Bernd Lucke war bis 2015 Chef der Alternative für Deutschland, dann gründete er die Partei Alfa - und wirft der neuen AfD-Spitze in der Flüchtlingskrise eine Radikalisierung vor. Wir sprachen mit ihm.
Frage: Herr Lucke, AfD-Chefin Frauke Petry hat mit ihrem Vorstoß zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Sind Sie entsetzt über ihre frühere Mitstreiterin?
Bernd Lucke: Frauke Petry hat das ja nicht zum ersten Mal gesagt. Deshalb wundere ich mich schon, dass sie jetzt zurückrudert. Der Umgang der AfD mit Flüchtlingen ist inhuman, unmenschlich und nicht zu ertragen. Deshalb nehmen wir nach solchen Äußerungen bei Alfa keine AfD-Mitglieder mehr auf. Wir haben einen Aufnahmestopp verhängt.
Wie sehen Sie als ehemaliger Parteigründer die Entwicklung der AfD?
Bernd Lucke: Es schmerzt mich sehr, was aus der AfD geworden ist. Ich hatte diese Radikalisierung auch nicht erwartet. Frauke Petry und ihr Stellvertreter Alexander Gauland tragen dafür gemeinsam die Verantwortung. Sie haben dieser Radikalisierung keinen Einhalt geboten, sondern sie auch noch befördert. Es ist leider eine Entwicklung, die ich mir nie hätte vorstellen können.
Dennoch kann die AfD in den Meinungsumfragen deutlich zulegen.
Bernd Lucke: Der Zuspruch ist ausschließlich durch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung begründet. Die Menschen, die AfD wählen, sind politisch nicht radikal, sondern wegen der ungeordneten Zuwanderung frustriert und besorgt. Es ist also ein Zeichen des Protestes. Die hohen Umfragewerte sind kein Vertrauensvotum für die AfD, sondern ein Misstrauensvotum gegen die Bundesregierung.
Sie haben die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) gegründet und wurden im Juli 2015 zum Bundesvorsitzenden der neuen Partei gewählt. Für welche Politik steht Alfa?
Bernd Lucke: Die AfD ist nach rechts gerückt, die CDU nach links. Die AfD verfolgt in der Flüchtlingskrise eine hässliche Politik, sie will die Leute nicht in Deutschland haben. Die CDU hält dagegen weiter an ihrer Willkommenskultur fest. Wir stehen mit unserer Politik dazwischen. Wir haben eine humanitäre Verpflichtung gegenüber Asylsuchenden, aber wir können das nicht unbegrenzt tun. Und nicht jeder, der zu uns kommt, wird verfolgt.
Sehen Sie sich deshalb in der Nähe der CSU, die ja eine Obergrenze fordert?
Bernd Lucke: Wir nennen das „atmende Obergrenze“. Die Integrationsfähigkeit der Kommunen wird die künftige Flüchtlingspolitik bestimmen. Vor allem dann, wenn Landkreise, Städte und Gemeinden an Grenzen der Aufnahmekapazität stoßen.
Wo setzt Alfa weitere politische Schwerpunkte?
Bernd Lucke: In der Wirtschaftspolitik. Die Eurozone wächst im weltweiten Vergleich am schwächsten. Das sehe ich mit Sorge. Und die Frage stellt sich schon, warum etwa Finnland in der Wirtschaftskraft absinkt und Griechenland trotz aller Bemühungen nicht hochkommt. Liegt es vielleicht doch an der gemeinsamen Währung, dem Euro?
Was bewegt sie noch?
Bernd Lucke: Die Rente allein wird in Zukunft keine ausreichende Altersversorgung mehr sein. Viele ältere Menschen werden unter die Armutsgrenze rutschen. Deshalb schlagen wir für die soziale Absicherung einen Rentenversicherungsfonds vor.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung Ihrer Partei?
Bernd Lucke: Der Trend ist positiv. Wir wachsen und haben inzwischen bundesweit rund 3000 Mitglieder. Alfa wird am 13. März bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt antreten. In Baden-Württemberg sind wir sogar in allen Wahlkreisen vertreten. Ich denke, das ist ein großer Erfolg für die junge Partei.
Bernd Lucke, 53, war Mitbegründer der Alternative für Deutschland (AfD). Nach seiner Abwahl aus dem Vorstand trat er 2015 aus der Partei aus und wurde im Juli 2015 zum Bundesvorsitzenden der neu gegründeten Partei Alfa gewählt. Seit 2014 ist der Professor Mitglied des Europäischen Parlaments.