Da steht Papst Franziskus, nachdenklich lächelnd. Hinter sich das Meer, vor sich 15 000 ihm zujubelnde Menschen, viele Afrikaner darunter. Abschied nehmend stützt sich Franziskus auf einen besonderen Hirtenstab und zeigt ihn geradezu demonstrativ vor. Es ist ein blauweißer Stock aus Holz, geschnitzt aus den Überresten eines Flüchtlingsbootes. Eines jener mit Menschen überladenen Boote, die auf der Überfahrt von Nordafrika nach Lampedusa kenterten. Die italienische Küstenwache hatte das Wrackteil aus dem Meer gefischt.
Papst Franzikus auf Lampedusa: "Ich wusste, dass ich hierher kommen muss"
Rund fünf Stunden Besuch gehen gerade zu Ende. Es ist die erste größere Reise von Papst Franziskus seit seinem Amtsantritt im März. Der Hirtenstab wird zum eindrucksvollen Symbol. Der Pontifex, der Armut predigt und Leidende würdigt, stellt das Elend auf diesem eigentlich wunderschönen Eiland bloß. „Zu einem schmerzhaften Stachel im Herzen“ sei ihm die Nachricht geworden, dass noch vor wenigen Wochen erneut Flüchtlinge vor Lampedusa ertrunken sind. „Und ich wusste, dass ich hierher kommen muss, um zu beten, um ein Zeichen der Nähe zu setzen. Aber auch, um unsere Gewissen zu wecken, sodass sich das, was passiert ist, nicht wiederholt. Nie wieder!“ sagt Franziskus.
Noch am Montagmorgen waren 166 Flüchtlinge aus Libyen angekommen, an derselben Hafenmole, an der kurze Zeit später Franziskus eintrifft. Die Küstenwache bringt ihn in einem der Polizeiboote, die sonst bei Alarm auf See auslaufen. Vor dem Hafen wirft der Papst, begleitet unter anderem von Präfekt Erzbischof Georg Gänswein, einen Trauerkranz aus Gerbera-Blüten in gelbweißen Vatikanfarben ins Wasser. Es ist ein Zeichen des Gedenkens an die Toten von neulich, aber auch an alle 25 000 Ertrunkenen, die in den letzten Jahren auf ihrem Weg nach Europa im Mittelmeer umgekommen sind. Franziskus feiert dann einen Bußgottesdienst im Sportstadion, mit einer Predigt von erschütterndem Inhalt.
Papst dankt den Inselbewohnern von Lampedusa
Er spricht von der „Kultur des Wohlergehens, die uns an uns selber denken lässt, und er spricht von der Gleichgültigkeit anderen gegenüber. Wörtlich sagt er: „Wer hat geweint um diese Menschen, die im Boot waren? Um die jungen Mütter, die ihre Kinder mit sich trugen? Um diese Männer, die sich danach sehnten, ihre Familien versorgen zu können? Wir sind eine Gesellschaft, die die Erfahrung des Weinens, des Mit-Leidens vergessen hat: Die Globalisierung der Gleichgültigkeit hat uns die Fähigkeit zu weinen genommen!“
Das ist Papst Franziskus
Franziskus, mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio, wurde am 17. Dezember 1936 als Sohn italienischer Einwanderer in Argentinien geboren.
Sein Vater war Bahnangestellter in der argentinischen Hauptstadt. Dort ging er auf eine technische Schule, die er als Chemie-Techniker absolvierte.
Mit 21 Jahren ging Bergoglio ins Priester-Seminar.
Nach seiner Priesterweihe 1969 folgte Bergoglio Theologiestudien und wurde 1973-1979 zum Provinzial des Jesuitenordens berufen.
Der Jesuit übernahm 1998 die Erzdiözese von Buenos Aires und wurde 2001 zum Kardinal berufen.
2001 wurde Jorge Mario Bergoglio zum Kardinal berufen.
In den letzten Jahren kollidierte Bergoglio mehrfach mit den Regierungen von Néstor und Cristina Kirchner. Er kritisierte Korruption und Armut, außerdem wandte er sich gegen die Legalisierung der Homo-Ehe in Argentinien.
Bergoglio wurde in der Vergangenheit der "Kardinal der Armen" genannt.
Mit 76 Jahren und seiner etwas gebrechlichen Gesundheit ging Jorge Mario Bergoglio in die neue Papstwahl eher als Außenseiter unter den Favoriten.
Im fünften Wahlgang wurde Bergoglio dann zum neuen Papst gewählt.
Bergoglio nennt sich als Papst Franziskus.
Franziskus ist der erste Südamerikaner an der Spitze der katholischen Kirche.
Mit dem Namen erinnert der Argentinier an Franz von Assisi (um 1181-1226), einen der meistverehrten Heiligen überhaupt.
Bereits in den ersten Monaten nach seiner Wahl zeigt sich Franziskus als Reformer. Er will nach eigener Aussage eine Kirche, in der auch die Armen, Schwachen und Unterdrückten Platz haben.
Ausdrücklich dankt er jedoch den Inselbewohnern von Lampedusa und allen Organisationen, die sich mit den Ankömmlingen stets solidarisch erklärt und ihnen geholfen hätten. Deutlich distanziert sich der argentinische Papst von den strengen Einwanderungslimits, wie sie zum Beispiel die EU praktizierte. Er bitte Gott „um Vergebung für alle, die mit ihren Entscheidungen auf weltweiter Ebene Situationen geschaffen haben, die zu solchen Dramen führen.“
Papst Franziskus verneigt sich vor Jugendlichen
„Das muss doch erhört werden“, meint Bürgermeisterin Giusi Nicolini von Lampedusa. Sie hofft auf die Einführung neuer Kooperationsprogramme und auf mehr Integrationspolitik. Sie hatte auch den einfachen Jeep besorgt, mit dem Papst Franziskus zur Messe gefahren war und dabei unterwegs, wie bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz, immer wieder Kinder küsste.
Vorher hatte er 75 minderjährige Afrikaner an der Hafenmole begrüßt, die vor wenigen Tagen ohne Begleitung Erwachsener in einem Boot gelandet und in das Auffanglager aufgenommen worden waren. Franziskus machte vor jedem eine kleine Verbeugung. „Ich bete für euch, auch für jene, die nicht hier sind“, sagte er. Allein in diesem Jahr sind 7800 Flüchtlinge an Italiens Küste angekommen, 40 von ihnen starben nach offiziellen Zählungen.