Deutschland diskutiert über das neue Zivilschutzkonzept. Bürger sollen sich für den Fall schwerer Katastrophen oder eines bewaffneten Angriffs wappnen. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitungruft die Bundesregierung in ihrem neuen Zivilschutzkonzept dazu auf, "einen individuellen Vorrat an Lebensmitteln von zehn Tagen" und für einen Zeitraum von fünf Tagen je zwei Liter Wasser pro Person und Tag vorzuhalten. Ziel sei es, dass sich die Bevölkerung vorübergehend selbst versorgen könne, bis staatliche Maßnahmen greifen, zitiert die Zeitung aus dem Text. Er wurde vom Bundesinnenministerium erarbeitet. Der Professor Lars Gerhold von der Freien Universität Berlin erklärt, was hinter dem Konzept steckt.
Herr Professor Gerhold, ist Deutschland auf einen Ernstfall gut vorbereitet?
Gerhold: Deutschland ist bereits sehr gut vorbereitet, auch ist es gut, dass solche Konzepte ständig erneuert beziehungsweise verbessert werden. Interessanterweise hat sich in unserer Forschung über neue Strategien der Ernährungsnotfallvorsorge gezeigt, das über 80 Prozent der Haushalte in Deutschland über Vorräte für zwei bis drei Tage verfügen.
Nun ist die Rede von einem neuen Zivilschutzkonzept. Was halten Sie von der Vorstellung des neuen Konzepts?
Gerhold: Die Art und Weise der öffentlichen Diskussion ist etwas übertrieben. Wichtig ist sich bewusstzumachen, dass es Katastrophen wie ein Stromausfall geben kann und man in diesem Fall ausreichend Wasser zu Hause haben sollte. Das Wort "Hamsterkäufe" hat ja seit gestern die Runde in den Medien gemacht und Menschen wird das Bild vom Kalten Krieg vor Augen geführt. Das ist nicht sinnvoll. In diesen Konzepten geht es vor allem um Katastrophenschutz. Stromausfälle oder Überschwemmungen sind auch nicht deutschlandweite Vorfälle, sondern lokale Probleme, die bewältigt werden müssten.
Wie sinnvoll ist ein solches Konzept zum Schutz der Bevölkerung?
Gerhold: Ein Konzept zum Schutz der Bevölkerung ist auf jeden Fall wichtig. Das aktuelle Notfall- und Katastrophenvorsorgesystemist aus dem Jahr 2002 und wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2011 und der Elbeflut 2002 überarbeitet. Die Versorgung der Bevölkerung im Falle einer Ernährungsversorgungskrise ist nicht neu. Die Änderungen zumeist relativ unspektakulär.
Warum müssen ständig Änderungen an solchen Konzepten vorgenommen werden?
Gerhold: Ein Großteil der Neuerungen ist unserer sich wandelnden Gesellschaft geschuldet. Große Getreidelager sind nicht mehr sinnvoll, wenn bei einem Stromausfall eine Verarbeitung oder gar eine Auslieferung durch Lastwagen nicht mehr möglich ist. Die Bevölkerung ist daher aufgerufen, einen eigenen Beitrag zur Vorsorge zu leisen. Einzig über die Menge der Lebensmittel zur Bevorratung kann man streiten.
Wie halten das andere Länder?
Gerhold: In einem Land wie Neuseeland, wo täglich Erdbeben drohen, soll man Vorräte für drei Tage anlegen. Japan ein Land mit unheimlichen Platzproblemen empfiehlt der Bevölkerung einen Notfallrucksack anzulegen. Aktuell führt unser Institut eine Forschung über die Katastrophenschutzkonzepte anderer Länder durch, darunter Länder wie die Vereinigten Staaten, Kanada Großbritannien und besagtes Neuseeland. Anders als in Deutschland wird die Bevölkerung aber stärker aufgeklärt und positiver angesprochen.
Was meinen Sie mit "positiver"?
Gerhold: Beispielsweise wird auf großen Plakaten mit Yoda aus "Star Wars" geworben, der die Menschen aufruft sich mit seinen Nachbarn zusammenzutun in Notfällen. Überhaupt ist die Kommunikation mit der Bevölkerung offener. In Deutschland wird ein Zivilschutzkonzept sofort als etwas Negatives wahrgenommen. Ich sehe die aktuelle Diskussion als eine Chance.
Eine Chance für was?
Gerhold: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat auf ihrer Seite eine Broschüre, darin wird auf 68 Seiten das aktuelle Zivilschutzkonzept vorgestellt. Bei unseren Umfragen kam heraus, dass nur sieben Prozent der Bevölkerung von diesen Informationen Kenntnis haben. Eine sachliche Diskussion darüber erhöht hoffentlich die Aufmerksamkeit für die Relevanz dieser Thematik.
Lars Gerhold ist Professor an der Freien Universität Berlin für Interdisziplinäre Sicherheitsforschung und im Forschungsforum Öffentliche Sicherheit. Er war beteiligt an einer jüngst erschienenen Forschung über neue Strategien der Ernährungsnotfallvorsorge. Diese Forschungsergebnisse lagen auch dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe vor, die für das neue Zivilschutzkonzept verantwortlich sind. Am Mittwoch will die Bundesregierung ein neues Konzept verabschieden.