Griechenlands Schicksalswahl
Zur Parlamentswahl in Griechenland treten an diesem Sonntag insgesamt 21 Parteien an. Es kandidieren 4873 Politiker, unter ihnen 58 Unabhängige.
Acht Parteien haben nach Umfragen eine Chance, die Drei-Prozent-Hürde zu überspringen und damit ins Parlament einzuziehen.
Nea Dimokratia (ND): Die Konservative Partei wird vom Ökonomen Antonis Samaras geführt. Die Partei hatte Griechenland 1981 in die damalige Europäische Gemeinschaft geführt und spricht sich vehement für den Verbleib des Landes im Euroland aus. Samaras hat den Gläubigern des Landes versprochen, am Sparprogramm für Griechenland festzuhalten. Nach den schweren Verlusten bei der Parlamentswahl vom 6. Mai setzt sich die ND für eine Lockerung des Sparprogramms ein. Umfragen erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Nea Dimokratia mit dem Bündnis der Radikalen Linken (Syriza).
Bündnis der Radikalen Linken (Syriza): Ein buntes Bündel linker Bewegungen, das sogar mit der extrem Linken liebäugelt. Syriza ist zwar für den Verbleib in der EU und im Euroland. Athen sollte aber einseitig erklären, dass es seine Schulden nicht bezahlen wird. Parteichef Alexis Tsipras hatte das Bündnis bei den Wahlen am 6. Mai zur zweitstärksten Kraft im Land gemacht. Die Syriza konnte sich auf 16,8 Prozent steigern (2009: 4,7 Prozent).
Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok): Die im November 2011 abgelösten Sozialisten unter ihrem neuen Chef Evangelos Venizelos sind wie die Konservativen für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Dafür müsse das Sparprogramm konsequent durchgesetzt werden. Nach dem Erfolg des Linksbündnisses fordern nun auch die Sozialisten eine Lockerung des Sparprogramms. Umfragen sagen den Sozialisten weitere Verluste voraus. Demnach dürften sie nur noch drittstärkste Kraft im neuen Parlament mit rund 13 Prozent oder sogar weniger werden (2009: 44 Prozent).
Kommunistische Partei Griechenlands (KKE): Die Hardliner- Kommunisten sprechen sich offen für den «Austritt Griechenlands aus der Eurozone und der EU jetzt» aus. Kein Cent solle an die Gläubiger gezahlt werden. Die Partei liegt in Umfragen bei etwa sieben Prozent.
Unabhängige Griechen (AE): Eine Abspaltung aus der konservativen Nea Dimokratia. Die Führung der Unabhängigen Griechen meint, das Land sei «besetzt» von den Geldgebern und müsse «befreit» werden. Athen sollte nichts an die Banken zurückzahlen. Die Partei ist ausländerfeindlich und fordert zudem deutsche Reparationszahlungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Umfragen zeigen, dass auch diese Partei bis etwa sechs Prozent bekommen könnte.
Demokratische Linke (DA): Eine Abspaltung aus dem Bündnis der Linken. Die gemäßigten Linken setzen sich für den Verbleib im Euroland ein. Umfragen sehen diese Partei etwa bei 5 Prozent.
Goldene Morgenröte (XA): Eine rassistische, ausländerfeindliche und faschistische Partei. Die Partei spricht sich für die «Vertreibung» aller Migranten aus Griechenland aus. Viele ihrer Mitglieder sind gewaltbereit. Umfragen sehen die Ultrarechten bei 4,5 Prozent.
Die Ökologen, die freidemokratische Aktion-Partei und die Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS) müssen um ihren Einzug ins Parlament zittern.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Parteien und Protestbewegungen, wie etwa die griechischen Piraten, die bislang noch keinen Erfolg hatten, sowie Maoisten und andere linke und rechte Splitterparteien.
Angesichts der Angst vor einem Staatsbankrott und Euro-Austritt nach der Neuwahl in Griechenland kann das hoch verschuldete Land wohl auf ein Entgegenkommen der Euro-Retter hoffen - allerdings nur in einem Punkt. Über die Laufzeit der Athener Sparprogramme könne noch einmal diskutiert werden, nicht aber über die Inhalte, zitiert das Nachrichtenmagazin "Focus" aus der Umgebung des Eurogruppen-Chefs und luxemburgischen Premierministers Jean-Claude Juncker. Das Angebot, das Sparprogramm zeitlich zu strecken, gelte für jede Regierung, "die sich zur Substanz des Programms bekennt".
Ungewisser Ausgang der Wahlen in Griechenland macht Finanzmärkte nervös
Juncker hatte sich bereits vor der ersten Parlamentswahl in Griechenland im Mai dafür ausgesprochen, den Griechen gegebenenfalls ein Jahr mehr Zeit zu geben, den im Gegenzug für die Milliardenhilfen vereinbarten harten Sparkurs umzusetzen. Auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger deutete in der "Welt am Sonntag" ein Entgegenkommen an: "Die Griechen müssen ihre Zusagen einhalten. Was den Inhalt angeht, gibt es keine Flexibilität, in Hinsicht auf die Umsetzung aber schon." Entscheidend werde dabei sein, wie konstruktiv und stabil sich die neue Regierung in Athen erweise.
