Als die Deutschen vor fast 25 Jahren auf der Berliner Mauer tanzen, feiern sie auch das Ende des Kalten Krieges. Das Symbol des Ost-West-Konfliktes wird eingerissen. Nur ein paar Meter davon bleiben übrig – zu Museumszwecken. Ein Vierteljahrhundert später weht der Hauch eines neuen Kalten Krieges durch Europa. Moskau und der Westen stehen sich so unversöhnlich gegenüber wie lange nicht. Und wieder ist es eine Mauer, die den Konflikt symbolisieren soll.
Der Bauherr des Bollwerks heißt Petro Poroschenko. Und anders als sein historischer Vorgänger Walter Ulbricht in der DDR macht der Präsident der Ukraine kein Geheimnis aus seinen Plänen. Zur Erinnerung: Ulbricht beteuert noch am 15. Juni 1961: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ Keine zwei Monate später beginnen die Bauarbeiten mitten in Berlin. Die Mauer wird Deutschland für mehr als 28 Jahre teilen.
Schutz vor "Aggressoren" aus dem Nachbarland
Poroschenko hält offenbar nicht viel von einer solchen Überraschungstaktik Marke Ulbricht. Anfang der Woche sagt er, der Mauerbau an der Grenze zu Russland sei bereits im Gange. Das ukrainische Fernsehen zeigt Bilder von Menschen, die Stacheldraht entrollen. Im sozialen Netzwerk Facebook melden sich tausende Freiwillige, die beim Projekt „Stena“ („Mauer“) mithelfen wollen. Schon in einem halben Jahr soll die Befestigungsanlage stehen. Und Regierungschef Arseni Jazenjuk verkündet nicht ohne Pathos: „Dies ist der Aufbau einer echten Grenze zwischen der Ukraine und Russland“. Die Mauer werde das Volk künftig vor den „Aggressoren“ aus dem Nachbarland schützen.
Eine teure Angelegenheit - das Geld fehlt
Über zwei Meter hoch und mehr als 2000 Kilometer lang soll die Grenzanlage werden – eine Mischung aus Stacheldraht und Metallzäunen, die teilweise unter Strom gesetzt werden können. Nach einer Schätzung der Regierung kostet das Ganze 100 Millionen Euro. Das wären nicht einmal 50 Euro für einen Meter. Tatsächlich dürfte der Bau – sofern er denn zu Ende geführt wird – also viel teurer werden. Zumal Poroschenko eine Anlage auf „dem neuesten Stand der modernen Verteidigungswissenschaft“ verspricht.
Wie die Ukraine das gigantische Bauwerk, zu dem auch ein 1500 Kilometer langer Graben, zahlreiche Minenfelder und rund 8000 Stellungen für Militärposten gehören, bezahlen will, ist unklar. Schließlich steht das Land schon jetzt am Rande des Staatsbankrotts. An allen Ecken und Enden fehlt Geld. Die Soldaten, die im Osten gegen prorussische Separatisten kämpfen, klagen ständig über ihre schlechte Ausrüstung.
Wirkungsvoller Schutz gegen bewaffnete Kräfte?
Abgesehen von den Kosten bleibt die Frage, ob man eine derart lange und unübersichtliche Grenze überhaupt unüberwindbar machen kann? Der Kiewer Wissenschaftler Nikolaj Sungurowsky hat da erhebliche Zweifel: „Solche Anlagen stoppen illegale Einwanderer, Migranten und Terroristen, aber sie helfen nicht gegen bewaffnete Kräfte“, sagt er Spiegel online.
Klitschko: Das "Know-how" der Deutschen als Hilfe
Vitali Klitschko sieht das anders. Der frühere Boxer und heutige Bürgermeister von Kiew ist ein Befürworter des Bollwerks gegen Russland und bittet den Westen um Hilfe. „Wir würden uns richtig freuen, Unterstützung von allen Freunden der Ukraine zu bekommen“, sagt Klitschko. Deutschland könne doch, neben Geld natürlich, sein „Know-how“ zur Verfügung stellen, findet der Politiker.
Als die Deutschen in Berlin auf der Mauer tanzten, war Klitschko 18 Jahre alt. Er scheint sich nicht daran zu erinnern. Immerhin, sein Sprecher bemüht sich gestern Abend um Schadensbegrenzung nach dem Motto: War nicht so gemeint.