Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Autonome Fahrzeuge: Der Computer übernimmt das Steuer

Autonome Fahrzeuge

Der Computer übernimmt das Steuer

    • |
    Sind Roboterautos die Zukunft?
    Sind Roboterautos die Zukunft? Foto: Google, dpa /Symbolbild

    Herr Professor Bratzel, acht von zehn Deutschen geben nach einer Umfrage der Boston Consulting Group an, gut und gerne Auto zu fahren. Wie sieht es mit Ihnen aus?

    Stefan Bratzel: Ich fahre gern Auto, aber nicht überall. Zu meinem Arbeitsplatz radle ich lieber. Jetzt erreichen Sie mich im Auto. Wir fahren aus dem Urlaub zurück und gleiten über eine französische Autobahn.

    Fährt Ihre Frau?

    Stefan Bratzel: Nein, ich fahre.

    Können wir da ein Interview führen?

    Stefan Bratzel: Das geht wunderbar. Mein Auto ist teilautonom unterwegs. Ich muss gerade nicht lenken. Der Abstandsregel-Tempomat ist auch an. Daneben arbeitet das automatische Spurhaltesystem. Die Hände muss man aber nach wie vor am Lenkrad lassen und den Straßenverkehr beobachten. Das ist erst eine Anfangsstufe des autonomen Fahrens. Sie müssen sich keine Sorgen machen, ich nutze natürlich auch eine Freisprecheinrichtung. Wenn jetzt schon richtig autonom fahrende Autos zugelassen wären, könnte ich meinen Sitz nach hinten drehen und mit meinen Kindern „Mensch ärgere dich nicht“ spielen.

    Haben Sie ein gutes Gefühl, einem von Menschen programmierten Computer so viel Verantwortung zu übertragen?

    Stefan Bratzel: Ich könnte mir sogar vorstellen, es auf bestimmten Wegen Roboterautos vollständig zu überlassen, mich von A nach B zu bringen. Dazu sind aber noch technische Entwicklungen notwendig. Ich bin überzeugt, dass sich durch autonom fahrende Autos die Zahl der Verkehrsunfälle und damit der Verkehrstoten deutlich verringern wird.

    Tragische Unfälle mit autonomen Autos werden häufiger passieren

    Ein selbstständig fahrendes Tesla-Auto ist in einen Lkw gerast. Das kostete den Fahrer das Leben. Wirft das Unglück das autonome Fahren zurück?

    Stefan Bratzel: Das wirft uns nicht nachhaltig zurück. Leider werden solche tragischen Fälle häufiger passieren. Die Erkenntnis aus dem Tesla-Fall ist ganz klar: Bei der Umsetzung von Visionen geht Sicherheit vor Schnelligkeit. Zu langsam dürfen die Autohersteller aber auch nicht sein. Denn der technische Fortschritt kann Menschenleben retten.

    Tesla-Chef Elon Musk glaubt, schon in zwei Jahren könnten sich vollautonome Autos durchsetzen.

    Stefan Bratzel: Das glaube ich nicht. Bis Autos ohne Lenkrad unterwegs sind, dauert das noch viele Jahre.

    Könnten es Jahrzehnte werden, wie Daimler-Chef Dieter Zetsche sagt?

    Stefan Bratzel: Ich glaube, es geht zum Teil schneller. So ist es in einigen Jahren denkbar, dass Fahrer auf Autobahnen zeitweise die Hände vom Lenkrad und die Augen von der Straße nehmen können. Es wird aber noch zehn Jahre oder sogar länger dauern, ehe Autos voll autonom unterwegs sind. Dann muss praktisch nur noch das Ziel eingegeben werden, den Rest macht das Roboterauto.

    Ist das autonome Fahren vor allem ein Projekt für Autobahnen?

    Stefan Bratzel: Ich kann mir das auch sehr gut in Städten vorstellen. Da wird es sicher Modellprojekte geben, wo Autos auf bestimmten Strecken oder in Innenstadtbereichen selbstständig unterwegs sind. Das könnten Taxis sein, die nur zehn bis 20 Kilometer pro Stunde fahren. Solche Versuche sind in drei bis fünf Jahren denkbar. Aber gerade für die Anwendung in Städten muss die Technik weiterentwickelt werden, damit Roboterautos richtig auf Fußgänger, Radfahrer, ja Tiere reagieren.

