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Kampf gegen Terrorismus: Kabinett will Reisemöglichkeiten von Dschihadisten eingrenzen

Kampf gegen Terrorismus

Kabinett will Reisemöglichkeiten von Dschihadisten eingrenzen

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    Auch Extremisten aus Deutschland ziehen in den Dschihad in Syrien und dem Nordirak. Das Bundeskabinett will nun schärfer gegen Terror-Verdächtige vorgehen.
    Auch Extremisten aus Deutschland ziehen in den Dschihad in Syrien und dem Nordirak. Das Bundeskabinett will nun schärfer gegen Terror-Verdächtige vorgehen. Foto: Islamic State Video/Archiv (dpa)

    Auch in Deutschland leben Dschihadisten, die sich von der Bundesrepublik aus nach Syrien oder in den Nordirak aufmachen. Genau um diese Extremisten sorgen sich deutsche Staatsbehörden bereits seit Monaten. Am Mittwoch wurde vom Bundeskabinett ein neues Strafgesetz beschlossen, dass ihre Aktivitäten unterbinden soll. Damit werde Deutschland künftig eines der schärfsten Terrorismus-Strafgesetze in ganz Europa haben, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Schon der Ausreise-Versuch könnte demnach bereits strafbar sein.

    Dschihadisten sollen künftig an der Ausreise gehindert werden

    Unter welchen Umständen machen sich Extremisten künftig strafbar?

    Mit der Neuregelung soll belangt werden können, wer "zum Zwecke der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Straftat" ins Ausland reist - oder dies versucht. Von der Neuregelung sollen sowohl schwere Gewalttaten selbst als auch die Ausbildung dazu erfasst werden. Die Ausbildung in Terrorcamps ist zwar auch derzeit bereits strafbar, allerdings beinhaltet die jetzige Regelung hohe Hürden für eine Verurteilung.

    Wie soll die Absicht zu Anschlägen nachgewiesen werden?

    Für die Ermittler wird es kein leichtes Unterfangen sein, die Täter nach dem neuen Gesetz dingfest zu machen. Denn selbstverständlich sind Reisen nach Syrien oder in den Nordirak nicht per se verboten - deshalb muss nach dem neuen Gesetz nachgewiesen sein, dass die Reise einem Anschlag oder dessen Vorbereitung dient. Hinweis dafür kann es zum Beispiel sein, wenn ein junger Mann eine solche Tat im Internet ankündigt - oder in einem Abschiedsbrief an seine Familie.

    Das ist die Organisation IS

    IS ist eine islamistische Organisation. Sie hat das Ziel, einen Islamischen Staat zu errichten. Dieses Kalifat soll die Länder Syrien und Irak, aber auch den Libanon, Israel und Jordanien miteinander vereinen.

    IS steht für Islamischer Staat. Gebräuchlich ist auch die Abkürzung ISIL, das steht für Islamischer Staat im Irak und in der Levante oder ISIS für Islamischer Staat im Irak und in Syrien.

    Ihr Ziel verfolgen die Anhänger der Organisation mit militärischen Mitteln und brutalster Gewalt, darunter Bombenattentate, Folter, und Hinrichtungen von Zivilisten.

    IS kämpft an vielen Fronten. Die Terrorgruppe geht bewaffnet gegen die Regierungen in Syrien und im Irak vor, führt Krieg gegen schiitische Gläubige und vermeintliche sunnitische Kollaborateure.

    Die IS hat ihre Wurzeln in der Widerstandsbewegung gegen die Besetzung des Iraks nach dem Irakkrieg 2003.

    Die Gruppe profitierte 2013 vom Machtkampf der von Schiiten dominierten Regierung in Bagdad mit Sunniten und beherrscht inzwischen weite Teile des Iraks.

    Im syrischen Bürgerkrieg hat Isis vor allem im Nordosten des Landes die Kontrolle erlangt. Dort griff die Gruppe kurdische Städte an und massakrierten Zivilisten.

    In den besetzten Gebieten verordnen die Dschihadisten der Bevölkerung strenge Regeln. So sollen Frauen die Häuser nur noch verlassen, wenn es unbedingt notwendig ist. Alkohol und Rauchen ist verboten, ebenso Veranstaltungen und freie Presse.

    Im April 2014 sagte sich IS von Al-Kaida los. Deren Führung habe sich von den Grundsätzen des "Heiligen Krieges" entfernt, hieß es.

    Wie viele Menschen sich IS angeschlossen haben, ist unklar. Schätzungen sprechen von bis zu 15.000 Kämpfern.

    Anführer der Bewegung ist seit Mai 2010 Abu Bakr al-Baghdadi. Die USA führt ihn als einen der meistgesuchten Terroristen der Welt.

    IS wirbt im Internet aktiv um Kämpfer aus Europa. «Isis macht eine sehr gute Öffentlichkeitsarbeit», sagte der EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung, Gilles de Kerchove. Die Islamisten hätten sogar Kameras auf ihre Kalaschnikows geschraubt, um ihre Operationen in Echtzeit im Internet zu übertragen.

