Angesichts der Sorgen über die italienische Schuldenkrise hat Regierungschef Mario Monti versichert, niemand in der Eurozone müsse sich vor Italien fürchten. Trotz seiner Haushaltsprobleme sei Italien "nicht ansteckend für die Eurozone", sagte Monti nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in Berlin. Merkel würdigte ihrerseits die Reform- und Sparbemühungen der neuen Regierung in Rom.
Deutschland könne damit rechnen, dass Italien genauso wie andere Länder "seinen Beitrag zur Stabilität und Entwicklung Europas" leiste, versicherte Monti. Bei ihrem Gespräch habe er Merkel den "Seelenzustand der Italiener" erläutert. Die Reaktion seiner Landsleute auf die "teils sehr harten" Sparmaßnahmen der Regierung sei "ein Zeichen der Reife". Dafür wolle er jedoch keine Anerkennung: Italien spare nicht für Europa, sondern in seinem eigenen Interesse.
Merkel sagte, es sei ausgesprochen wichtig, dass jeder seinen Beitrag zur Stabilisierung des Euro leiste.
Seitdem Monti im Amt ist: Italien hat bemerkenswerte Maßnahmen eingeleitet
Italien habe seit dem Regierungsantritt Montis "außerordentlich wichtige und bemerkenswerte Maßnahmen" eingeleitet, was "die Haushaltskonsolidierung und die Strukturreformen" angehe. Sie verfolge "mit großem Respekt", wie schnell das umgesetzt werde. "Ich glaube, dass die Arbeit der italienischen Regierung auch honoriert wird", sagte die Kanzlerin.
Zu dem von den Euro-Ländern im Dezember im Grundsatz beschlossenen Fiskalpakt sagte Merkel, es gebe "gute Aussichten", dass beim nächsten Gipfeltreffen am 30. Januar "große Fortschritte" oder womöglich sogar ein Beschluss erzielt würden. Der Gipfel solle sich zudem mit der Frage befassen, "wie wir Wachstum und Beschäftigung in Europa voranbringen können", sagte Merkel. Viele EU-Mitglieder fordern von Deutschland, statt nur zu sparen, auch vermehrt in wachstumsfördernde Maßnahmen zu investieren.
Finanztransaktionssteuer ist wie das Ungeheuer von Loch Ness
Das ist die Finanztransaktionssteuer
Seit der Finanzkrise wird über das Für und Wider einer Steuer auf Finanztransaktionen gestritten.
HAUPTZIELE: Die EU-Kommission und die weiteren Unterstützer wollen mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer überbordende Spekulationsgeschäfte eindämmen: Die durch Computerprogramme beschleunigten Finanzmarkträder sollen gebremst werden.
Außerdem sollen die Finanzakteure, speziell die Banken, in Zeiten der Finanzkrise selbst zur Kasse gebeten werden.
WAS SOLL BESTEUERT WERDEN: Grundsätzlich sollen alle Finanztransaktionen querbeet erfasst werden.
Die Finanzunternehmen sollen für die Zahlung der Steuer verantwortlich gemacht werden, Einzelpersonen nur in bestimmten Fällen.
AUSGENOMMEN: Konsumentenverträge - beispielsweise Versicherungen, Hypotheken, Kredite - sollen nicht unter die neue Steuer fallen.
Und die Emissionsmärkte (Primärmärkte) von Anleihen und Währungen sollen nicht besteuert werden, um die Kapitalbeschaffung von Regierungen und Unternehmen nicht zu erschweren.
WAS SOLL SIE EINBRINGEN: Laut EU-Kommission könnte eine EU-weite Steuer jährlich rund 55 Milliarden Euro einbringen, allerdings inklusive des großen Handelsplatzes London.
EINFÜHRUNG: Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll die Steuer am 1. Januar 2014 in Kraft treten.
Nach Merkels Willen sollen die EU-Finanzminister bis März einen endgültigen Vorschlag für die Steuer machen.
Zur umstrittenen Einführung der Finanztransaktionssteuer sagte Monti, schon vor Jahrzehnten habe sein Professor James Tobin, der die Idee für die Steuer entwickelte, diese mit dem Ungeheuer von Loch Ness verglichen: Sie tauche immer wieder auf und verschwinde dann wieder. Seine Regierung habe seit ihrem Amtsantritt aber die ablehnende Haltung der Vorgängerregierung überdacht und befürworte nun die Einführung auf Ebene der Europäischen Union.
Monti hielt sich am Mittwoch zu seinem Antrittsbesuch in Berlin auf. Der ehemalige EU-Kommissar hatte das Amt des Regierungschefs in Rom im November angetreten, nachdem sein Vorgänger Silvio Berlusconi wegen seines Managements der Schuldenkrise zurücktreten musste. Die italienischen Staatsschulden belaufen sich auf 1900 Milliarden Euro, was rund 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) entspricht.
Wie die italienischen Behörden am Mittwoch mitteilten, sank das Haushaltsdefizit dank des strengen Sparkurses der Regierung im dritten Quartal 2011 auf 2,7 Prozent des BIP. Im Jahr zuvor hatte es in diesem Zeitraum noch bei 3,5 Prozent gelegen. Ob der Sparkurs auch an den Finanzmärkten honoriert wird, wird sich schon bald zeigen. Allein im ersten Quartal des Jahres muss Italien Kredite von rund 150 Milliarden Euro aufnehmen. afp