Die Piratenpartei schwenkt auf einen links-liberalen Kurs ein. Auf ihrem Bundesparteitag beschlossen die rund 1.300 anwesenden Mitglieder, die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen im Parteiprogramm zu verankern. Zudem verlangten die Piraten am Wochenende in Offenbach, den Konsum und Erwerb von bisher illegalen Drogen freizugeben. Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher sollen abgeschafft und die ausufernde Leiharbeit begrenzt werden. Auch pochen die Piraten auf eine striktere Trennung von Kirche und Staat.
Die Parteispitze sieht in den Beschlüssen jedoch keinen Linksruck. "Das bedingungslose Grundeinkommen wird in allen Teilen der Gesellschaft diskutiert", sagte der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz am Sonntag. Er verwies darauf, dass die Linkspartei dieses Konzept abgelehnt habe, während es in der CDU starke Unterstützer gebe.
In den Drogenbeschlüssen heißt es: "Die bisherige Kriminalisierung der Konsumenten muss beendet und der damit verbundene Schwarzhandel durch kontrollierte Erwerbsstrukturen ersetzt werden." Damit übernimmt die Bundespartei Positionen, die zuvor bereits von den Landesverbänden NRW und Berlin beschlossen worden waren. Ein Bekenntnis zu Europa verbanden die Piraten mit Kritik an demokratischen Defiziten bei der Entstehung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM. Ebenfalls soll die Einführung eines fahrscheinlosen Nahverkehrs geprüft werden.
Bislang sind die Piraten vor allem als Internetpartei wahrgenommen worden. Nach dem Wahlerfolg von Berlin, wo ihr mit 8,9 Prozent der Sprung ins Abgeordnetenhaus gelang, sieht sich die Partei jedoch mit großen Erwartungen konfrontiert. "Die Piratenpartei ist jetzt in der Realpolitik angekommen", bilanzierte Nerz.
Parteitag wegen Überfüllung geschlossen
Dass die Partei auch Opfer ihres eigenen Erfolgs und basisdemokratischen Konzepts werden könnte, zeigte sich am Samstag deutlich. Wegen langer Schlangen vor dem Einlass verzögerte sich der Beginn des Parteitags zunächst um eine Stunde. Dann stellte sich heraus, dass wegen Überfüllung nicht alle angereisten Mitglieder in die für 1.500 Besucher zugelassene Stadthalle hinein konnten.
Hintergrund ist, dass die Parteispitze den Parteitag noch vor der Berlin-Wahl geplant hatte. Seitdem ist die Zahl der Mitglieder aber um mehr als die Hälfte auf fast 19.000 gestiegen.
Dennoch will die Partei an ihrem basisdemokratischen Prinzip festhalten und weiterhin alle ihre Mitglieder zu ihren Bundesparteitagen zulassen. "Wir müssen für das nächste Mal eine größere Halle suchen oder andere Konzepte wie dezentrale Parteitage ausarbeiten", sagte Nerz. Er erteilte einem Delegiertensystem, wie es in anderen Parteien üblich ist, eine Absage.
Auch die Tatsache, dass der Beschluss zum bedingungslosen Grundeinkommen alles andere als konkret ist, entspricht dem neuen Politikstil der Piraten. "Wir fordern, dass die Bevölkerung entscheidet, nicht Politiker. Wir wollen auch nicht, dass wir entscheiden", sagte Antragsteller Johannes Ponader, ein 34 Jahre alter Theaterpädagoge, im dapd-Interview.
Nerz warnt vor Spaltung
Der Widerstand gegen den Beschluss war jedoch so groß, dass die Partei einige Mitglieder und Anhänger damit verprellen könnte. Er sei traurig über jedes Mitglied, das die Partei verlasse, sagte Nerz. Er könne jedoch nachvollziehen, wenn ein Mitglied eine inhaltliche Übereinstimmung mit der Partei durch einen solchen Beschluss nicht mehr gegeben sehe.
Nerz hatte die Piraten zu Beginn des Treffens vor einer Spaltung gewarnt. Diese Warnung habe sich jedoch nicht auf die Diskussion über das Grundeinkommen bezogen. Nach den Anfangserfolgen könnten die ersten Mandatsträger in der Tagespolitik Fehler machen, die eine Partei dann spalten könnten. Derzeit hat die Partei 176 Mandate in ganz Deutschland, darunter 15 im Berliner Abgeordnetenhaus.
Bis zur Bundestagswahl im September 2013 planen die Piraten noch drei Parteitage bevor, um das Wahlprogramm zu diskutieren. Voraussichtlich soll es im Frühjahr 2013 beschlossen werden.Friedhelm Greis, dapd