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Arbeitsmarkt: Es wird ein "Mindestlohn mit Augenmaß"

Arbeitsmarkt

Es wird ein "Mindestlohn mit Augenmaß"

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    Auch in Deutschland wird bald ein Mindestlohn gelten.
    Auch in Deutschland wird bald ein Mindestlohn gelten. Foto: Hannibal Hanschke, dpa

    Halb zog man sie, halb sanken sie hin. Wenn der Bundestag morgen den neuen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde beschließt, werden auch die meisten Abgeordneten des Wirtschaftsflügels von CDU und CSU mit Ja stimmen. Wie schon bei der Rente mit 63 hat die Union den Sozialdemokraten auch diesmal noch eine Reihe von Zugeständnissen abgerungen, die ihr das Votum für ein höchst umstrittenes Gesetz erleichtern. Die jetzt gefundene Lösung, findet die Landesgruppenvorsitzende der CSU, Gerda Hasselfeldt, „entspricht der Lebens- und der Arbeitswirklichkeit.“

    Leistung soll sich lohnen und fair entlohnt werden

    Bis kurz vor dem Anpfiff des Deutschland-Spieles saßen die Sozialexperten der Koalitionsfraktionen am Montagabend zusammen, um die berühmte Kuh vom Eis zu holen. Mit einer Reihe von Ausnahmen für Praktikanten, Saisonarbeiter und Zeitungszusteller wird der ursprüngliche Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles nun so entschärft, dass auch die Union ihren Frieden mit dem Mindestlohn machen kann. „Leistung muss sich lohnen und fair bezahlt werden“, sagt der Allgäuer Stephan Stracke, der für die CSU verhandelt hat und das Ergebnis einen „Mindestlohn mit Augenmaß“ nennt. Seine Kollegin von der SPD, die baden-württembergische Abgeordnete Katja Mast, spricht etwas euphorischer von einer „historischen Woche.“ In ihren Augen ist der Mindestlohn für die Ewigkeit gemacht: „Ich kann mir keine Regierung vorstellen, die das wieder abschafft.“

    21 von 28 Ländern der Europäischen Union haben bereits einen gesetzlichen Mindestlohn – dabei reicht die Spanne gegenwärtig von etwas mehr als einem Euro in Bulgarien bis zu 11,10 Euro in Luxemburg. In der Bundesrepublik werden nach Berechnungen der SPD-Fraktion etwa vier Millionen Menschen, die jetzt weniger als 8,50 Euro die Stunde verdienen, von ihm profitieren. Damit Parteien sich in künftigen Wahlkämpfen nicht mit immer höheren Versprechen für den Mindestlohn überbieten, orientiert sich die Große Koalition mit ihrem Gesetz stark am Vorbild der britischen „Low Pay Commission“. Danach wird der Bundestag nur ein einziges Mal über die Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes entscheiden – nämlich an diesem Donnerstag.

    Sind 8,50 Euro Mindestlohn pro Stunde zu wenig?

    Alles Weitere ist dann Sache einer noch einzurichtenden Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften, die sich alle zwei Jahre trifft, um zu überprüfen, ob die 8,50 Euro noch zeitgemäß sind oder ob der Stundensatz möglicherweise angehoben werden muss. Zum ersten Mal steigen kann er nach diesem Mechanismus im Jahr 2017 – ein Jahr früher, als bisher von der Sozialministerin geplant. In ihre Überlegungen muss die neue Kommission dabei unter anderem die allgemeine Tarifentwicklung, die gestiegene Produktivität und die Auswirkungen des Mindestlohnes auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und den Arbeitsmarkt mit einbeziehen.

    Branchen wie dem Fleischer- oder dem Friseurhandwerk, deren Tariflöhne teilweise noch unter dem neuen Mindestlohn von 8,50 Euro liegen, baut die Koalition „eine Brücke“, wie SPD-Expertin Mast es formuliert. Sie müssen den Mindestlohn nicht schon Anfang kommenden Jahres, sondern erst zum 1. Januar 2017 einführen. Eine ähnliche Regelung gilt in leicht abgeänderter Form auch für die Zeitungszusteller, die bisher nicht nach Stunden, sondern nach Stückzahlen entlohnt werden, sowie für Erntehelfer und Saisonarbeiter in der Landwirtschaft oder der Gastronomie.

    Mindestlohn für Praktikanten oder Azubis: Erst nach drei Monaten

    Bei Praktika, die für die Ausbildung oder das Studium verpflichtend verlangt werden, muss der Mindestlohn künftig erst nach drei Monaten gezahlt werden. Ursprünglich hätte das, so Stracke, bereits nach vier Wochen der Fall sein sollen. Unternehmen, die einen Langzeitarbeitslosen einstellen, dürfen im ersten halben Jahr ebenfalls weniger als 8,50 Euro pro Stunde bezahlen.

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