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Mittelmeer: Eine schwimmende Klinik für Flüchtlinge

Mittelmeer

Eine schwimmende Klinik für Flüchtlinge

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    Der Versorger "Berlin" könnte im Mittelmeer Flüchtlinge aufnehmen, die an Bord auch medizinisch betreut werden.
    Der Versorger "Berlin" könnte im Mittelmeer Flüchtlinge aufnehmen, die an Bord auch medizinisch betreut werden. Foto: Ingo Wagner

    Es wird seine Zeit dauern, bis sie da sind. Mindestens zwölf Tage benötigen der Versorger „Berlin“ und eine ihn begleitende Fregatte für die 4600 Kilometer bis ins westliche Mittelmeer, das nahezu täglich Schauplatz neuer Flüchtlingsdramen wird. Die beiden Schiffe aus einem Ausbildungsverband der Marine patrouillieren bisher im Golf von Aden, einem der gefährlichsten Seegebiete der Welt, um dort Handelsschiffe vor somalischen Piraten zu schützen.

    Nun allerdings werden sie andernorts dringender gebraucht: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für die Hilfsaktion der EU im Mittelmeer zwei Schiffe der Bundeswehr angeboten. Vor allem die „Berlin“ kann dabei wertvolle Dienste leisten: Sie hat auch eine mobile Klinik mit 45 Betten an Bord, deren Ausrüstung es mit jedem Kreiskrankenhaus aufnimmt.

    Deutsche Beteiligung an Militärschlag noch unklar

    Flüchtlingsrouten nach Europa

    Von Libyen nach Italien: Auf dem Land- und Seeweg ist die Route von der libyschen Küste über das zentrale Mittelmeer nach Süditalien mit 170 757 registrierten Grenzübertritten im vergangenen Jahr die mit Abstand wichtigste. Dort ereignete sich auch das jüngste Bootsunglück.

    Die Westafrika-Route: Wichtige Korridore sind auch die in Nordafrika gelegenen spanischen Exklaven Ceuta und Melilla sowie die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln.

    Der östliche Mittelmeerraum: Der Land- und Seeweg mit dem Ziel Griechenland beginnt zum Beispiel im ägyptischen Alexandria oder er führt auf verschiedenen Strecken über die Türkei und dann weiter auf der Westbalkanroute nach Ungarn sowie der Route entlang der EU-Ostgrenze.

    Der Luftweg: Nach Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex reisen die meisten sogenannten illegalen Flüchtlinge jedoch mit dem Flugzeug nach Europa ein.

    Massengrab Mittelmeer: Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Mittelmeer mehr als 1500 Menschen ertrunken. Zum selben Zeitpunkt im Vorjahr waren es demnach 108. Insgesamt zählte die Organisation im vergangenen Jahr 3291 tote und vermisste Flüchtlinge. Damit verläuft zwischen Europa und Afrika die „tödlichste Grenze der Welt“, wie es in einem IOM-Report heißt. Dort ereigneten sich 2014 drei Viertel der weltweiten Todesfälle von Flüchtlingen.

    Triton: In der EU lief im vergangenen Jahr die italienische Seenotrettungsaktion Mare Nostrum aus und wurde durch Triton ersetzt. Das Programm läuft unter dem Dach von Frontex und stellt den Schutz der Grenzen in den Vordergrund. Es beschränkt sich anders als Mare Nostrum auf die 30 Seemeilen von der italienischen Küste. Zudem stehen nur ein Drittel des finanziellen Budgets und wesentlich weniger Ressourcen zur Verfügung. (kna)

    Während sich das politische Berlin noch darüber streitet, ob der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag wenigstens ein kleiner Erfolg war oder doch nur eine Alibi-Veranstaltung, laufen im Verteidigungsministerium bereits die Vorbereitungen für den neuen Einsatz. So könnte nach Auskunft eines Ministeriumssprechers bei Bedarf auch noch medizinisches Personal aus der Bundesrepublik auf die „Berlin“ geflogen werden.

    Ob sich Deutschland darüber hinaus auch an dem geplanten Militärschlag gegen die Schleuser beteiligt, bei dem deren Schiffe aufgespürt und beschlagnahmt beziehungsweise zerstört werden sollen, ist noch unklar. Dazu wäre nach Einschätzung aus Regierungskreisen wohl ein entsprechendes Mandat der Vereinten Nationen nötig, um das sich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erst noch bemühen muss. Das aber sei eine eher nachrangige Frage, sagt Ursula von der Leyen. Die humanitäre Hilfe sei jetzt absolut vordringlich.

    Zahlreiche EU-Staaten unterstützen die Mission

    Das Versorgungsschiff „Berlin“ sei in der Lage, bis zu 250 Menschen aufzunehmen, rechnet die Verteidigungsministerin am Rande eines Besuches im polnischen Stettin vor. Die deutlich kleinere Fregatte soll das Meer nach Booten mit Flüchtlingen absuchen, die in Not geraten könnten. Wie die Bundesregierung haben sich auch zahlreiche andere EU-Staaten bereit erklärt, die Mission mit Schiffen, mit Flugzeugen, Ausrüstung oder Experten zu unterstützen.

    Frankreich, zum Beispiel, will ein Patrouillenboot, einen Hochseeschlepper und mehrere Aufklärungsflugzeuge zur Verfügung stellen, Großbritannien das Flaggschiff seiner Marine, die „HMS Bulwark“, drei Hubschrauber und drei Küstenschutzboote. Selbst das kleine Litauen hat einen Rettungshubschrauber und zehn Mann Besatzung angeboten.

    Mit der geplanten Mission der EU würde auch die private Schifffahrt entlastet, die im Mittelmeer in den vergangenen Wochen die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat. Deutsche Handelsschiffe haben nach Auskunft des Verbandes Deutscher Reeder seit Beginn des Jahres mehr als 5000 Flüchtlinge aus Seenot gerettet.

    Für die eigenen Seeleute sei das eine gewaltige psychische Belastung, weil immer wieder Menschen vor ihren Augen ertränken oder nach ihrer Rettung an Bord an Unterkühlung sterben, betont Präsidiumsmitglied Ralf Nagel gegenüber der Deutschen Presseagentur. „Trotz aller Vorbereitungen sind Handelsschiffe nicht für die Rettung und die medizinische Versorgung von teilweise mehreren hundert Flüchtlingen ausgerüstet.“

    Vorgehen gegen Schleuser nur unter UN-Mandat

    Nach dem sogenannten Seerechtsübereinkommen muss jeder Staat die unter seiner Flagge fahrenden Kapitäne verpflichten, Menschen in Lebensgefahr auf hoher See so schnell wie möglich zu Hilfe zu eilen und sie zu retten, sofern er dadurch nicht das eigene Schiff, die eigene Besatzung oder die eigenen Fahrgäste gefährdet.

    Nicht ganz so hilfreich ist die Antwort auf eine andere rechtliche Frage – nämlich die, wer ein Schleuserboot eigentlich unschädlich machen darf. Solange es keine entsprechende Resolution der Vereinten Nationen gebe, sagt Martin Schäfer, der Sprecher des Auswärtigen Amtes, dürfe das streng genommen nur ein Kriegsschiff des Landes, unter dessen Flagge der Kutter fährt. In diesem Fall wäre das dann das libysche Militär – oder das, was in einem zerfallenden Staat noch von ihm übrig ist.

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