Griechenland - Zehn Fakten zum Krisenland
Griechenland, die Hellenische Republik, heißt im Griechischen Elláda (Ελλάδα).
Das Land am Mittelmeer ist eine Parlamentarische Republik.
Auf 131.957 Quadratkilometern leben knapp 11 Millionen Menschen.
Die Nationalfeiertage der Griechen sind am 25. März und 28. Oktober.
Das Kfz-Kennzeichen ist GR, die Internet-TLD .gr und die Telefonvorwahl +30.
Die Hauptstadt Griechenlands ist Athen. Die weiteren größten Städte sind: Thessaloniki, Piraeus und Patrai.
Staatsreligion in Griechenland ist das Orthodoxe Christentum. Etwa 97 Prozent aller Griechen sind orthodox.
Griechenland grenzt an Albanien, Mazedonien, Bulgarien und die Türkei, das als Erzfeind des Landes gilt.
Griechenland ist seit Jahren wegen der Euro-Krise in den Schlagzeilen. Dem Land bekam einen Schuldenschnitt.
Griechenland gehört zur Europäischen Union und hat den Euro als Währung.
Der Ausgang der Wahlen gilt als ungewiss, die Nervosität an den Finanzmärkten ist auch angesichts der Probleme in Spanien und Italien extrem hoch. Im schlimmsten Fall - einem klaren Sieg der radikalen Linken, die wesentliche Bestandteile des Sparprogramms ablehnt - wird von Montag an mit erneuten Verwerfungen gerechnet. Denn falls die internationale Gemeinschaft die Hilfskredite wegen nicht eingehaltener Auflagen kappt, droht dem Land der Staatsbankrott. Ebenso könnte es zu einem Euro-Austritt mit unübersehbaren Folgen kommen. Es gilt daher als wahrscheinlich, dass sich die Euro-Spitzenpolitiker und Notenbanker noch am Sonntagabend über entsprechende Gegenmaßnahmen verständigen, die kurzfristig das Vertrauen an den Märkten sichern sollen.
Gefahr von Ansteckungseffekten nach der Griechenland-Wahl noch nicht gebannt
Der Chef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, kritisierte das bisherige Krisenmanagement der Eurogruppe und damit indirekt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Es wird jeden Tag mehr deutlich, dass die Verschärfung der Krise nicht allein an Griechenland, Portugal oder Spanien liegt, sondern an der Halbherzigkeit der entscheidenden europäischen Politiker", sagte der frühere belgische Regierungschef (1999-2008) dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag), ohne die Kanzlerin namentlich zu nennen. Ihre Unentschlossenheit habe die Krise in den vergangenen Jahren "noch verschärft".
Die 17 Euro-Länder im Vergleich
Österreich: Laut Prognosen steigt die österreichische Staatsverschuldung 2011 auf 73,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, seit 2008 im Amt, steht in der Kritik. Allerdings nicht so sehr wegen der Schuldenkrise, sondern wegen Korruptions- und Untreuevorwürfen.
Spanien: Mit einer Gesamtverschuldung von voraussichtlich 68,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes scheitert auch Spanien an den Maastricht-Kriterien. Der sozialistische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero scheiterte an der Schuldenkrise. Er wird durch den konservativen Mariano Rajoy ersetzt.
Zypern: Mit einer Schuldenquote von 62,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes scheitert das kleine Land nur knapp an der Maastricht-Hürde von 60 Prozent. Dimitris Christofias ist seit 2008 Staatsoberhaupt und Regierungschef der Inselrepublik, die im Jahr 2004 Mitglied der Europäischen Union wurde.
Slowenien: Auf 42,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden sich die slowenischen Schulden 2011 voraussichtlich belaufen. Damit bleibt das Land im vom Maastricht-Vetrag vorgegebenen Rahmen. Bei den Wahlen im Dezember 2011 dürfte der sozialdemokratische Regierungschef Borut Pahor dennoch sein Amt verlieren.
Slowakei: Die Slowakei gehört mit prognostizierten 44,8 Prozent Verschuldungsquote auch 2011 zu den stabileren Euro-Staaten. Ministerpräsidentin Iveta Radicová kündigte im Oktober vorgezogene Neuwahlen an. Nur unter dieser Bedingung wollte die Opposition der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms zustimmen.
Portugal: Portugal ist mit geschätzten 101,7 Prozent Staatsverschuldung einer der Wackelkandidaten unter den Euro-Ländern. Pedro Passos Coelho ist seit Juni 2011 Premierminister. Er folgte auf José Sócrates, der im März nach einer gescheiterten Abstimmung über das Sparpaket seiner Regierung zurückgetreten war.
