In 6909 Fällen sind Polizisten in Bayern im vergangenen Jahr Opfer von Gewalt geworden. Das ist eine Erhöhung um zehn Prozent gegenüber 2010. Den Bericht "Gewalt gegen Polizeibeamte 2011" stellte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag in Nürnberg vor. "Der Respekt vor der Polizei schwindet", stellte er fest.
Der Trend zu immer häufigeren und schwereren Übergriffen habe sich fortgesetzt. Fast jeder dritte Beamte sei betroffen gewesen. Herrmann kündigte verstärkte Maßnahmen zum Schutz der Polizisten an und forderte zugleich eine schnellere Verurteilung von Straftätern durch die Gerichte.
Es werde "beleidigt, bespuckt, bedroht, geschlagen, getreten und mit dem Kopf gestoßen", berichtete Herrmann. In einigen Fällen hätten die Beamten Todesangst gehabt.
Augsburger Polizistenmord zeigt, wozu Straftäter fähig sind
Die Zahl der Angriffe mit Messern und anderen Stichwaffen sei im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Fünfmal sei versucht worden, einen Beamten zu töten. Der Mord an dem Augsburger Polizisten Mathias Vieth im Oktober 2011 habe gezeigt, wozu Straftäter fähig seien, sagte Herrmann.
Fingerkuppe abgebissen
In einem Fall sei einem Beamten eine Fingerkuppe abgebissen worden, berichtete Landespolizeipräsident Waldemar Kindler. Im Vergleich mit anderen Bundesländern stehe Bayern aber noch ganz gut da. Das bundesweite Lagebild solle in den kommenden Wochen vorgestellt werden, fügte Kindler hinzu.
Das ist die Polizei Bayern
Mit etwa 29.800 Dienstkräften ist die Polizei Bayern die zweitgrößte Landespolizei in Deutschland.
Sie teilen sich auf in 26.100 Beamte (sowohl Polizeivollzugs- als auch Verwaltungsbeamte) und ca. 3.700 Angestellte und Arbeiter.
Im Jahr 1813 wurde die bayerische Gendarmerie gegründet. Diese war nach dem Vorbild Frankreichs dezentral über Bayern verteilt und militärisch organisiert.
Erst 1919 erfolgte die Loslösung von Militär, zugleich wurden alle Polizeien dem Bayerischen Innenministerium unterstellt. Die Polizei stand nun unter ziviler Kontrolle durch das Land oder aber der Gemeinden.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden alle Polizeien in Deutschland zentralisiert.
Im Jahr 1935 wurde die Bayerische Landespolizei aufgelöst und in die Wehrmacht eingegliedert. Ab dem Jahr 1939 sollten Polizeibataillone die besetzten Gebieten sichern.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges löste die US-Militärregierung zunächst alle bisherigen deutschen Polizeieinrichtungen auf.
Die US-Militärregierung beschloss am 29. Juni 1945, dass die bayerische Landespolizei neu errichtet werden müsse. Die neue Polizei sollte dezentral und unter demokratischen Gesichtspunkten aufgebaut werden.
Erster Präsident der bayerischen Polizei wurde Michael Freiherr von Godin, der die beschlossene Polizeiorganisation nach einer Weisung vom 24. April 1946 wieder aufbaut. Es wurden zwei Arten von Polizeien eingerichtet: Die Landespolizei und die Gemeindepolizeien.
Im Jahr 1951 stellte man fest, dass sich die Trennung der Landes- und Gemeindepolizei aufgrund von Problemen in der Zusammenarbeit nicht bewährte. So wurde den kreisangehörigen Gemeinden im Polizeiorganisationsgesetz von 1951 angeboten, auf Antrag die bestehenden Gemeindepolizeien in die Landespolizei einzugliedern.
Am 1. Oktober 1975 erfolgte die endgültige Verstaatlichung der Bayerischen Polizei.
Im Jahr 1990 wurden erstmals Frauen in den Polizeivollzugsdienst eingestellt. Diese begannen Anfang des Jahres die Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei.
Im Jahr 1998 wurde die Bayerische Grenzpolizei aufgelöst und in die Landespolizei eingegliedert.
