Inmitten massiver israelischer Luftangriffe auf den Gazastreifen hat die palästinensische Hamas-Bewegung mit dem Abschuss mehrerer Raketen auf Tel Aviv und Jerusalem den Konflikt weiter angeheizt. In Jerusalem waren am Dienstagabend drei laute Explosionen zu hören, kurz nachdem der Luftalarm ausgelöst worden war. Die Armee fing bei Tel Aviv eine weitere Rakete ab. Bei Luftangriffen auf den Gazastreifen wurden 17 Palästinenser getötet und hundert weitere verletzt.
Mindestens vier Blitze erhellten den Himmel südwestlich von Jerusalem, wie AFP-Reporter berichteten. Auch nördlich von Tel Aviv wurde Alarm ausgelöst. Wenige Stunden vor dem Angriff auf Jerusalem hatte das Militär nach eigenen Angaben eine auf Tel Aviv abgefeuerte Rakete abgefangen. Auf Tel Aviv war zuletzt 2008 eine palästinensische Rakete gefeuert worden. In der Küstenmetropole und in Jerusalem wurden am Abend alle Luftschutzbunker geöffnet.
Die Hamas erklärte kurz darauf, sie habe Raketen auf Jerusalem, Tel Aviv und die nordisraelische Hafenstadt Haifa abgefeuert. Ihr bewaffneter Arm, die Essedin-al-Kassam-Bridgaden, hätten erstmals eine R160-Rakete auf Haifa, vier M75-Raketen auf Jerusalem und vier M75-Raketen auf Tel Aviv gefeuert, erklärte die Gruppierung. Die Armee äußerte sich zunächst weder zum angeblichen Angriff auf Haifa, noch zu den Explosionen in Jerusalem.
Radikale Palästinensergruppen haben seit der Gewalteskalation infolge der Entführung und Ermordung dreier israelischer Jugendlichen im Westjordanland am 12. Juni fast 300 Raketen auf Südisrael abgefeuert. Allein am Dienstag wurden nach Armeeangaben 120 Raketen aus dem Gazastreifen abgeschossen, von denen 23 abgefangen wurden. Die meisten der ungelenkten Raketen verursachen jedoch weder Opfer noch Schäden.
Die Luftwaffe flog massive Vergeltungsangriffe. Allein bei einem Luftangriff auf das Wohnhaus eines Hamas-Kommandeurs in Chan Junis wurden sieben Menschen getötet, darunter drei Minderjährige. Laut Augenzeugen wurden Anwohner von einer Drohne mit einer Leuchtrakete gewarnt. Doch anstatt die Flucht zu ergreifen, versammelten sich Nachbarn und Angehörige als Schutzschild um das Haus. Kurz darauf habe aber ein Kampfflugzeug das Gebäude mit einer Rakete zerstört.
Die Hamas warf Israel "ein schreckliches Kriegsverbrechen" vor und erklärte "alle Israelis zu legitimen Zielen". Einige Stunden zuvor waren bereits im Stadtzentrum von Gaza bei einem Angriff auf ein Auto drei Palästinenser getötet worden. Laut Angehörigen handelte es sich um Mitglieder der Essedin-al-Kassam-Brigaden, darunter der hohe Kommandeur Mohammed Schaaban.
Vier militante Palästinenser drangen vom Gazastreifen über das Meer nach Israel vor, wurden dort aber von den Streitkräften getötet. Armeesprecher Peter Lerner sagte, der Angriff auf den Stützpunkt bei Sikim sei abgewehrt und die Angreifer getötet worden. Die Essedin-al-Kassam-Brigaden erklärten, zwei Militärstützpunkte "mit zehn Katjuscha-Raketen" beschossen zu haben, darunter den Stützpunkt bei Sikim, vor dem die Angreifer getötet wurden.
Das israelische Sicherheitskabinett ermächtigte die Armee, 40.000 Reservisten zu mobilisieren. Ein hoher israelischer Regierungsvertreter sagte AFP, die Armee halte sich alle Optionen einschließlich einer Bodenoffensive im Gazastreifen offen. Armeesprecher Lerner betonte, die Luftangriffe seien nur "eine Etappe" der "Operation Schutzrand", die zeitlich nicht begrenzt sei. Zwei Brigaden wurden schon rund um den Gazastreifen postiert, weitere sollen in den kommenden Tagen nachrücken.
Innenminister Gideon Saar sagte, niemand strebe eine militärische Konfrontation an. Israel dürfe aber nicht länger zögern, die Hamas entscheidend zu schwächen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte Israel auf, "seine Eskalation und die Angriffe unverzüglich einzustellen". Ein Hamas-Sprecher warnte Israel vor einem "Spiel mit dem Feuer". Israel werde für seinen Militäreinsatz einen hohen Preis zahlen. afp