Alle warten auf die große Konfrontation, auf den Showdown, wie man so schön sagt. Aber was heißt schon warten? Hinter den Kulissen der Vereinten Nationen wird heftig gerungen, es ist die Zeit für die große Schule der Diplomatie. Denn die Palästinenser wollen auf dem Weg zu einer Uno-Mitgliedschaft nun den Durchbruch erzielen. Heute beginnt die Vollversammlung in New York. Besagte Konfrontation könnte dann am Freitag erfolgen. Da will Palästinenser-Präsident Mahmut Abbas das Gesuch um eine Aufnahme Palästinas bei Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon hinterlegen.
Die Gegenspieler des Ansinnens, Israel und die USA, sind entschlossen, eine palästinensische Uno-Mitgliedschaft mit allen diplomatischen Mitteln zu vereiteln. Und tatsächlich scheint eine Vollmitgliedschaft wegen des US-Vetorechts im Uno-Sicherheitsrat illusorisch. Israels Uno-Botschafter Ron Prosor gibt sich deshalb siegessicher: „Die Palästinenser werden nicht der 194. Staat in den Vereinten Nationen werden.“ Die Israelis pochen darauf, dass ein Palästinenserstaat nur das Ergebnis von Friedensgesprächen sein darf. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ruft Abbas zur sofortigen Aufnahme von Verhandlungen schon in New York auf.
Mit ihrem Vorstoß reagieren die Palästinenser auf die Blockade im Nahost-Friedensprozess. Die immer wieder unterbrochenen Verhandlungen haben bislang nicht zu einem international anerkannten Staat Palästina geführt. Präsidenten-Berater Mohammed Ischtajeh macht deutlich: „Abbas sagt jedem: Es reicht. 20 Jahre Verhandlungen sind mehr als genug. Die Welt sollte eingreifen und die israelische Besatzung beenden, solange die USA dazu nicht in der Lage sind.“ Die heute beginnende Generaldebatte der Uno-Vollversammlung bietet dem Palästinenser-Chef den idealen Rahmen, um seine ambitionierten Pläne zu verkünden. Am Freitag soll Abbas vor dem UN-Parlament selbst das Wort ergreifen. Bis Ende September werden dort die Granden der Weltpolitik sprechen, angeführt von US-Präsident Barack Obama.
Erst entscheidet der Sicherheitsrat
Abbas hatte schon vorige Woche erklärt, dass seine Regierung den Uno-Sicherheitsrat für eine Mitgliedschaft gewinnen will. Der Charta der Vereinten Nationen zufolge müssen Nichtmitglieder zunächst den Sicherheitsrat von ihrer Bewerbung überzeugen. Die 15 Staaten in dem Gremium sollen also prüfen, ob die Palästinenser die Voraussetzungen für eine Uno-Mitgliedschaft erfüllen, also allen Verpflichtungen aus der Charta nachkommen und „friedliebend“ sind. Nach einem Ja des Sicherheitsrates würde die Vollversammlung die Aufnahme beschließen.
Doch Abbas weiß: Die USA drohen mit ihrem Veto im Sicherheitsrat. Damit die Amerikaner nicht zu diesem letzten Mittel greifen müssen, wollen sie im Rat eine Sperrminderheit von sieben der 15 Mitglieder schmieden. Sagen die nein oder enthalten sich, wäre die nötige Mehrheit von neun Ja-Stimmen für den Palästinenserantrag dahin. Die USA stünden dann nicht als die einzigen Blockierer da.
Um eine Konfrontation im Sicherheitsrat zu vermeiden, könnte Abbas wiederum direkt die Uno-Vollversammlung ansteuern. Dort würde der Antrag auf eine Statuserhöhung hinauslaufen: vom jetzigen Rang als einfacher Beobachter zu einem Rang als Beobachterstaat. In dieser Rolle müssten sich die Palästinenser bewähren, um später im Sicherheitsrat noch einmal auf eine Vollmitgliedschaft zu drängen. Als Beobachterstaat könnten sie gegenüber den Israelis mit breiterer Brust auftreten. Eine Mehrheit für eine Statusaufwertung ist den Palästinensern, glaubt man Beobachtern, so gut wie sicher.
Einer der prominentesten Beobachterstaaten, die den Sprung in die Vollmitgliedschaft schafften, war übrigens die Bundesrepublik Deutschland. Sie wurde 1973 Mitgliedstaat der Vereinten Nationen – zusammen mit der DDR.