Im Freistaat waren 72 Prozent der Gewalttäter betrunken oder hatten Drogen genommen. Meist handelt es sich bei den Delikten um Beleidigung (40 Prozent), Widerstand gegen die Staatsgewalt (20 Prozent) und Körperverletzung (30 Prozent).
19 Fälle pro Tag
Mehr als 14.000 Beamte - und damit 13,4 Prozent mehr als 2010 - waren von physischer und psychischer Gewalt betroffen. Im Schnitt wurden demnach 19 Vorfälle pro Tag registriert. 1918 Polizisten wurden im Jahr 2011 verletzt - ein Plus von 17,1 Prozent im Vergleich zu 2010.
Die Täter waren meist junge Erwachsene
Die deutschen Sicherheitsbehörden
In Deutschland sind mehrere dem Bundesinnenministerium unterstellte Behörden für die öffentliche Sicherheit und die Abwehr von Gefahren zuständig:
Das BUNDESKRIMINALAMT (BKA) ist Deutschlands zentrale Polizeibehörde. Weil Polizei Ländersache ist, koordiniert das 1951 gegründete BKA den Kampf gegen die Kriminalität auf nationaler Ebene. Selbstständig ermittelt das BKA, wenn es grenzüberschreitend um Terrorismus, Falschgeld, Drogen oder illegalen Waffenhandel geht. Es hält Kontakte der deutschen Polizei ins Ausland und gehört zu Interpol. Die Behörde hat gut 5500 Mitarbeiter an den Standorten Wiesbaden, Berlin und Meckenheim bei Bonn. Auch der Schutz von Bundespräsident, Bundesregierung und Bundestag ist Aufgabe des BKA.
Die BUNDESPOLIZEI (BPol) mit Sitz in Potsdam ist hauptsächlich für den Grenzschutz sowie die Bahn- und Flughafensicherheit zuständig. Von den rund 40 000 Beschäftigten sind 32 000 Polizeivollzugsbeamte. Die 1951 als Bundesgrenzschutz gegründete Bundespolizei darf auch im Ausland für polizeiliche oder andere nichtmilitärische Aufgaben eingesetzt werden. Eine Einheit der Bundespolizei ist die GSG 9 zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerster Gewaltkriminalität.
Das BUNDESAMT FÜR VERFASSUNGSSCHUTZ (BfV) mit Sitz in Köln hat seit 1950 die innere Sicherheit im Blick. Zudem erstellt der Inlandsgeheimdienst jedes Jahr einen Verfassungsschutzbericht. Dieser befasst sich unter anderem mit Links- und Rechtsextremisten sowie Islamisten. Die bis zu 2700 Mitarbeiter des BfV gewinnen einen Großteil ihrer Informationen aus sogenannten offenen Quellen - von der Zeitung bis zu öffentlichen Veranstaltungen. Verfassungsschützer haben keine polizeilichen Befugnisse. In Deutschland ist der Verfassungsschutz nicht zentralisiert. Das BfV ist für den Bund zuständig, daneben hat jedes der 16 Bundesländer eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Das BfV ist gegenüber diesen Länder-Ämtern nicht weisungsbefugt.
dpa, Stand: August 2012
Mehr als 80 Prozent der Täter waren deutsche Staatsangehörige. Die Angriffe der meist jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren ereigneten sich besonders häufig während des Streifendienstes sowie auf Straßen und Plätzen. Vor allem am Wochenende und in den Nachtstunden sind die Beamten in Gefahr.
Augsburg und Memmingen gefährlicher als München
Beamte in den Großstädten München und Nürnberg waren nicht so häufig betroffen wie Polizisten in Städten wie Straubing, Augsburg oder beispielsweise Memmingen. Eine Erklärung konnte Kindler noch nicht geben. Das müsse zunächst analysiert werden.
Neue Helme und spezielle Westen
Die Intensität der Gewalt gegen Polizisten sei "nach wie vor erschreckend", sagte Herrmann. "Wir müssen die schützen, die uns schützen." Um dies künftig besser zu schaffen, stelle die Landesregierung 2012 eine Million Euro für eine bessere Ausrüstung bereit. Davon sollten neue Helme und spezielle Westen gekauft werden. dpa/AZ