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NPD-Verbot: Ist die NPD wirklich zu klein, um gefährlich zu sein?

NPD-Verbot

Ist die NPD wirklich zu klein, um gefährlich zu sein?

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    Die NPD ist auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit (Symbolbild).
    Die NPD ist auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit (Symbolbild). Foto: Matthias Balk/dpa

    Karlsruhe hat gesprochen – der Fall ist erledigt. Die rechtsextremistische NPD bleibt erlaubt, einen Antrag der Bundesländer auf ein Verbot lehnten die Hüter der Verfassung ab.

    Hintergrund: NPD-Verbot

    Das Thema NPD-Verbot beschäftigt die deutsche Politik und Justiz schon lange. 2003 scheiterte am Bundesverfassungsgericht ein zwei Jahre zuvor eingereichter Antrag aus formalen Gründen...

    ... Nun wird das Gericht am Dienstag sein Urteil zu einem zweiten Antrag verkünden, den 2013 allein die Bundesländer stellten. In Bundes- und Landespolitik wird aber mittlerweile davon ausgegangen, dass auch auch dieser Antrag scheitern könnte. Ein Überblick:

    30. Januar 2001: Nach monatelangen Debatten reicht die damalige rot-grüne Bundesregierung einen Antrag auf Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht ein. Am 30. März folgen auch Bundestag und Bundesrat mit eigenen Anträgen.

    18. März 2003: Das Bundesverfassungsgericht stellt das Verfahren ein, ohne die Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD zu prüfen. Zuvor wurde bekannt, dass V-Leute des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der NPD tätig waren.

    9. Dezember 2011: Die Innenministerkonferenz der Länder beschließt, die Chancen eines neuen NPD-Verbotsantrag zu prüfen. Dem ging die Aufdeckung der rechtsextremen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) voraus, was der nie verstummten Verbotsdebatte neue Nahrung gab. 

    5. Dezember 2012: Die Innenministerkonferenz der Länder plädiert für ein neues Verbotsverfahren. Einen Tag später folgt die Ministerpräsidentenkonferenz dieser Empfehlung.

    14. Dezember 2012: Der Bundesrat beschließt mit großer Mehrheit, dass die Länderkammer in Karlsruhe einen neuen Antrag einreicht. Bundesregierung und Bundesrat lassen zunächst offen, ob sie sich anschließen.

    18. März 2013: Es wird bekannt, dass sich die Bundesregierung nicht an einem neuen Verbotsantrag beteiligt. Die fünf Minister der FDP im Bundeskabinett lehnen einen solchen Schritt ab. Die FDP will die NPD politisch bekämpfen.  

    3. Dezember 2013: Der 268 Seiten starke Antrag trifft beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Er listet zahlreiche Zitate von Parteifunktionären auf, die belegen sollen, dass die NPD ideologisch auf einer Linie mit der NSDAP steht.

    1. März 2016: Nach einer intensiven Vorprüfung und vom Gericht angeforderten weiteren Schriftsätzen beider Seiten beginnt die dreitägige mündliche Verhandlung am Zweiten Senat des Verfassungsgerichts. Zum Auftakt steht die Frage im Mittelpunkt, ob Bund und Länder rechtzeitig vor Antragstellung alle Spitzel in den Reihen der NPD-Führungsebene abschalteten.

    17. Januar 2017: Das Gericht verkündet sein Urteil: Die rechtsextreme NPD wird nicht verboten. Die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. "Es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt."

    Dabei haben die Richter in den roten Roben keinen Zweifel daran gelassen, dass die NPD verfassungswidrig ist, aggressiv gegen Andersdenkende vorgeht, Mitbürger mit Migrationshintergrund oder anderer Hautfarbe einschüchtert und bedroht sowie offen eine Überwindung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung anstrebt und einen autoritären Führerstaat nach dem Vorbild der nationalsozialistischen Diktatur etablieren will. Die entsprechenden Äußerungen und Belege, die die Richter in aller Ausführlichkeit vorlegten, ließen an Eindeutigkeit keine Zweifel aufkommen. Die NPD meint es ernst mit der Beseitigung des demokratischen Systems und der Verfolgung von Minderheiten, sie verbreitet ein menschenverachtendes Gedankengut und hält von den im Grundgesetz verankerten Grundrechten nichts.

    Und dennoch bleibt sie erlaubt. 60 Jahre nach dem KPD-Verbot unterlässt das Verfassungsgericht den letzten entscheidenden Schritt und sichert mit seinem Urteil auf Dauer das weitere Existenzrecht der NPD. Denn nach Ansicht der Richter ist die Partei derzeit schlicht zu schwach, um ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch tatsächlich umzusetzen und die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Das mag im Augenblick so sein, eine Garantie für die Zukunft ist es nicht.

    Und es könnte andere Verfassungsfeinde ermutigen. Zudem balancieren die Richter auf einem schmalen Grat und widersprechen sich selber. Im Fall der KPD begründeten sie das Verbot ausdrücklich damit, es komme nicht darauf an, dass „nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können“. Es reiche die Absicht aus. Davon rücken sie aber nun mit Blick auf die europäische Rechtsprechung ab. Das Risiko, dass Straßburg den Richterspruch wieder einkassiert, wollte Karlsruhe nicht eingehen.

    Bei der KPD hat Karlsruhe noch anders argumentiert

    Nach diesem Urteil ist es praktisch unmöglich geworden, eine Partei zu verbieten, selbst wenn an ihrer Verfassungsfeindlichkeit, menschenverachtenden Einstellung und antifreiheitlichen Programmatik keine Zweifel bestehen. Für die NPD ist dies ein Sieg, den sie propagandistisch ausschlachten wird. Nicht auszuschließen sogar, dass das Urteil der Partei, die vom Wähler in die politische Bedeutungslosigkeit geschickt wurde, neuen Auftrieb verleiht und sie nun quasi mit dem Segen des Verfassungsgerichts noch aggressiver und menschenverachtender auftritt. Mag die NPD auch schwach sein, harmlos ist sie nicht.

    Mit der Verfassung ist der NPD nicht mehr beizukommen, der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat muss es hinnehmen, dass selbst seine erklärten Feinde die von ihm gewährten Grundrechte in Anspruch nehmen können. Umso wichtiger ist, dass der Kampf gegen die NPD wie andere extremistische Kräfte am rechten wie linken Rand mit allen Mitteln der Politik, der Gesellschaft wie der Justiz geführt wird. Karlsruhe hat dies sogar ausdrücklich gefordert. So muss dringend die Parteienfinanzierung geändert werden. Der unerträgliche Zustand, dass Verfassungsfeinde mit Steuergeldern gemästet und somit erst in die Lage versetzt werden, ihre Ziele zu erreichen, ist schnellstens zu beenden. Es kann nicht sein, dass eine Partei erst dann verboten werden kann, wenn sie so stark ist, dass von ihr eine tatsächliche Gefahr ausgeht. Dann könnte es für die Freiheit und die Demokratie schon zu spät sein.

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