesmal trifft es jedoch frühere Gaddafi-Anhänger.
Gaddafi-Anhänger werden angeblich zu Tode gefoltert
Drei Monate nach dem Tod von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi mehren sich die Berichte über Folter in Libyens Haftanstalten. Opfer dieser Praktiken werden demnach besonders Libyer und afrikanische Ausländer, die verdächtigt werden, das alte Regime im Bürgerkrieg unterstützt zu haben.
Anhänger des getöteten libyschen Ex-Machthabers Muammar al-Gaddafi werden nach Angaben von Ärzten und Menschenrechtlern in Gefangenenlagern in Libyen teilweise zu Tode gefoltert. Mehrere Gefangene seien gestorben, nachdem sie in den vergangenen Wochen in von Milizen kontrollierten Lagern gefoltert worden seien, teilte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Donnerstag mit.
Ärzte ohne Grenzen beendeten deshalb ihre Arbeit in Misrata
Folter und Misshandlung durch Militär- und Sicherheitskräfte sowie durch eine Vielzahl bewaffneter Milizen, die außerhalb der Legalität agierten, seien weit verbreitet. Mitarbeiter der Organisation trafen demnach Gefangene in den Großstädten Tripolis und Misrata sowie in kleineren Städten wie Gharijan, die deutliche Zeichen von erst kürzlich erlittener Folter aufwiesen.
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) beendete aufgrund der zahlreichen Fälle von Folter ihre Arbeit in der Küstenstadt Misrata. "Mitarbeiter haben festgestellt, dass Gefangene gefoltert werden und ihnen medizinische Hilfe vorenthalten wird", erklärte ein Sprecher. Die Ärzte seien zunehmend mit Patienten konfrontiert, die durch Folter bei Verhören zugefügte Verletzungen erlitten.
Ärzte sollen Folter-Opfer für weitere Befragung wieder fit machen
Muammar al-Gaddafi - Aufstieg und Fall des libyschen Despoten
Muammar Abu Minyar al-Gaddafi heißt der Mann, dessen langjährige Gewaltherrschaft sich das libysche Volk nicht mehr länger gefallen lassen wollte. Die Proteste im Februar 2011 haben einen blutigen Bürgerkrieg ausgelöst.
Gaddafi soll am 19. Juni 1942 in der Region Tripolitanien geboren und unter Beduinen aufgewachsen sein. Sein Jura- und Geschichtsstudium brach er für seine Offizierslaufbahn ab. Er war schon sehr früh von den nationalistischen Ideologien des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser angetan.
1963 begann Gaddafi seine Offizierslaufbahn an der Militärakademie und erwarb anschließend weitere militärische Qualifikationen in Großbritannien. 1966 rief er den "Bund freier Offizier" ins Leben.
Am 1. September 1969 verübte Gaddafi einen Militärputsch auf König Idris von Libyen und regiert das Land seit 1979 als Revolutionsführer. Korruption und Unterdrückung sind unter seiner Herrschaft an der Tagesordnung.
Der Revolutionsführer rief 1977 die "Sozialistische Libysch- Arabische Volks-Dschamahirija (Herrschaft der Massen)" aus. Bereits 1973 veröffentlichte Gaddafi seine "Dritte Universaltheorie" als Mittelweg zwischen Kommunismus und Kapitalismus.
1985 verhängen die USA wegen Libyens Verstrickung in den internationalen Terrorismus einen Wirtschaftsboykott.
1986: Die USA machen Gaddafi für einen Anschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" verantwortlich und bombardieren Tripolis.
270 Tote gibt es 1988 bei einer Explosion eines US-Jumbos über Lockerbie. Der UN-Sicherheitsrat verhängt 1991 Sanktionen gegen Libyen. Erst 2003 sagt Libyen für den Anschlag von Lockerbie die Zahlung von Entschädigungen zu; die UN heben die Sanktionen auf.
Im selben Jahr kündigt Gaddafi die Einstellung des libyschen Atomprogramms und die Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen an. Deshalb heben die USA 2004 ihre Handelsbeschränkungen auf.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vereinbart 2007 mit Gaddafi eine militärische und atomtechnische Kooperation. Anvisiert wird die Lieferung von Kampfjets und eines Atomkraftwerks. Auch die USA Kooperieren: 2007 schließen die USA mit Libyen ein Öl-Handelsabkommen.
2009 wird Gaddafi für ein Jahr Ratsvorsitzender der Afrikanischen Union und fordert die "Vereinigten Staaten von Afrika".
Nach Festnahme seines Sohns Hannibal in Genf wegen Misshandlung von Angestellten ruft Gaddafi 2010 um Dschihad gegen die Schweiz. Außerdem zahlt die EU Gaddafi 50 Millionen Euro, um den Zustrom afrikanischer Flüchtlinge über Libyen einzudämmen.
Am 15. Februar 2011 demonstrieren Tausende gegen Gaddafi. Seine Gefolgsleute richten später ein Blutbad unter Zivilisten an. Der folgende Bürgerkrieg läutet den Sturz des "Führers" ein.
Der Nationale Übergangsrat übernimmt die Regierungsgeschäfte in Libyen. Die Rebellen versuchen den früheren Machthaber Gaddafi zu fassen. Am 20. Oktober soll der Ex-Diktator während der Flucht aus seiner Heimatstadt Sirte getötet worden sein.
Diese Verhöre hätten außerhalb der Gefangenenlager stattgefunden. Einige Behördenvertreter hätten zudem versucht, die Arbeit der Organisation "zu instrumentalisieren oder zu behindern".
Die Helfer stellten nach eigenen Angaben bei insgesamt 115 Gefangenen, die sie behandelten, Verletzungen durch Folter fest. Ein MSF-Sprecher erklärte dazu: "Patienten wurden während der Verhöre zur Behandlung zu uns gebracht, um sie wieder fit zu machen für die Fortsetzung der Befragung. Das ist vollkommen inakzeptabel." MSF-Mediziner hätten die Verantwortlichen in Misrata sowie mehrere Regierungsvertreter über die Misshandlungen informiert. Dies sei jedoch ohne Wirkung geblieben.
Tausende Menschen sitzen in geheimen Gefangenenlagern
Zuvor hatten sich ranghohe UN-Beamte besorgt über sogenannte libysche Revolutionsgarden gezeigt. Diese seien für eine erneute Zunahme der Gewalt verantwortlich und hielten tausende Menschen in geheimen Gefangenenlagern fest.
In einem monatelangen Volksaufstand hatten Gaddafi-Gegner im vergangenen Jahr den Sturz des langjährigen Machthabers herbeigeführt. Militärische Unterstützung erhielten die Rebellen von der NATO, die auf Basis einer UN-Resolution in Libyen eingriff. Gaddafi wurde am 20. Oktober in seiner Heimatstadt Sirte getötet. afp