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Verwandtenaffäre: Last-Minute-Verträge: Winter zahlte für Söhne über 90.000 Euro zurück

Verwandtenaffäre

Last-Minute-Verträge: Winter zahlte für Söhne über 90.000 Euro zurück

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    Last-Minute-Verträge: Winter zahlte für Söhne über 90.000 Euro zurück
    Last-Minute-Verträge: Winter zahlte für Söhne über 90.000 Euro zurück

    In der Verwandtenaffäre des bayerischen Landtags hat Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) eine Liste mit  Abgeordneten vorgelegt, die kurz vor einem gesetzlichen Verbot Ende 2000 noch Arbeitsverträge mit engen Verwandten abgeschlossen haben. Im Jahr 2000 beschäftigten 16 Abgeordnete erstmalig Ehepartner oder Verwandte ersten Grades, wie Stamm am Dienstag in München mitteilte. Darunter waren zwölf CSU-Politiker, drei SPD-Abgeordnete sowie ein verstorbener Parlamentarier, über den keine genaueren Angaben gemacht wurden. In einigen Fällen drohen nun juristische Konsequenzen.

    Winter zahlte über 90.000 Euro zurück

    Daneben legte Stamm erstmals auch Zahlen zum Höchstädter CSU-Landtagsabgeordneten und zurückgetretenne Chef des Haushaltsausschusses Georg Winter (CSU) vor, der seine beiden zunächst minderjährigen Söhne zwischen 2000 und 2012 angestellt hatte. Demnach hat Winter mittlerweile 91.382 Euro an die Landtagskasse zurücküberwiesen - 45.879 Euro für den älteren, 45.503 Euro für den jüngeren Sohn. Winter stellte seine Söhne offenbar auch erst ein, als das Gesetz 2000 bereits in erster Lesung in den Landtag eingebracht war.

    Der zurückerstattete Betrag setzt sich aus den gezahlten Entgelten sowie Steuern und Sozialabgaben zusammen. Winters Söhne sollen in seinem Stimmkreisbüro im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung angestellt gewesen sein. Sie hätten zu Beginn ihrer Tätigkeit jeweils 100 Euro monatlich erhalten, später mehr, sodass über die 12 Jahre ein monatlicher Durchschnittlohn von 286 Euro zustande kam.

    Dass die Beschäftigung illegal war, hat das Landtagsamt bereits festgehalten; die Söhne des CSU-Abgeordneten waren zum Beginn der Tätigkeit im Jahr 2000 erst 13 und 14 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen Winter. Er selbst betonte zuletzt mehrfach, er habe damals keine rechtlichen Bedenken gehabt.

    Abgeordnete wegen Last-Minute-Verträgen in der Kritik

    Seit Dezember 2000 verbietet ein Gesetz die Beschäftigung von  Ehepartnern sowie von Verwandten ersten Grades wie Kindern. Ausgenommen waren allerdings bis dahin bestehende Verträge. Deshalb wurde immer wieder darüber diskutiert, ob und wie viele Abgeordnete  kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes neue Verträge abgeschlossen hatten. Bislang wurde vermutet, im Jahr 2000 hätten noch 34 Abgeordnete neue Verträge abgeschlossen.

    Diese Vermutung ergab sich daraus, dass von insgesamt 79 Altfällen 45 im Jahr 1999 bekannt waren. Landtagspräsidentin Stamm verwies dazu darauf, dass der Landtag im Jahr 1999 nur Auskunft über die bereits 1998 bestehenden  Beschäftigungsverhältnisse geben konnte. Zudem sei eine genaue  Aussage über den erstmaligen Abschluss eines Vertrages aus den beim Landtagsamt befindlichen Akten nicht möglich.

    In vier Fällen droht ein juristisches Nachspiel

    In vier Fällen möglicher Rechtsverstöße drohen nun juristische Konsequenzen. So prüft die Münchner Staatsanwaltschaft, ob auch gegen die Schlagersängerin und Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Claudia Jung, Ermittlungen eingeleitet werden. Sie hatte im vergangenen Jahr für einige Monate ihren Stiefsohn - einen Verwandten ersten Grades - beschäftigt, was verboten ist. "Die Staatsanwaltschaft hat auch hier einen Prüfvorgang angelegt", sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch am Dienstag.

    Chronologie: Wie das Verwandtengesetz zustande kam

    15. März 1999: Eine vom Landtag eingesetzte Diätenkommission erklärt in einem Gutachten: „Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit den Abgeordneten verheiratet oder verschwägert sind, sind unzulässig.