    Finanziert wurde IS zu Beginn von saudischen und katarischen Gönnern. Mittlerweile hat die Organisation mit mafiösen Methoden eigene Einnahmequellen erzeugt, etwa mit dem Schmuggel von Öl.

    Im Einzelfall dürfte der Nachweis aber schwierig werden. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) warnt daher auch vor "juristischen Auseinandersetzungen über subjektive Tatbestandsmerkmale". Denn Absichten oder Motive "spielen sich nun einmal nur im Kopf potenzieller Täter ab", betont DPolG-Chef Rainer Wendt. Gerade Dschihadisten, die ihre Pläne für sich behalten, werden kaum zu überführen sein.

    Reisen zu terroristischen Zwecken sollen in Zukunft erfasst werden

    Welchen Nutzen hat das neue Gesetz für den Kampf gegen den Terrorismus?

    Auch wenn ein konkreter Tatnachweis mit dem neuen Strafrechtsparagrafen oft schwer fallen wird, so gibt er den Ermittlern doch wichtige Instrumente an die Hand. Denn sie können bei einem Verdächtigen Überwachungsmaßnahmen einleiten oder ihn an der Grenze festnehmen, wenn er ausreisen will. So können sie auch Erkenntnisse über weitere Beteiligte erlangen.

    Wie sieht die Neuregelung zur Terrorismusfinanzierung aus?

    Ein neuer Straftatbestand soll jegliche Sammlung, Entgegennahme oder Bereitstellung von Vermögenswerten unter Strafe stellen, wenn mit ihnen terroristische Aktivitäten finanziert werden sollen. Bisher war dies nur strafbar, wenn es um "nicht unerhebliche Vermögenswerte" ging. Künftig können auch kleinere Beträge geahndet werden. Außerdem werden künftig mehr Taten erfasst, wie etwa das Reisen zu terroristischen Zwecken.

    Kabinett will Dschihadisten Personalausweis entziehen

    Welche rechtliche Bedenken gibt es gegen die Neuregelung?

    Durch die Neuregelung werde die Strafbarkeit von Terror-Unterstützung noch diffuser, moniert der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. "Dies verletzt den Verfassungsgrundsatz, dass die Bürger strafbares und legales Verhalten eindeutig unterscheiden können müssen." Auch der Linken-Politiker Jan Korte warnt davor, Freiheitsrechte leichtfertig zu opfern. Die bestehenden Regelungen seien ausreichend.

    Unter welchen Umständen kann Extremisten künftig der Personalausweis entzogen werden?

    Die islamistische Szene in Deutschland

    Der Verfassungsschutz rechnet mehr als 43 000 Menschen zur islamistischen Szene in Deutschland.

    Diese ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen - vor allem durch den starken Zulauf bei der Gruppe der Salafisten, einer besonders konservativen Strömung innerhalb des Islam.

    Rund 7000 Leute werden inzwischen der Salafisten-Szene zugerechnet. 2011 waren es noch etwa halb so viel. Besonders stark sind die Salafisten in Nordrhein-Westfalen vernetzt.

    Dschihadisten: Mehr als 550 radikale Islamisten aus Deutschland sind bislang in das Kampfgebiet nach Syrien und in den Irak ausgereist.

    Die Zahl geht seit langem kontinuierlich nach oben. Viele haben sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Etwa 180 der Ausgereisten sind inzwischen wieder in Deutschland.

    Aber nur von einem kleinen Teil davon - etwa 30 Personen - ist bekannt, dass sie aktiv am bewaffneten Konflikt beteiligt waren. Rund 60 Islamisten aus Deutschland sind laut Verfassungsschutz in Syrien und dem Irak gestorben.

    Mindestens zehn sprengten sich bei Selbstmordanschlägen in die Luft. Dies sind aber nur die bekannten Fälle.

    Gefährliche Islamisten: Die Sicherheitsbehörden stufen viele Islamisten als gefährlich ein. Etwa 1000 Menschen in Deutschland werden dem «islamistisch-terroristischen» Spektrum zugeordnet.

    Darunter sind 260 sogenannte Gefährder, also Menschen, denen die Polizei zutraut, dass sie einen Terrorakt begehen könnten.

    Die Zahl ist so hoch wie nie zuvor. Zum Teil sind auch Rückkehrer aus Dschihad-Gebieten darunter. Diese machen den Sicherheitsbehörden große Sorgen, weil sie oft radikalisiert zurückkommen - und zum Teil kampferprobt. (dpa)

    Die vom Kabinett im Januar bereits gebilligte Neuregelung sieht die Möglichkeit vor, Dschihadisten den Personalausweis wegzunehmen, um sie an der Ausreise in die Kampfgebiete zu hindern. Die Betroffenen sollen ein Ersatzdokument erhalten, das sie nicht zur Ausreise berechtigt. Der Ausweis kann für eine Dauer von bis zu drei Jahren ausgestellt werden. Verdächtigen kann bislang bereits der Reisepass entzogen werden. Es sind aber Fälle bekannt geworden, in denen Dschihadisten trotzdem mit dem Personalausweis aus Deutschland ausgereist sind. afp

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