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Digitales: Soziale Medien - ein Machtfaktor im Wahlkampf

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Soziale Medien - ein Machtfaktor im Wahlkampf

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    Viele Politikerinnen und Politiker nutzen mittlerweile intensiv und virtuos die sozialen Medien für den Wahlkampf.
    Viele Politikerinnen und Politiker nutzen mittlerweile intensiv und virtuos die sozialen Medien für den Wahlkampf. Foto: Yui Mok, dpa

    Der Wahlkampf ist für Ricarda Lang in vollem Gange. Die 27-Jährige kandidiert für die Bundestagswahl im Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg. Vormittags war die Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Grünen mit ihrem Stand auf dem Markt in Mutlangen, einer Gemeinde in der Nähe von Schwäbisch Gmünd. In ihrem Kalender stehen zudem Besuche bei lokalen Unternehmen und eine Flyer-Aktion. An diesem Tag erreicht sie mit ihrem Programm nicht nur die Menschen vor Ort, sondern auch ihre 16.400 Abonnenten und Abonnentinnen auf Instagram, mit denen sie ihren Tag teilt. „Soziale Medien sind ein wichtiger Teil meiner Arbeit als Politikerin, um Einblicke in meinen Alltag zu geben und dadurch auch Politik anfassbar und verständlicher zu machen“, sagt Lang in einem Telefongespräch mit unserer Redaktion, für das sie zwischen ihren Terminen kurz Zeit gefunden hat.

    Ricarda Lang ist im Netz sehr aktiv. Allerdings kann sie auch von Anfeindungen und Hasskommentaren in den sozialen Medien berichten.
    Ricarda Lang ist im Netz sehr aktiv. Allerdings kann sie auch von Anfeindungen und Hasskommentaren in den sozialen Medien berichten. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Für ihre politische Arbeit nutzt Ricarda Lang verschiedene Plattformen, die alle eine andere Zielsetzung und Wirkweise haben. Auf Facebook teilt sie mit ihren knapp 1400 Abonnenten und Abonnentinnen ihre Wahlkampfthemen, die im Wahlkreis wichtig sind. Twitter nutzt sie mit ihren über 49.500 Followern, als Nachrichtenquelle und um mit Journalisten und Journalistinnen zu kommunizieren. Auf Instagram zeigt sie, was sie in der Woche vor hat, nimmt Interessierte digital mit zu ihren Terminen, spricht in Live-Gesprächsformaten und tauscht sich mit den Menschen direkt aus. Seit ein paar Monaten nutzt sie TikTok, um eine jüngere Zielgruppe für Politik zu begeistern.

    Experte Juri Schnöller sieht großes Potenzial für soziale Medien im Wahlkampf

    Mit den sozialen Medien und Politik kennt Juri Schnöller sich aus. Er ist Mitgründer des Berliner Politik-Tech-Start-up Cosmonauts & Kings, das Parteien und Organisationen berät, wie sie ihre Zielgruppe digital optimal erreichen. Über die Rolle der sozialen Medien in der Politik sagt der Experte: „Es gibt einen alten Spruch in der politischen Kommunikation: Politik muss dort stattfinden, wo die Menschen sind. Also, wenn immer mehr Menschen ihre politischen Informationen online beziehen, dann müssen dort Parteien sowie Politiker und Politikerinnen präsent sein.“ Einerseits könnten auf den sozialen Medien politische Themen einfach platziert werden, andererseits gebe es auch die Chance, in einen Dialog zu treten und Erkenntnisse über Bürgerinnen und Bürgerinnen zu erhalten.

    Ein wichtiger Aspekt für soziale Medien und Politik ist dem Digital-Experten Schnöller zufolge Authentizität. Wie sieht wirklich ein Tag eines Politikers oder einer Politikerin aus, was erleben sie, wonach streben sie inhaltlich, welchen Einfluss können sie nehmen. Niemals seien die sozialen Medien eine einseitige Kommunikation, sondern immer eine Dialogplattform. „Je authentischer ein Politiker oder eine Politikerin eine Plattform nutzt, desto interessanter ist es für die Menschen. Aber im Zweifel gilt: Lieber einen Kanal gut machen, anstatt viele Kanäle schlecht“, erklärt Schnöller.

    Die sozialen Medien nutzt Ricarda Lang für ihre Arbeit systematisch, seitdem sie 2017 zur Bundessprecherin der Grünen Jugend gewählt wurde. Mittlerweile verbringt sie täglich für ihre Arbeit etwa eine Stunde auf den Plattformen. Von Tag zu Tag fällt das jedoch unterschiedlich aus. Manchmal konsumiert sie nur, an anderen Tagen nimmt sie an einer Twitter-Debatte teil oder ist zu Gast in einem Instagram-Live-Gespräch.