    Gesellschaftliche Diskussion über Roboterauto

    Was macht ein autonomes Auto, wenn es auf der Landstraße plötzlich einen Hasen vor sich ausmacht? Wie reagiert es gar auf ein Reh?

    Stefan Bratzel: Das ist noch eine moralisch einfache Frage. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, wird der Computer sich dafür entscheiden, den Hasen zu überfahren. Er wird aber versuchen, dem Reh auszuweichen, weil der Aufprall für die Insassen des Autos gefährlich werden könnte. Viel problematischer ist die ethische Frage: Was macht ein Roboterauto, wenn es nicht mehr ausweichen kann, fährt es dann auf den 80-jährigen Rentner oder ein Kind zu? Solche Fragen müssen jetzt gesellschaftlich breit diskutiert werden.

    Professor Oliver Bendel ist Philosoph und Informatiker. Er fordert eine Maschinen-Ethik. Muss die Autobranche Philosophen einstellen?

    Stefan Bratzel: Zur Klärung der ethischen Frage braucht man Philosophen. Wir brauchen auch eine Maschinen-Ethik. Der Gesetzgeber muss den Daimlers Vorgaben machen, was programmiert wird. Aber eines sollten wir bedenken: Mit Roboter-Taxis gibt es unterm Strich weniger Unfälle, als wenn man selbst fährt.

    Wer macht das Rennen um das autonome Auto, die deutschen Hersteller oder US-Konkurrenten wie Google?

    Stefan Bratzel: Deutsche Hersteller verfolgen ein evolutionäres Konzept, versuchen Schritt für Schritt neue Automatisierungs-Funktionen in Autos einzubauen. Die US-Rivalen agieren revolutionär, wollen rasch mit selbstständig fahrenden Autos punkten. Sie wollen Mobilitätsleistungen verkaufen, nicht Autos, sondern den Service, von A nach B gefahren zu werden. Den Trend haben auch deutsche Hersteller erkannt.

    Vertrauen in Roboterautos

    Was motiviert Google, Apple und den Taxi-Konkurrenten Uber, uns Roboterwagen schmackhaft zu machen?

    Stefan Bratzel: Die Amerikaner haben schlicht ausgerechnet, wie unglaublich viel Zeit Menschen als Fahrer in Autos verbringen und nichts anderes machen. Deshalb entwickeln sie Roboterautos, damit wir dort andere Dinge tun können, etwa im Internet einkaufen oder gegen Bezahlung Filme anschauen. Da ist ein riesiger Markt. Deshalb knien sie sich so in das Thema Mobilität hinein.

    Wie sieht diese schöne neue digitalisierte Mobilitäts-Welt aus?

    Stefan Bratzel: Ich kann mir vorstellen, dass wir dann einen Mobilitäts-Chip haben. Wer sich etwa einen teuren Premium-Chip gönnt, kann sich für die Fahrt in den Frankreich-Urlaub eine Limousine buchen, um dann im Urlaubsort, wenn er nicht mehr so viel Gepäckraum braucht, mit einem Kleinwagen unterwegs zu sein. Auf der Rückfahrt kommt dann wieder eine Limousine ins Spiel.

    Aber wird das nicht sehr teuer?

    Stefan Bratzel: Das ist der entscheidende Punkt. Erst wenn solche Mobilitätsleistungen für den Verbraucher deutlich billiger sind, als wenn er sich selbst ein Auto kauft, setzt sich das durch.

    Wo bleibt da die Freude am Fahren, der Stolz, ein eigenes Auto zu haben?

    Stefan Bratzel: Natürlich werden manche noch ein Auto haben, eine Art Spaßmobil, so wie sich Menschen heute einen Oldtimer leisten. In 20 oder 30 Jahren wird der eine oder andere aber keinen Führerschein mehr machen. Er vertraut Roboterautos.

    Stefan Bratzel, Jahrgang 1967, ist Direktor und Gründer des unabhängigen Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Er gilt als einer der führenden Auto-Experten Europas. Bratzel ist verheiratet und hat drei Kinder.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden