Keine zwei Wochen nach dem Blutbad von Nizza hat ein tödlicher Anschlag Frankreich aufs Neue erschüttert. Zwei mit Messern bewaffnete Angreifer drangen am Dienstagvormittag während der Morgenmesse in die katholische Kirche von Saint-Étienne-du-Rouvray bei Rouen ein und nahmen fünf Geiseln, unter ihnen zwei Ordensschwestern. Sie töteten den 84 Jahre alten Pfarrer, drei anwesende Frauen wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Als die Täter danach aus der Kirche stürmten, wurden sie von einer Sondereinheit der Polizei erschossen. Frankreichs Präsident François Hollande legte sich schnell fest. Er sprach von einem „schändlichen Terrorattentat“.
Zumindest einer der beiden Attentäter war den Behörden als Kandidat für den Dschihad bekannt: Im vergangenen Jahr wurde der Mann in der Türkei festgenommen und trug Medienberichten zufolge seit März dieses Jahres eine elektronische Fußfessel. Er soll aus Saint-Étienne-du-Rouvray stammen. Ein Minderjähriger kam gestern in Untersuchungshaft, aber zunächst wurde nichts Näheres über ihn bekannt. Die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf.
"Soldaten des Islamischen Staates"
Am Nachmittag teilte die mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Verbindung stehende Agentur Amaq mit, bei den Angreifern habe es sich um „Soldaten des Islamischen Staates“ gehandelt. „Wir stehen einer Gruppe gegenüber, dem IS, die uns den Krieg erklärt hat. Diesen Krieg müssen wir mit allen Mitteln und im Respekt des Rechtes führen“, sagte Hollande.
Papst Franziskus verurteilte die Geiselnahme als „sinnlose Gewalt“. „Wir sind besonders betroffen, weil die barbarische Ermordung eines Priesters und die Geiselnahme von Gläubigen in einer Kirche stattgefunden haben, also einem heiligen Ort, an dem die Liebe Gottes verkündet wird“, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi. Das Unaussprechliche sei passiert, sagte der Bischof von Rouen, Dominique Lebrun. Das Opfer, der 84-jährige pensionierte Pfarrer Jacques Hamel, war in der Kirchengemeinde beliebt, er galt als „herzlich und bescheiden“.
„Hier soll Hass zwischen Religionen geschürt werden“
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte: „Hier soll Hass zwischen den Religionen geschürt werden.“ Die Antwort auf den Mordanschlag von Frankreich könne „nicht eine Verschärfung des Hasses und des Gegeneinanders sein, sondern nur der Versuch, die Täter zu stellen und alles zu tun, damit nicht neue Gewalt geschieht“. Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa sagte unserer Zeitung erschüttert: „Mir fehlen die Worte angesichts eines solchen Anschlags auf das Heiligste unseres Glaubens. In dieser Ansammlung von Gewalt, die wir in den vergangenen Tagen erfahren haben, zeigt sich für mich die ganze Abgründigkeit des menschlichen Herzens.“
Der katholische Münchner Stadtpfarrer und Bestsellerautor Rainer Maria Schießler hält es für denkbar, dass auch Fanatiker in Deutschland Menschenansammlungen in Kirchen für Gewalttaten aufsuchen. Aufsichtspersonal, das vor und während der Gottesdienste die Augen aufhält, könnte seiner Ansicht nach mehr Sicherheit schaffen. „Vernunft und Glaube schließen sich nicht aus“, sagte Schießler. Das Sicherheitspersonal dürfe aber nicht bewaffnet sein. Auch Ehrenamtliche könnten diese Aufgabe übernehmen.