Karlsruhe (AZ) - Es ist ein später Sieg des Rechtsstaats. Fanatisch und skrupellos bekämpfte Christian Klar vor drei Jahrzehnten das "System" - nun gibt ihm ebenjener Staat die Freiheit wieder.
Kühl und korrekt hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart den einstigen RAF-Terroristen als ungefährlich eingestuft, und sogar die Bundesanwaltschaft, deren Chef 1977 mit Klars Hilfe ermordet worden war, befürwortete seine Freilassung. Am 3. Januar des neuen Jahres darf der 56-Jährige die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlassen - nach 26 Jahren Haft. Kein RAF-Terrorist büßte länger.
Eigentlich ist es Justizroutine: Die Mindesthaftzeit von 26 Jahren, die ihm das OLG einst als Sühne für seine Verbrechen auferlegt hatte, ist abgelaufen. Danach zählt nur noch die Rückfallgefahr, genauer: "ob von Christian Klar künftig erneut erhebliche Straftaten zu befürchten sind", schreibt das OLG - und fügt lapidar hinzu: "Dies hat der Senat verneint."
Doch es gibt auch Kritik an Klars Freilassung. GdP-Chef Konrad Freiberg nannte es schwer zu ertragen, dass ein offenbar noch so in der eigenen Vergangenheit verhafteter Mörder nun die Segnungen des Rechtsstaates genießen dürfe, den er so gnadenlos bekämpft habe. "Als Polizist, der die Zeit des RAF-Terrorismus miterlebt hat und mit ansehen musste, wie Menschen auf brutalste Weise getötet und schwer verletzt wurden, verspüre ich heute tiefe Bitternis."
Aus Protest gegen die OLG-Entscheidung gab derweil der Co-Pilot der 1977 entführten Lufthansa-Maschine "Landshut", Jürgen Vietor, laut "Bild"-Zeitung (Dienstagsausgabe) sein Bundesverdienstkreuz zurück. Klars Freilassung verhöhne "alle Opfer der RAF, seien sie tot oder noch am Leben", zitierte das Blatt aus einem Brief Vietors an Köhler. Vietor hatte nach der Ermordung des "Landshut"-Kapitäns Jürgen Schumann die Maschine mit 86 Passagieren und drei Stewardessen an Bord von Aden im Jemen zur somalischen Hauptstadt Mogadischu geflogen, wo die Geiseln von der Antiterroreinheit GSG 9 befreit wurden.