Wenn sich die CSU in Wildbad Kreuth zur Klausur trifft, lohnt es sich immer, auf den langen Gängen des früheren Kurbades herumzulungern. Dort erfährt man viel mehr über das Innenleben der Partei als auf den offiziellen Pressekonferenzen. Wer zieht sich mit wem in eine ruhige Ecke zurück? Wer bleibt für einen Plausch mit Journalisten stehen und wer ist kurz angebunden? Wer ist gefragt und wer steht ganz alleine herum? Das alles gehört zu Kreuth.
Hans-Peter Friedrich kennt diese Rituale. Als Chef der CSU-Abgeordneten war er einst selbst Gastgeber der Klausur. Später dann, als Bundesminister, gehörte er zu den gefragtesten Gesprächspartnern auf den von pittoresken Lüstern beleuchteten Fluren. Heute läuft Friedrich an den Journalisten meist vorbei, ohne dass jemand Notiz von ihm nimmt. Der Oberfranke ist eben nur noch einer von vielen. Doch damit scheint er sich nicht abfinden zu wollen.
Friedrich will wieder zurück ins Geschäft. In Kreuth sieht man ihn in diesem Jahr oft telefonieren. Er pflegt sein Netzwerk. Und er hat eine neue Rolle für sich gefunden: Friedrich ist jetzt der Mann für den Klartext. Als Angela Merkel im September die Grenzen für Flüchtlinge öffnet, ist es ihr Ex-Minister, der sie am schärfsten attackiert. Er bescheinigt der Kanzlerin eine „beispiellose politische Fehlleistung“ – und wird plötzlich wieder öfter in Talkshows eingeladen. Klare Kante bringt gute Quoten. Friedrich steht als einer der Letzten für den vernachlässigten konservativen Flügel in der Union. Ein neuer Gauweiler?
Friedrich forderte einen Zaun an der bayerischen Grenze
In der Flüchtlingskrise fordert er einen Zaun an der bayerischen Grenze und begründet das reichlich lapidar: „Ich weiß gar nicht, was die Dämonisierung von Zäunen soll. Ganz viele Menschen haben Zäune um ihre Häuser.“ Dass enttäuschte CSU-Anhänger mit der Alternative für Deutschland sympathisieren, hat für den promovierten Juristen vor allem einen Grund, und der heißt Angela Merkel. Nun könnte man natürlich mutmaßen, dass sich da einer an seiner früheren Chefin rächen will. Schließlich hat die Kanzlerin Friedrich in der Edathy-Affäre vor zwei Jahren kühl fallen lassen. Doch das wäre zu kurz gedacht.
Friedrich geht es nicht um sein persönliches Ego – oder zumindest nicht nur. Er will den politischen Kräften rechts von der CSU das Wasser abgraben. Nach dem Motto: Was einst mit den Republikanern funktioniert hat, muss doch auch mit der AfD klappen. „Wenn Sie mich vor ein paar Jahren gefragt hätten, hätte ich gesagt: Wir putzen die weg, indem wir ihnen die Themen wegnehmen“, sagt Friedrich in einem Interview und bedauert, dass Angela Merkel lieber den Grünen und der SPD die Themen wegschnappt. Aber dann nimmt er die Sache eben selbst in die Hand. Und so dürfte es kein Zufall sein, dass Friedrich nach der Gewalt von Köln jetzt schwere Geschütze gegen die Medien auffährt, die das Thema viel zu spät erkannt haben. Er spricht von einem „Schweigekartell“ und mutmaßt sogar, dass Journalisten sich selbst eine „Nachrichtensperre“ auferlegen, sobald es um kriminelle Ausländer geht. Das Wort „Lügenpresse“ benutzt der CSU-Politiker zwar nicht, aber in der Argumentation liegt er ganz auf der Linie von AfD und Pegida.
Dass man ihm deshalb Populismus vorwirft, wird ihm egal sein. Als Mann der zweiten Reihe hat er nichts zu verlieren. Die Konservativen in der Union sind ohnehin froh, wenn einer den rechten Rand absichert. Hans-Peter Friedrich hat noch nicht genug. Er ist erst 58. Und wer weiß, vielleicht kommt man eines Tages nicht mehr an ihm vorbei, auf den Gängen von Kreuth.