Kurz nach dem Start ihrer Offensive in der Provinz Kirkuk haben die irakischen Regierungstruppen praktisch kampflos wichtige Einrichtungen unter ihre Kontrolle gebracht. Die Armee teilte am Montag mit, sie habe die wichtigste Militärbasis von Kirkuk, den Militärflughafen und ein Ölfeld von den kurdischen Peschmerga-Kämpfern übernommen. Bagdad hatte die Offensive gestartet, nachdem die Kurden in einem umstrittenen Referendum für die Unabhängigkeit gestimmt hatten.
Kurden gespalten
Der Vormarsch der irakischen Truppen erfolgte ohne größere Gefechte, da sich die Peschmerga-Einheiten im Süden von Kirkuk zumeist kampflos zurückzogen. Die Peschmerga-Truppen südlich der Provinzhauptstadt gehören zur Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die in Konkurrenz steht zur Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) von Kurdenpräsident Massud Barsani.
Barsanis Berater Hemin Hawrami beklagte über den Kurzmitteilungsdienst Twitter "interne Probleme und zweideutige Vereinbarungen", die dazu geführt hätten, dass einige Kommandeure ihre Positionen geräumt hätten. Schon am Freitag hatten die Regierungstruppen mehrere Stützpunkte eingenommen, die von den Peschmerga geräumt worden waren.
Wie das Gemeinsame Einsatzkommando meldete, nahmen Spezialkräfte der irakischen Bundespolizei am Montag auch den Militärflughafen von Kirkuk ein. Auch das Ölfeld Baba Gargar und die Zentrale der staatlichen Ölfirma NOC seien wieder unter Kontrolle der Zentralregierung. Zuvor hatte die Armee bereits die Einnahme der wichtigsten Militärbasis K1 bei Kirkuk gemeldet.
Meldungen: Dutzende Peschmerga noch vermisst
In der Nacht zum Montag gab es vereinzelt Gefechte im Süden der Stadt Kirkuk. Ein Vertreter der Gesundheitsdienste in der Region Dschadschamal sagte, bei den Kämpfen in dem Gebiet seien zehn Peschmerga getötet und 27 weitere verletzt worden. Andere Kurdenvertreter sagten, dutzende Peschmerga würden noch vermisst. Aus Tus Chormatu wurden zwei Tote gemeldet.
Kurdenkonflikt: Warum die Provinz Kirkuk so wichtig ist
Die kurdischen Peschmerga hatten 2014 die ölreiche Provinz Kirkuk unter ihre Kontrolle gebracht, nachdem die irakischen Regierungstruppen vor der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) geflohen waren. Die ethnisch gemischte Provinz ist seit langem zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion umstritten. Offiziell untersteht sie weiterhin der Zentralregierung
Die Offensive erfolgt drei Wochen nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum der Kurden. Trotz der Proteste Bagdads hatte der kurdische Gouverneur von Kirkuk entschieden, in seiner Provinz den Volksentscheid zu erlauben. Die Zentralregierung in Bagdad enthob ihn daraufhin seines Postens, doch widersetzte er sich seiner Absetzung.
Kurden wollen Unabhängigkeit, Irak ist dagegen
Bei dem Referendum am 25. September stimmten die Kurden fast geschlossen für die Unabhängigkeit. Kurdenpräsident Barsani verzichtete bisher auf die Erklärung der Unabhängigkeit und sprach sich für Verhandlungen mit Bagdad aus. Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi lehnt einen Dialog auf der Basis des Referendums aber ab.
Al-Abadi erklärte am Montag, es sei seine "verfassungsmäßige Pflicht", in Kirkuk für Sicherheit zu sorgen und die Autorität der Zentralregierung durchzusetzen. Er forderte alle Bürger auf, mit der Armee zu kooperieren und "wachsam" zu sein. Die Armee rief die örtliche Polizei und alle Beamten auf, wie gewohnt "unter dem Schutz der Bundespolizei" zur Arbeit zu gehen.
Zuvor hatten Kurdenvertreter die Einwohner Kirkuks aufgerufen, zu den Waffen zu greifen. Am Montag flohen tausende kurdische Einwohner vor den herannahenden Regierungstruppen. Ganze Familien verließen aus Angst vor Kämpfen mit der Armee oder schiitischen Milizen die kurdischen Viertel in Richtung Erbil und Suleimanija.
Bundeswehr bildet Peschmerga-Kämpfer aus
"Wir lebten in Frieden, doch die Politiker wollen uns nichts Gutes, weder in Bagdad noch in Erbil", klagte der 65-jährige Himen Schuani, der mit seiner Familie auf einer Ausfallstraße im Stau steckte. Die Politiker würden sich um die Kontrolle des Erdöls streiten und die Zivilbevölkerung würde den Preis zahlen.
Iraks Regierungskräfte und die kurdische Peschmerga hatten bis vor Kurzem gemeinsam gegen den IS gekämpft. Sowohl Armee als auch Kurden sind Verbündete des Westens im Kampf gegen die Extremisten und erhalten von ihm militärische Unterstützung. Deutschland lieferte den Kurden die Panzerabwehrrakete "Milan", Panzerfäuste, Sturmgewehre und Munition. Bundeswehrsoldaten bilden zudem Peschmerga-Kämpfer aus.
Der Sprecher der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition, Ryan Dillon, rief alle Beteiligten auf, eine Eskalation zu vermeiden und den Kampf gegen die Terrormiliz zu beenden. Der IS sei für alle die größte Bedrohung, twitterte er. dpa/afp