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Kommentar: Funktioniert Merkels Pakt mit der Türkei Erdogans?

Kommentar

Funktioniert Merkels Pakt mit der Türkei Erdogans?

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    Angela Merkel beim türkischen Präsidenten Erdogan: Die Kanzlerin setzt auf die Zusammenarbeit mit der Türkei.
    Angela Merkel beim türkischen Präsidenten Erdogan: Die Kanzlerin setzt auf die Zusammenarbeit mit der Türkei. Foto: Turkish President Press Office/Archiv (dpa)

    Die Zahl der Menschen, die in Deutschland Schutz und ein besseres Leben suchen, ist drastisch gesunken. 2015 sind – genau weiß das ja niemand – rund 1,2 Millionen Asylbewerber, Bürgerkriegs- und Armutsflüchtlinge über die offenen Grenzen ins Land ihrer Sehnsucht geströmt. Im ersten Quartal 2016 waren es 170 000, im März nur noch 20 000. Ob sich dieser Trend fortsetzt und die Bundesregierung die Kontrolle über die Zuwanderung tatsächlich zurückgewinnt, wird erst in einigen Monaten zu beurteilen sein.

    Sicher ist einstweilen nur, dass Europa von einer dauerhaften Lösung des Problems weit entfernt ist und Deutschland weiter alle Hände voll zu tun haben wird, um mit dieser epochalen Herausforderung fertig zu werden. Zu den 1,2 Millionen werden heuer hunderttausende weiterer Neuankömmlinge stoßen, weil Deutschland auch künftig die meisten Migranten aufnehmen wird und Angela Merkel jede „Obergrenze“ strikt ablehnt.

    Die gewaltige Aufgabe, so viele Menschen aus einem fremden Kulturkreis binnen kurzem mit Jobs, Wohnungen und Ausbildungsplätzen zu versorgen und ohne soziale und politische Verwerfungen einzugliedern, ist ja noch gar nicht wirklich angepackt. Die Bewährungsprobe einer ersten Hilfeleistung ist prima bestanden – der ungleich schwierigere Teil der Aufgabe steht noch bevor.

    Europa hat noch keine endgültige Antwort auf die Flüchtlingskrise

    Leider hat die Politik auf die Fragen, was es mit der „nachhaltigen Veränderung des Landes“ (Merkel) genau auf sich hat und wie das alles zu schaffen ist, noch immer keine überzeugende Antwort. Auch das trägt zu der Verunsicherung der Bevölkerung bei und schürt die Sorge vor den unkalkulierbaren Folgen der Masseneinwanderung für den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft. Merkels mit hohem moralischen Anspruch betriebene Politik der offenen Grenzen war ein Fehler, weil kein Staat unkontrollierte Zuwanderung über Monate hinweg zulassen darf und der deutsche Alleingang ganz Europa vor den Kopf gestoßen hat. Bis heute hält die Kanzlerin an ihrer – an sich ja richtigen – Überzeugung fest, dass das Problem nur international zu lösen ist.

    Ihr erstes Etappenziel, die drastische Verringerung der Flüchtlingszahlen, ist erreicht. Es ist Merkel in den Schoß gefallen, weil Österreich und die Balkanstaaten gehandelt und das Durchwinken der Flüchtlinge Richtung Deutschland beendet haben. Nur diese harte, von Berlin kritisierte Maßnahme verschaffte der EU die nötige Zeit, um das Abkommen mit der Türkei auszuhandeln. Das kostspielige Geschäft mit Erdogan, der fortan über die EU-Außengrenze wachen und in Griechenland gestrandete Flüchtlinge zurücknehmen soll, ist der zentrale Baustein in Merkels Plan. Die Realpolitikerin nimmt es jetzt mit ihrem moralischen Imperativ nicht mehr so genau.

    Man engagiert die Türkei für die Drecksarbeit und erspart sich so hässliche Grenzzäune. Man kann eben nicht beides haben: offene Grenzen in Europa und eine offene EU-Außengrenze. Der Pakt mit der Türkei bietet die einstweilen beste Handhabe, um den Flüchtlingszustrom zu drosseln und zugleich Wege für die legale, geordnete Migration wirklich Schutzbedürftiger zu eröffnen.

    Pakt zu Flüchtlingen: Spielt Türkei auf Dauer mit?

    Ob die Türkei auf Dauer mitspielt? Wer weiß das schon. Und selbst wenn: Funktionieren kann das alles nur, wenn die EU selber einen funktionierenden Grenzschutz zustande bringt, endlich eine gemeinsame Einwanderungspolitik macht und sich auf eine faire Verteilung der mit der Türkei vereinbarten Flüchtlings-„Kontingente“ verständigt. Von all dem sind wir weit entfernt – mit der Folge, dass Deutschland auch künftig die Hauptlast zu tragen hat und das Thema eines „Kurswechsels“ auf der Tagesordnung bleibt.

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