Niederlande: Die Verbindlichkeiten wachsen bis zum Ende dieses Jahres voraussichtlich auf 63,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Aus den vorgezogenen Neuwahlen Ende 2010 ging der Liberale Mark Rutte als Sieger hervor. Seine Regierung wird vom Rechtspopulisten Geert Wilders toleriert.
Malta: Der Inselstaat im Mittelmeer wird seine Schulden im laufenden Jahr nach bisherigen Prognosen bei 68 Prozent des Bruttoinlandsproduktes halten. Bereits seit mehr als sieben Jahren ist Lawrence Gonzi Regierungschef Maltas. Unter seiner Führung trat das Land im Mai 2004 der Europäischen Union bei.
Luxemburg: Mit einer Gesamtverschuldung von etwa 17,2 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2011 ist Luxemburg eines von nur fünf Ländern, die die Kriterien des Maastricht-Vertrages einhalten. Auch politisch ist das kleine Land ein Hort der Stabilität. Jean-Claude Juncker ist bereits seit 1995 Premierminister.
Italien: Seit Monaten wird über Rettungsgelder für Italien spekuliert. Die Staatsschulden steigen 2011 auf geschätzte 120,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach langem Tauziehen trat Ministerpräsident Silvio Berlusconi zurück. Nachfolger Mario Monti bildete eine Übergangsregierung.
Irland: Irland hatte als erstes Land Rettungsgelder in Anspruch genommen. Die Staatsschulden steigen in diesem Jahr auf schätzungsweise 112 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt). Regierungschef Brian Cowen stürzte über die Schuldenkrise. Seit März 2011 ist Enda Kenny irischer Ministerpräsident.
Griechenland: Mit einer dramatischen Schuldenquote von 157,7 Prozent der Wirtschaftsleistung bringt Griechenland die Euro-Zone in die größten Schwierigkeiten. Seit November 2011 ist Lucas Papademos Regierungschef. Er löste Giorgos Papandreou ab, der wegen seines harten Sparkurses massiv unter Druck geraten war.
Frankreich: Die französische Staatsverschuldung steigt weiter. In 2011 wird ein Wert von 84,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat in der Krise an Rückhalt verloren. Bei den Wahlen 2012 droht ihm der Machtverlust.
Finnland: Auf 50,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes schätzt die europäische Statistikbehörde Eurostat die finnische Staatsverschuldung in 2011. Der konservative Ex-Finanzminister Jyrki Katainen ist seit Juni 2011 Ministerpräsident. Er löste Mari Johanna Kiviniemi nach nur einem Jahr im Amt ab.
Estland: Estland ist der Musterschüler unter den Euro-Ländern. Die Staatsschulden fallen 2011 voraussichtlich auf 6,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der diplomierte Chemiker Andrus Ansip lenkt seit 2005 als Premierminister die Geschicke des nordeuropäischen Staates, der 2004 der EU beitrat.
Deutschland: Deutschland gilt als Stabilitätsgarant in Europa. Mit einer Schuldenquote von 82,4 Prozent der Wirtschaftsleistung verstößt aber auch die Bundesrepublik gegen die Stabilitätskriterien. Angela Merkel (CDU) ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Ihre Koalition hat seit der letzten Wahl deutlich an Zuspruch verloren.
Belgien: Mit prognostizierten 97 Prozent Staatsschulden in Relation zur Wirtschaftsleistung gehört Belgien zu den Sorgenkindern. Seit Juni 2010 gibt es in Brüssel keine gewählte Regierung – ein unrühmlicher Weltrekord. Die Hoffnungen, dass sich daran bald etwas ändert, erhielten im November 2011 einen empfindlichen Dämpfer.
Die Gefahr von Ansteckungseffekten nach der Griechenland-Wahl sei keineswegs gebannt. "Wir haben keine ausreichende Maßnahme getroffen, um ein Übergreifen der Eurokrise zu verhindern. Die sogenannte Brandmauer wird wenig nützen, um den Euro zu bewahren", meinte Verhofstadt. Europa brauche stattdessen eine Bankenunion, eine Fiskalunion und eine politische Union.
Bank-Run der Griechen für nächste Woche befürchtet
Abhängig vom Wahlausgang könnten die griechischen Banken in der neuen Woche zunächst geschlossen bleiben, berichtet der "Focus" unter Berufung auf Brüsseler Kreise. Gefürchtet wird ein sogenannter Bank-Run, bei dem Griechen massenhaft ihre Sparguthaben abheben und damit auch in anderen Krisenländern Panik auslösen. Dieses Szenario gilt als besonders gefährlich. Auf EU-Ebene soll daher auch über sogenannte Kapitalverkehrskontrollen, die den Transfer oder auch das Abheben von Geld einschränken, diskutiert worden sein. Sie sind jedoch rechtlich umstritten. dpa/AZ