    Ricarda Lang war schon mit Morddrohungen konfrontiert

    Doch Ricarda Lang schlägt auf den sozialen Medien seit Jahren auch Hass entgegen. . Egal ob sie sich zu Lohngleichheit oder Kohlekraft äußert: Sie erhält auch Reaktionen zu ihrem Äußeren. In ihren Kommentaren und Privatnachrichten erreichten sie alles von Beleidigungen zu ihrem Körper bis zu Morddrohungen. „Oft ist der Hass gegen Frauen auf den sozialen Medien persönlicher und sexualisierter. Man wird explizit als Frau angegriffen, auch weil man aus der Politik verdrängt werden soll.“

    Für Lang ist trotzdem klar, dass ihre Arbeit als Politikerin und soziale Medien zusammengehören. Fällt ihr das als junge Politikerin, die mit dem Internet aufgewachsen ist, leichter? Das sieht sie nicht so: „Als Digital Native aufzuwachsen, ist bestimmt ein Vorteil, aber ich finde nicht, dass das eine Frage des Alters ist.“ Ältere Politiker seien auch auf Twitter, Instagram oder sogar TikTok unterwegs. Das könne man eben lernen.

    Ruprecht Polenz hat sich auf Twitter kapriziert. Für ihn keine Last, sondern Lust. Der CDU-Politiker schätzt die Möglichkeiten, zum Meinungsaustausch.
    Ruprecht Polenz hat sich auf Twitter kapriziert. Für ihn keine Last, sondern Lust. Der CDU-Politiker schätzt die Möglichkeiten, zum Meinungsaustausch. Foto: Fredrik von Erichsen, dpa

    Einer dieser älteren Politiker ist Ruprecht Polenz. Mit seinen 75 Jahren ist der ehemalige CDU-Generalsekretär und frühere Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses auf Twitter und Facebook aktiv. Immer wieder sorgt er dort für Furore, besonders auf Twitter, wo ihm über 63.500 Personen folgen. Seine Motivation: „Ich hatte schon immer den Wunsch nach Diskussionen. Es ist wichtig zu diskutieren, um politischen Einfluss zu nehmen und auch das Denken zu beeinflussen“, erklärt er am Telefon. In seinen bisher über 30.500 Tweets setzt sich Polenz mit Klimazielen, Extremismus und anderen politischen Themen auseinander. Seine Kurznachrichten werden täglich tausende Mal gelikt, geteilt und kommentiert.

    Für Polenz gehört es mittlerweile zum Politkerdasein dazu, auf den sozialen Medien aktiv und erreichbar zu sein. „Eine Abgeordnete oder ein Kommunalpolitiker sollte die sozialen Medien nicht nur als Senderplattform, sondern als Gesprächsmöglichkeit nutzen“, fordert er. Viele machten das seiner Ansicht nach bisher verkehrt. Den Kontakt zu den Wählern und Wählerinnen könnten Politiker und Politikerinnen als Chance nutzen, um die Demokratie zu stärken.

    Inzwischen verbringt Polenz drei bis fünf Stunden täglich online. Er empfindet es als geistige Anregung, kann sich so über Themen informieren, Einfluss auf Diskussionen nehmen, aber sich auch über andere Sichtweisen informieren. „Als meine Generation in die Politik gekommen ist, da gab es noch kein Mobiltelefon“, sagt er und lacht. Polenz vermutet, dass es mit der Bundestagswahl mehr Politiker und Politikerinnen geben wird, die digital präsent sind.

    Es gibt kein zurück: Politik ohne soziale Medien wird fast unmöglich

    Eine Prognose, die Juri Schnöller bestätigt: „Nach der Wahl wird es im Bundestag einige jüngere Gesichter geben – ein Wechsel steht an. Die Generation Merkel tritt langsam ab und jetzt kommen Personen nach, die die sozialen Medien verstehen.“ Für den Experten gibt es da bereits eine deutliche Entwicklung. Kann Politik in Zukunft überhaupt noch ohne soziale Medien funktionieren? „Nein“, ist die knappe Antwort von Juri Schnöller. Sein Fazit: „Gerade als Politiker in einer digitalisierten Gesellschaft muss ich dort stattfinden, um meinen Anliegen Gehör zu verschaffen.“

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