    7. Juli 1999: Eine interfraktionelle Arbeitsgruppe nimmt das Gutachten zur Kenntnis.

    23. November 1999: Der Haushaltsausschuss beschließt einstimmig, dass die Abgeordneten für die Beschäftigung von Mitarbeitern künftig 8110 Mark im Monat beantragen können – 2575 Mark mehr als bisher. Gleichzeitig wird festgestellt, dass es weiterhin möglich sein soll, Verwandte auf Staatskosten als Mitarbeiter anzustellen. Die Mitglieder der Diätenkommission erfahren von den Beschlüssen aus der Zeitung. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der CSU-Politiker Manfred Ach (Würzburg), gehört selbst zu den 45 Abgeordneten, die ihre Ehefrau beschäftigten. Auf Anfrage gibt er sich nachdenklich: „Ich habe mir schon überlegt, ob ich das mit meiner Ehefrau ändere.“

    25. November 1999: Der Bund der Steuerzahler übt massive Kritik an Bayerns Abgeordneten. „Sie schaden dem Ansehen der Politik“, sagt Verbandspräsident Rolf von Hohenhau und kritisiert auch die Höhe der Mitarbeiterentgelte als „absolut überzogen“.

    30. November 1999: Im Präsidium des Landtags spricht sich Landtagspräsident Johann Böhm (CSU) für die Beibehaltung der Beschäftigung von Familienangehörigen aus.

    3. Dezember 1999: Die Diätenkommission klagt, sie sei vom Parlament bewusst umgangen worden, und droht schriftlich mit Rücktritt, falls sich ein derartiges Verfahren wiederhole. Das Landtagsamt spricht von einem „Kommunikationsversehen“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Herbert Müller (Memmingen), verteidigt die Erhöhung der Mitarbeiterentschädigung: „Es geht dabei ja nicht um Einkommen der Abgeordneten.“ Die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, Elisabeth Köhler (Schwabmünchen), sagt, die Fraktionen seien bereit, sich über die problematische Familienmitarbeit im Frühjahr mit der Diätenkommission zu unterhalten.

    6. Dezember 1999: Kommissionspräsident Johann Schmidt bekräftigt in einem Interview seinen Standpunkt: „Die Diätenkommission hat es gestört, dass kein Verbot existiert, Ehegatten oder auch andere Verwandte zu beschäftigen. Es kann nicht sein, dass das Geld zur Aufbesserung des Familieneinkommens dient. Das ist nicht gerechtfertigt.“ Der Unterschied zu anderen Berufen liegt seiner Ansicht nach auf der Hand: Rechtsanwälte oder Schneidermeister, die ihre Frauen anstellen, müssten das Geld dafür erst einmal selbst verdienen.

    9. Dezember 1999: Die Parteien im Landtag sind gespalten, auch innerhalb der Fraktion. Die unterfränkischen Abgeordneten Manfred Ach (CSU) und Volker Hartenstein (Grüne) verteidigen die Beschäftigung ihrer Ehefrauen. Es sei völlig legal, spare dem Staat Geld und nutze, weil die Ehefrauen auch abends oder am Wochenende zur Verfügung stehen, letztlich auch den Bürgern. Emma Kellner (Grünen) dagegen sagt: „Es wäre fatal, wenn in der berechtigten Forderung nach einer qualifizierten Zuarbeit für Parlamentarier ein Beigeschmack von Vetternwirtschaft und Abzockerei mitschwingt.“ Im Präsidium regen die Grünen an, die Bundestagsregelung (Abrechnungsverfahren durch das Amt, keine Beschäftigung von Familienangehörigen) zu übernehmen. Die SPD spricht sich für eine Beibehaltung der Verwandtenbeschäftigung, aber gegen die Neubegründung solcher Arbeitsverhältnisse aus.

    10. Dezember 1999: Die Grünen streiten heftig über ihren Kurs. CSU-Fraktionschef Alois Glück verteidigt die Beschäftigung von Verwandten. Er könne nicht erkennen, was daran verdächtig sein soll. Otmar Bernhard (CSU) sagt: „Es gibt keinen einzigen Hinweis auf Missbrauch.“

    19. Dezember 1999: Der Abgeordnete Hartenstein verlässt nach dem Streit um die Beschäftigung seiner Frau die Grünen.

    25. Januar 2000: CSU und SPD sprechen sich im Präsidium für die Beibehaltung der Verwandtenbeschäftigung aus. Die Grünen sind dagegen. Sie haben einen Gesetzentwurf eingebracht mit dem Ziel, die Beschäftigung von Familienangehörigen zu verbieten.

