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Katalonien: Ganz Spanien rätselt über die Frage der Unabhängigkeit Kataloniens

Katalonien

Ganz Spanien rätselt über die Frage der Unabhängigkeit Kataloniens

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    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy spricht im Moncloa-Palast in Madrid bei einer Pressekonferenz.
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy spricht im Moncloa-Palast in Madrid bei einer Pressekonferenz. Foto: Paul White, dpa

    Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy stellt am Mittwoch ganz offiziell die Frage, die auch im privaten Gespräch jeden im Land beschäftigt: Hat der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont am Dienstagabend eigentlich „die Unabhängigkeit erklärt – oder nicht“? Gleichzeitig solle der Katalane erklären, ob er wieder bereit sei, „die Legalität zu akzeptieren“?

    Dahinter steckt keineswegs nur Neugierde. Die formale Aufforderung ist vielmehr die Vorbedingung zur zwangsweisen Entmachtung der Separatistenregierung in Barcelona, die mit der Aktivierung des Artikels 155 der spanischen Verfassung möglich ist.

    Rajoys Ultimatum ist die Reaktion auf zwei Schachzüge Puigdemonts am Vorabend: Zunächst bekräftigte dieser im katalanischen Parlament seinen Willen, die spanische Region Katalonien in einen unabhängigen Staat in Form einer Republik zu verwandeln. Aber zugleich schlug er vor, die konkrete Umsetzung der Abspaltung auszusetzen, um mit Spaniens Regierung über die Unabhängigkeit zu verhandeln.

    Carles Puigdemont, der Regionalpräsident in Barcelona, hat die Unabhängigkeitserklärung zwar unterzeichnet. Er setzte sie aber gleichzeitig außer Vollzug.
    Carles Puigdemont, der Regionalpräsident in Barcelona, hat die Unabhängigkeitserklärung zwar unterzeichnet. Er setzte sie aber gleichzeitig außer Vollzug. Foto: LLUIS GENE, AFP

    Zu einer formellen Abstimmung im Parlament in Barcelona kam es nicht. Wenige Stunden später unterzeichneten jedoch Puigdemont und alle Abgeordneten seiner Separatistenfront, die im katalanischen Parlament mit 72 Mandaten die knappe Mehrheit hält, eine eigentlich unmissverständliche Unabhängigkeitserklärung, in der es heißt: „Wir konstituieren die katalanische Republik als unabhängigen und souveränen Staat.“ Zudem wird versichert, dass der verfassungsgebende Prozess für eine katalanische Republik gestartet und ein Übergangsgesetz aktiviert wird, das die Übernahme aller staatlichen Kompetenzen in Katalonien regelt.

    Puigdemont: Unabhängigkeit für Katalonien oder doch nicht?

    Haben die Separatisten nun formell die Unabhängigkeit proklamiert oder nicht? Darüber rätselt am Mittwoch ganz Spanien. Die Analysten der spanischen TV-Sender debattieren in den Politikprogrammen stundenlang darüber, wie es nun im katalanischen Drama weitergehen werde. Offenbar strebe Puigdemont eine Unabhängigkeit auf Raten an, schrieb Spaniens größte Zeitung El País. Das Blatt befürchtet, dass das politische Chaos in Katalonien so nur verlängert wird.

    „Farce und Erpressung“, titelt die Konkurrenz von El Mundo. Das Gesprächsangebot Puigdemonts an Spaniens Regierung sei nur eine Falle, um Madrid unter Druck zu setzen. Die separatistischen Abgeordneten hätten schließlich die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet – und zwar Stunden nach Puigdemonts Ankündigung, dass die Abspaltung ausgesetzt werde, um Verhandlungen zu beginnen. Dieses Dialogangebot sei doch wohl kaum ernst zu nehmen, hieß es.

    Spaniens konservativer Regierungschef Rajoy, der mit einem Minderheitskabinett regiert, kann sich bei seinem Vorgehen auf die große Mehrheit im spanischen Parlament stützen. Nach der bürgerlich-liberalen Partei Ciudadanos, welche Rajoys Minderheitsregierung von Beginn an stützte, hat sich nun auch die sozialistische Opposition zu einer gemeinsamen Linie zusammengerauft. Sozialistenchef Pedro Sanchez nannte Puigdemonts Erklärung und die nachfolgende Unterzeichnung der Absichtserklärung „schwerwiegend und unverantwortlich“. Man werde Rajoy in diesen schweren Stunden für die Nation nicht alleine lassen.

    Verhandlungen über die Unabhängigkeit Kataloniens lehnt Rajoy ab: Schon vor der Rede Puigdemonts hatte der spanische Premier erklärt: „Wenn Puigdemont verhandeln oder Vermittler schicken will, weiß er, was er vorher tun muss: auf den Weg des Rechts zurückkehren.“

    Puigdemont unterzeichnet "ausgesetzte" Unabhängigkeitserklärung

    In Spaniens Verfassung ist die Einheit der Nation verankert und keine Abspaltung einer Region vorgesehen. Vor einer regionalen Unabhängigkeit müsste die Verfassung geändert werden, wofür aber bisher keine politische Mehrheit in Sicht ist. Es sieht also ganz danach aus, als ob die Konfrontation zwischen Madrid und Barcelona sich noch weiter verschärfen werde.

    Der Sprecher der katalanischen Regionalregierung in Barcelona, Jordi Turull, droht bereits, dass man sich auch durch Zwangsmaßnahmen der spanischen Regierung nicht in die Knie zwingen lassen werde. „Wenn sie den Artikel 155 anwenden, heißt das, dass sie nicht verhandeln wollen. Dann werden wir konsequent sein mit unserem Programm.“ Was im Klartext wohl heißt: Die Unabhängigkeit werde weiter vorangetrieben. Was freilich nur möglich sein dürfte, wenn Ministerpräsident Puigdemont und seine Separatistenregierung dann noch im Amt sind.

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