    13. März 2000: Die interfraktionelle Arbeitsgruppe trifft sich mit der Diätenkommission.

    21. März 2000: Landtagspräsident Böhm sichert der Diätenkommission zu, die Verwendung der Mitarbeiterentschädigung genauer zu kontrollieren.

    17. Mai 2000: In der interfraktionellen Arbeitsgruppe wird erstmals über den Vorschlag gesprochen, eine Übergangsregelung für bestehende Arbeitsverträge zu beschließen.

    5. Juli 2000: Die interfraktionelle Arbeitsgruppe empfiehlt ein Verbot der Beschäftigung von Verwandten und Verschwägerten ersten Grades nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes. Bestehende Arbeitsverhältnisse sollen allerdings gültig bleiben.

    28. September 2000: Nachdem die Grünen in den Kompromiss eingewilligt haben, wird ein gemeinsamer Gesetzentwurf aller drei Fraktionen in den Landtag eingebracht.

    9. November 2000: In der Schlussberatung im Verfassungsausschuss wird noch ein früheres Inkrafttreten des Gesetzes befürwortet. Damit werde verhindert, sagt der SPD-Abgeordnete Harald Güller (Kreis Augsburg), dass noch kurzfristig Arbeitsverhältnisse eingegangen werden.

    29. November 2000: Der Landtag verabschiedet das Gesetz mit den Stimmen von CSU, SPD und Grünen. Die einzige Gegenstimme kommt vom fraktionslosen Abgeordneten Hartenstein.

    1. Dezember 2000: Das Gesetz tritt in Kraft. Die Zahl der Abgeordneten, die nahe Angehörige beschäftigen, hat sich in der Zwischenzeit angeblich um 34 auf 79 erhöht. Öffentlich bekannt wurde das erst im Jahr 2013.

    Bisher prüft die Staatsanwaltschaft bereits die Einleitung von Ermittlungen gegen den SPD-Abgeordneten Harald Güller. Zudem ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft Augsburg förmlich gegen den früheren CSU-Fraktionschef Georg Schmid wegen des Verdachts, dass er seine Frau als Scheinselbstständige beschäftigte. drs, afp, dpa

    Die Namen auf der Liste

    Georg Winter (CSU): Sohn 1 ab 01.11.2000, Sohn 2 ab 01.11.2000

    Gerhard Eck (CSU): Ehefrau ab 01.09.2000

    Johann Neumeier (CSU): laut Beleg MdL Ehefrau ab 01.01.1993 beschäftigt, Tochter nach Unterlagen ab 01.09.2000 beschäftigt

    Bernd Sibler (CSU): Ehefrau ab 01.09.2000

    Dieter Appelt (SPD): Ehefrau ab 01.08.2000, MdL seit 01.07.2000

    Alexander König (CSU): Ehefrau von 01.12.1998 bis 31.12.1999 sowie wieder ab 1.8.2000

    Hans Stockinger (CSU): Tochter 1 ab 28.06.2000, Tochter 2 ab 28.06.2000, Ehefrau laut Beleg schon seit 1990 beschäftigt

    Eduard Nöth (CSU): Ehefrau ab 30.9.1998, eine Tochter ab 30.12.1998 und weitere Tochter ab 30.04.2000 beschäftigt

    Heinz Köhler (SPD): Ehefrau ab 01.04.2000

    Berta Schmid (CSU): nach Angabe MdL Ehegatte seit 1995 beschäftigt, Tochter bis 30.04.2000, Sohn ab 01.05.2000

    Peter Weinhofer (CSU): nach Angabe MdL Ehefrau seit 1999 beschäftigt, Tochter seit 30.03.2000

    Helmut Brunner (CSU): Ehefrau 01.01.2000

    Josef Göppel (CSU): Ehefrau ab 01.01.2000, Tochter 1 und Tochter 2 ab 01.01.2000

    Gudrun Peters (SPD): Sohn ab 01.01.2000 bis 31.03.2001

    Rita Schweiger (CSU): Ehemann nach Angabe MdL von 01.01.1998 bis 01.04.1999, wieder ab 01.01.2000

    Ein verstorbener MdL: keine weiteren Angaben

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